Erektile Dysfunktion, Symptom

Allgemeine Informationen

  • Dieser Artikel fokussiert auf die hausärztliche Differenzialdiagnostik von Erektionsstörungen und möglichen Ursachen. Für nähere Informationen zur weiterführenden Diagnostik und zur Therapie der erektilen Dysfunktion siehe Artikel Erektile Dysfunktion.

Definition

  • Für mindestens 6 Monate bestehende Unfähigkeit, eine penile Erektion, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreicht, zu erreichen oder aufrecht zu erhalten.
  • Kann Lebensqualität und Wohlbefinden des Betroffenen sowie der Partnerin oder des Partners deutlich vermindern.

Häufigkeit

  • Bei Männern unter 40 Jahren ist die Prävalenz niedrig.
  • Die Prävalenz der erektilen Dysfunktion nimmt von ca. 2 % in der 3. Lebensdekade auf über 50 % in der 7. Lebensdekade zu.

Physiologie

  • Erektion
    • Endothel und parasympathische Nervenenden setzen Stickstoffoxide (NO) frei. Diese sind die primären Neurotransmitter bei der penilen Erektion.
    • Die Freisetzung von NO verursacht eine Entspannung der glatten Muskulatur im Schwellkörper. Dadurch werden die kleinen Venen in der Tunica zusammengedrückt und für den venösen Abfluss verschlossen.
    • Die Schwellkörper füllen sich mit Blut, und eine Erektion tritt ein.
  • Detumeszenz
    • Adrenerge Rezeptoren in den Schwellkörperarterien und der glatten Muskulatur werden aktiviert.
    • Der intrakorporale Druck steigt und verringert damit die arterielle Versorgung, was eine Drainage der Schwellkörper zur Folge hat.
    • Aufgrund der venösen Drainage hört die Erektion auf.

Konsultationsgrund

  • Unbefriedigendes Sexualleben
  • Kinderwunsch
  • Paarkonflikte

ICPC-2

  • Y07 Impotenz NNB (bei Verdacht auf psychische Ursachen: P07, P08)

ICD-10

  • N48 Sonstige Krankheiten des Penis
    • N48.4 Impotenz organischen Ursprungs
  • F52 Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit
    • F52.2 Versagen genitaler Reaktionen

Differenzialdiagnosen

Psychische Ursachen

  • Entweder allein oder auch in Kombination mit somatischen Ursachen
  • Faktoren, die eine psychogene ED begünstigen können:
    • prädisponierende Faktoren
      • frühere traumatische Erlebnisse
      • rigide, körperfeindliche Erziehung
      • unzureichende Sexualaufklärung/-bildung
      • somatische oder psychische Morbidität
    • auslösende Faktoren
      • Beziehungskonflikt
      • Leistungsdruck während des Geschlechtsverkehrs
      • familiäre und soziale Probleme
      • einschneidende Ereignisse wie Schwangerschaft, Geburt, Arbeitslosigkeit
    • aufrechterhaltende Faktoren
      • Beziehungsprobleme
      • somatische oder psychische Morbidität
      • fehlendes Wissen über Behandlungsmöglichkeiten
      • religiöse/kulturelle Aspekte.
  • Psychische Störung, z. B.:

Vaskuläre Ursachen

  • Arteriosklerose1
    • ED geht einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher.
    • nachweislicher Zusammenhang zwischen der Entwicklung von ED und Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht und mangelnde körperliche Bewegung
    • Eine Änderung solcher Faktoren kann zur Verbesserung der Erektionsfähigkeit führen.
  • Hypertonie
  • KHK, Herzinfarkt
  • Typ-1-Diabetes und Typ-2-Diabetes
  • Hyperlipidämie
  • Fehlende Funktionalität des korporalen venookklusiven Mechanismus (z. B. durch Fibrose)

Neuronale Ursachen

Hormonelle Ursachen

Medikamentöse Ursachen

  • Potenziell erektionsmindernd sind z. B.:
    • Antihypertensiva (z. B. Thiazide, Betablocker, Kalziumkanalblocker)
    • Psychopharmaka (z. B. trizyklische Antidepressiva, SSRI/SNRI)
    • Antiandrogene (z. B. Gonadoliberin-Agonisten, Zytostatika)
    • Antiarrhythmika (z. B. Digoxin)
    • Statine.

