Zusammenfassung
- Definition:Unmöglichkeit der atraumatischen Retraktion des Präputiums über die Glans.
- Häufigkeit:Physiologisch bei Kleinkindern. Bei Jugendlichen Prävalenz einer primären Phimose von etwa 1 %.
- Symptome:Balanitis, Erektionsstörungen oder Miktionsstörungen möglich.
- Befunde:Vorhaut nicht über Eichel retrahierbar. Bei sekundärer Phimose narbiger Schnürring.
- Diagnostik:Klinische Diagnose.
- Therapie:Nur bei Beschwerden. Initialer Therapieversuch mit kortikoidhaltiger Salbe über 1–3 Monate. Bei ausbleibendem Erfolg chirurgische Zirkumzision.
Allgemeine Informationen
Definition
- Phimose (Vorhautenge, aus griech. „phimos“ = „Maulkorb, Knebel“) bezeichnet die Unmöglichkeit der atraumatischen Retraktion des Präputiums über die Glans.
- im Säuglings- und Kleinkindesalter physiologischer Zustand
- pathologisch nur bei Vorliegen oder zeitnah zu erwartendem Auftreten von Beschwerden und/oder sekundären Störungen mit Krankheitswert, z. B. nach Aufnahme sexueller Aktivität
- Primäre Phimose
- unvollständige Rückbildung der kongenitalen physiologischen Präputialenge
- Sekundäre Phimose
- narbige Fixierung der Präputialenge, häufig als Folge von lokalen Entzündungen (z. B. Balanitis) oder traumatischen Retraktionsversuchen mit Ausbildung eines narbigen Schnürrings
- Paraphimose
- Zurückgezogene Vorhaut, die sich nicht mehr über die Eichel streifen lässt.
- urologischer Notfall
Häufigkeit
- Die Prävalenz der primären Phimose ist altersabhängig:
- 1 Jahr: ca. 50 %
- 6–7 Jahre: ca. 8 %
- 16–18 Jahre: ca. 1 %.
- Für die sekundäre Phimose liegen keine Zahlen vor.
Ätiologie und Pathogenese
Primäre Phimose
- Durch eine zunehmende Weitung des elastischen Präputiums kommt es in der Regel bis zum Abschluss der Pubertät zu einer Lösung der Verklebungen und einer Zurückstreifbarkeit der Vorhaut.
- Warum bei Kindern mit primärer Phimose keine Weitung erfolgt, ist bislang unklar.
Sekundäre Phimose
- Tritt eher in fortgeschrittenem Alter auf und ist meist Resultat von stattgehabten Infekten (Balanitis) oder auf dem Boden eines Lichen sclerosus.
- Als Sonderform bei adipösen Patienten gibt es den „Buried Penis“, d. h. der Penisschaft retrahiert in die präpubische Fettschürze.
ICPC-2
- Y81 Phimose/überschüssige Vorhaut
ICD-10
- N47 Vorhauthypertrophie, Phimose und Paraphimose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Anamnese und klinischer Befund führen zur Diagnose.
- Eine pathologische Phimose liegt nur bei Beschwerden vor.
- Daher werden in der Anamnese Informationen zur Identifikation einer pathologischen Phimose gesammelt.
Anamnese
- Die Anamnese soll Fragen nach Vorerkrankungen, wie z. B. Harntransportstörungen, Harnwegsinfekten, Paraphimose oder lokalen Entzündungen der Vorhaut, umfassen.
- Erfragt werden sollen klinische Symptome wie Schmerzen (Miktion, Erektion) oder eine störende oder schmerzhafte Ballonierung der Vorhaut bei der Miktion sowie deren Beginn.
- Ebenso sollte auch ein evtl. vorliegender Leidensdruck des Kindes/Jugendlichen aufgrund der Nichtreponierbarkeit der Vorhaut erfragt werden.
Klinische Untersuchung
- Die klinische Untersuchung soll altersgerecht in einer kindgerechten Umgebung durch erfahrene Untersuchende erfolgen.
- Bei der klinischen Untersuchung ist insbesondere auf Narbenbildung im Bereich des Präputiums zu achten.
- Auch soll ein langstreckig sehr enges Präputium von einer narbenfreien und nur im distalen Bereich engen Vorhaut unterschieden werden, was die Notwendigkeit und die Art einer Behandlung beeinflussen kann.
- Ausgeprägte weißliche Narben oder gar eine Plaquebildung sind auf das Vorliegen eines Lichen sclerosus verdächtig, was eine besondere Betrachtung erfordert.
Indikationen zur Überweisung
- Bei unzureichendem Ansprechen auf die konservative Therapie Überweisung an Kinderurolog*in oder Kinderchirurg*in (für Zirkumzision)
Therapie
Therapieziele
- Beschwerdefreiheit (vor Abschluss der Pubertät)
- Freie Zurückstreifbarkeit (nach Abschluss der Pubertät)
- Dabei soll die zugrunde liegende Pathologie kuriert und das Präputium, wenn möglich, erhalten werden.