Genussmittel und Drogen 

Systemische Erkrankungen

  • Erkrankungen mit Beeinträchtigungen des Allgemeinzustands, z. B. Erkrankungen von:
    • Leber
    • Niere
    • Lunge
    • Herz und Gefäße.

Urogenitale Erkrankungen

Anamnese

Das Problem definieren

Zeitliche Aspekte

  • Wann trat die ED zum ersten Mal auf?
  • Wie häufig war Geschlechtsverkehr wegen fehlender oder zu schwacher Erektion nicht möglich?
  • Vollständige und anhaltende Erektionen bei Masturbation oder spontan – nachts, morgens?

Mögliche Hinweise auf eine psychogene ED

  • Plötzlicher Beginn, ohne erkennbaren organischen Auslöser
  • Vorausgehende belastende Lebensereignisse
  • Fluktuationen und Situationsabhängigkeit der Störung
  • Keine körperlichen Risikofaktoren (siehe Abschnitt Differenzialdiagnosen)
  • Alter unter 50 Jahren
  • Fortbestehen nächtlicher Spontanerektionen
  • Psychosoziale Exploration
  • Vorzeitige Ejakulation?
    • Bei ED tritt der frühe Verlust der Erektion vor dem Orgasmus auf, bei der vorzeitigen Ejakulation nach dem Orgasmus.
  • Befragung des Partners/der Partnerin
  • Näheres zur Abgrenzung psychogene vs. organisch bedingte ED siehe Artikel Erektile Dysfunktion.

Klinische Untersuchung

Allgemeines

  • Inspektion der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale
  • Gynäkomastie?
    • z. B. Prolaktin produzierender Tumor
    • medikamentös bedingt (z. B. Neuroleptika)
  • Anzeichen von Atherosklerose? – peripherer Puls, Blutdruck
  • Untersuchung des Unterbauchs
  • Rektale Untersuchung
  • Anzeichen einer neurologischen Erkrankung?
    • orientierende neurologische Untersuchung
    • Anal- und Kremasterreflex
    • Hinweise auf hypophysäre Raumforderung (z. B. Gesichtsfeldausfälle)?

In der Hausarztpraxis

Bei Spezialist*innen

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Zur detaillierten Untersuchung und Verlaufskontrolle, je nach Ursache der Störung bei folgenden Spezialist*innen:
    • Urolog*innen
    • Ärzt*innen mit Zusatzweiterbildung Andrologie – Fachärzt*innen folgender Spezialgebiete können diese Qualifikation erwerben:
      • Haut- und Geschlechtskrankheiten
      • Innere Medizin und Endokrinologie
      • Innere Medizin und Diabetologie
      • Urologie.
    • ärztliche oder psychologische Psychotherapeut*innen
      • Paartherapeut*innen
      • Sexualtherapeut*innen
    • Neurolog*innen
    • Endokrinolog*innen
    • Kardiolog*innen.
  • Wenn die ED-Ursache durch die obigen Untersuchungen nicht zuverlässig aufgeklärt werden kann.
  • Wenn die Behandlung mit PDE-5-Hemmern keine Wirkung zeigt.

Empfehlungen

Ursachenbezogen

  • Die Behandlung der Ursache und die Vorbeugung stehen an erster Stelle.
  • Dazu gehört auch die Veränderung des Lebensstils und der Lebensgewohnheiten, z. B.:

Pharmakotherapie

  • Die 4 zugelassenen PDE-5-Hemmer – Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil und Avanafil – haben eine vergleichbare Wirksamkeit.
  • Ggf. lokale Anwendung Prostaglandin-E1-haltiger Pellets über die Harnröhre (MUSE)
  • Ggf. SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie)

Lokale Hilfsmittel

  • Vakuumpumpen
  • Lokale Elektrotherapie

Operation

  • Intrakavernöse Penisprothese, steif oder halbsteif, die aufgepumpt wird.
  • Sollte die letzte Therapiewahl sein.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Nehra A, Jackson G, Miner M, et al. The Princeton III Consensus recommendations for the management of erectile dysfunction and cardiovascular disease. Mayo Clin Proc 2012; 87: 766-78. PMID: 22862865 PubMed
  2. Kim ED. Erectile dysfunction. BMJ Best Practice. Last reviewed: 14 Jun 2022, last updated: 01 Feb 2019. bestpractice.bmj.com

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg

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