Allgemeines zur Therapie
- Die alleinige Nicht-Retrahierbarkeit der Vorhaut ausschließlich aufgrund präputialer Adhäsionen oder Smegmaretentionszysten ohne Beschwerden oder nicht störendes oder schmerzhaftes Ballonieren bei Miktion sollen keine Behandlungsindikation darstellen.
- Besteht eine asymptomatische Phimose bis zum Abschluss der Pubertät (primär) oder entsteht die Phimose sekundär, ist die Indikation zur Behandlung gegeben.
- Bestehen für den Jungen relevante Beschwerden oder sind diese zeitnah abzusehen, soll eine Behandlung begonnen werden.
- Hierbei ist in den meisten Fällen die konservative Salbenbehandlung ausreichend.
- Bei Erfolglosigkeit soll die operative Therapie erfolgen.
Medikamentöse Therapie
- Empfehlungen gemäß Cochrane Review2
- Topische Behandlung mit kortikoidhaltiger Salbe 1–2 x tgl.
- Dauer: 4 Wochen bis max. 3 Monate; Beendigung der Therapie bei erreichter Beschwerdefreiheit bzw. freier Retrahierbarkeit der Vorhaut
- Zyklen: max. 2 Zyklen
- Kontrollen: mindestens alle 4 Wochen
- mögliche Präparate: Betamethason 0,1 %, Mometason-Fuorat 0,1 %, Fluticason-Propionat 0,05 % und Clobetasol-Propionat 0,05 %
Lichen sclerosus
- Besteht der Verdacht auf das Vorliegen eines Lichen sclerosus, soll mit dem potentesten Agens Clobetasol-Propionat begonnen werden.
- Therapiedauer in der Regel 3 Monate
Operative Therapie
Radikale Zirkumzision
- Cave: Im Säuglingsalter besteht aus medizinischen Gründen keine Indikation zur Beschneidung (Ausnahme hochgradige assoziierte Uropathologie).
- Indikationen
- bei erfolgloser konservativer Therapie einer pathologischen primären Phimose oder einer sekundären Phimose
- Anästhesie
- Bei der Zirkumzision soll die Allgemeinanästhesie mit einer Regionalanästhesie kombiniert werden.
- Sehr schmerzhafter Eingriff, der auch trotz adäquater perioperativer anästhesiologischer/analgetischer Maßnahmen postoperativ unterschiedlich lange Schmerz- und Stressreaktionen des Kindes hervorrufen kann.
- Chirurgisches Vorgehen bei Vorhaut-resezierender Operationstechnik
- nach Lösen von evtl. noch bestehenden Verklebungen Anklemmen der Vorhaut
- Durchtrennung vom Frenulum und Ligatur der Frenulumarterie
- komplette Resektion vom äußeren und inneren Blatt der Vorhaut
- Adaption der Vorhautblätter mit resorbierbarem Fadenmaterial
- Salbenverband
- histologische Untersuchung des Resektats (Lichen sclerosus?)
Vorhaut-erhaltende Operationstechniken
- Erweiterungsplastiken oder sparsame Zirkumzision sind in manchen Fällen möglich.
- Vorteil: Erhalt eines funktionell relevanten Anteils der Vorhaut
- Nachteile: Rezidiv der Phimose (11–20 %)
- Kontraindikation: Lichen sclerosus
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Eine bei Kindern bestehende primäre Phimose ohne Krankheitsbeschwerden verschwindet meist bis nach der Pubertät.
Komplikationen
- Bei pathologischer Phimose u. a. möglich:
- Beschwerden beim Wasserlassen oder bei der Erektion
- Balanoposthitiden
- Harnwegsinfektionen.
- Spätere psychosexuelle Beeinträchtigungen
- Paraphimose (urologischer Notfall)3
- Postoperative Komplikationen, u. a.:
- Nachblutung
- Infektion
- Sensibilitätseinschränkung
- Narbenbildung
- Verletzungen der Harnröhre und Schwellkörper
- Meatusstenose
- Rezidiv.
- Peniskarzinom (Plattenepithelkarzinom als Folge von Lichen sclerosus).4
Prognose
- Bei 50–80 % der Patienten zeigt sich ein anhaltender Erfolg nach lokaler Salbentherapie.
- Bei Zirkumzision in 1–2 % der Fälle Rezidive, postoperative Blutungen und Infektionen bei bis zu 9 %
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Terlecki RP. Phimosis, Adult Circumcision, and Buried Penis. Medscape, last updated Sep 27, 2021. emedicine.medscape.com
- Moreno G, Corbalan J, Penaloza B, et al. Topical corticosteroids for treating phimosis in boys. Cochrane Database Syst Rev. 2014 Sep 2;9:CD008973. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Kessler CS, Bauml J. Non-traumatic urologic emergencies in men: a clinical review. West J Emerg Med. 2009 Nov. 10(4):281-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Dillner J, von Krogh G, Horenblas S, Meijer CJ. Etiology of squamous cell carcinoma of the penis. Scand J Urol Nephrol Suppl 2000; 205: 189-93. PubMed
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.