Dystonien

Zusammenfassung

  • Definition:Erkrankung mit unwillkürlichen, drehenden, anhaltenden Muskelkontraktionen als isoliertes Phänomen oder aufgrund zugrunde liegender neurologischer Störungen.
  • Häufigkeit:Chronische Dystonie tritt bei ca. 30/100.000 Menschen auf.
  • Symptome:Drehende wiederholte Bewegungen der betroffenen Körperregion, häufig in Kombination mit veränderter Körperhaltung.
  • Befunde:Unwillkürliche Bewegungen der Muskulatur in Gesicht, Halsbereich, Armen, Händen und Füßen.
  • Diagnostik:Genetische Untersuchung, weiterhin orientierend MRT und Laboruntersuchungen zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen.
  • Therapie:Symptomatische Therapie in den meisten Fällen. Kausale Therapie bei doparesponsiver Dystonie und Morbus Wilson. Alternative Therapiemöglichkeiten mittels Botox-Injektionen und tiefer Hirnstimulation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bewegungsstörung, die durch unwillkürliche, anhaltende oder intermittierende Muskelkontraktionen verschiedener Körperteile gekennzeichnet ist, mit daraus resultierenden abnormen, oftmals repetitiven Bewegungen und/oder Fehlhaltungen.1-2
    • wiederholte drehende Bewegungen der betroffenen Körperregion3-4
    • Kann von einzelnen Muskeln oder Muskelgruppen ausgehen.
  • Dystonische Bewegungen folgen einem typischen Muster mit Drehbewegungen und Zittern (Tremor).
  • Häufig durch willkürliche Bewegungen ausgelöst oder verschlimmert
  • Isolierte Dystonie (früher: primäre Dystonie)5
    • ausschließlich Anzeichen von Dystonie und gelegentlich Tremor
    • keine weiteren auffälligen Befunde in neurologischer Untersuchung, Labor oder bildgebenden Verfahren
  • Erworbene Dystonie (früher: sekundäre Dystonie)5
    • Bekannte erworbene Ursachen liegen zugrunde.
    • Neurologische Ausfälle (kombinierte Dystonie) sind häufig.
      • u. a. Muskelschwäche, Spastik, Ataxie, okuläre Motilitätsstörungen, retinale Veränderungen, kognitive Störungen und Krämpfe

Klassifikation nach klinischen Merkmalen

  • Ein Konsensus-Komitee erarbeitet die Klassifikation der Dystonien nach Ursachen, topographischer Verteilung, Muster, evtl. weiteren Bewegungsstörungen, Alter der Patient*innen bei Beginn der Erkrankung und Genetik.4
  • Alter bei Beginn der Erkrankung
    • Säuglingsalter (< 2 Jahre)
    • Kindheit (3–12 Jahre)
    • Jugendliche (13–20 Jahre)
    • frühes Erwachsenenalter (21–40 Jahre)
    • spätes Erwachsenenalter (> 40 Jahre)
  • Topographische Verteilung
    • Fokale Dystonie: Nur eine Körperregion ist betroffen, z. B. zervikale Dystonie.
    • Segmentale Dystonie: Zwei oder mehrere benachbarte Körperregionen sind betroffen.
    • Multifokal: Zwei oder mehrere nicht-benachbarte Körperregionen sind betroffen.
    • Generalisiert: Betrifft den Rumpf und mindestens zwei weitere Körperregionen.
    • Hemidystonie: Betrifft mehrere Körperregionen, ist aber nur auf eine Körperhälfte begrenzt.
    • Fokale, segmentale und generalisierte Dystonien sind häufiger als multilokale und Hemidystonie zu beobachten.
  • Zeitliche Entwicklung der Anfälle („Temporal Pattern“)
    • Krankheitsentwicklung
      • statisch
      • progressiv
    • Variabilität
      • persistierend
      • aktivitätsspezifisch
      • diurnal (tagsüber)
      • paroxysmal
  • Begleitende Merkmale
    • isoliert oder in Kombination mit einer anderen Bewegungsstörung
      • Isolierte Dystonie: Dystonie als einziges motorisches Kennzeichen mit Ausnahme von Tremor.
      • Kombinierte Dystonie: Dystonie in Kombination mit anderen Bewegungsstörungen (Myoklonien, Parkinsonismus usw.)
    • weitere neurologische oder systemische Manifestationen

Klassifikation nach Ätiologie

  • Pathologie des Nervensystems
    • Degenerationsbefunde
    • Befunde von strukturierten (oft statischen) Läsionen
    • keine Anzeichen von Degeneration oder strukturellen Veränderungen
  • Erblich oder erworben
    • erblich
      • autosomal-dominant
      • autosomal-rezessiv
      • X-gebunden-rezessiv
      • Mitochondrium
    • erworben
      • perinatale Hirnschädigung
      • zerebrovaskulär
      • Hirnschädigung
      • medikamentös
      • Infektion
      • Neoplasma
      • toxisch
      • psychogen
  • Idiopathisch
    • sporadisch
    • familiär

Häufigkeit

  • Dystonien sind wahrscheinlich unterdiagnostiziert.6
  • Chronische isolierte Dystonie
    • Epidemiologische Daten weichen aufgrund verschiedener Diagnoseverfahren untereinander stark voneinander ab.
    • Fokale Dystonie (zervikale Dystonie/ Torticollis spasmodicus) tritt am häufigsten auf und macht mindestens 1/3 der gesamten Dystoniefälle aus.
    • isolierte Dystonie bei ca. 16,4 pro 100.000 Menschen7
    • generalisierte Dystonie bei ca. 2–4 pro 100.000 Menschen1-2
  • Akute Dystonie
    • In der Regel sind jüngere Menschen betroffen, kein Unterschied zwischen den Geschlechtern.

Ätiologie und Pathogenese

  • Hauptkategorien
    • isolierte (primäre) Dystonie
    • erworbene/kombinierte (sekundäre) Dystonie
  • Die Ursachen der erworbenen/kombinierten (sekundären) Dystonie können sein:
    • neurologische Erkrankungen
    • medikamentös ausgelöst
      • häufigste Ursache für sekundäre Dystonien
        • häufig: Antipsychotika, Levodopa, Metoclopramid, Antihistaminika, Antiepileptika, Anxiolytika, Ca-Blocker
      • sekundäre Fälle bei Einnahme von Dopamin-blockierenden Medikamenten oder als Teil einer Gehirnerkrankung (z. B.  Parkinson-Krankheit, hereditäre Ataxien) möglich
    • genetisch bedingt
      • Mindestens 13 genetisch bedingte primäre Dystonien sind bekannt, 12 davon sind autosomal-dominant.
      • Loci mit DYT1–13 bezeichnet
    • durch metabolische Grunderkrankung
    • jahrelange feinmotorische Tätigkeit hoher Intensität (Instrumentalmusiker*in)

Pathologie

  • Isolierte Dystonie
    • Konsistente neuropathologische Befunde liegen nicht vor.8
    • Nichtvorhandensein einer Zelldegeneration lässt vermuten, dass die Erkrankung eine dynamische Störung ist.5
  • Pathologie lokalisierbar?
    • Bisher sind keine typischen anatomischen Lokalisationen oder spezifische Neurotransmitter-Defekte bekannt.
    • PET/funktionelle MRT zeigen häufig anomale Aktivitäten in Motorkortex, Kleinhirn und Basalganglien.5
  • Elektrophysiologie
    • Abgeschwächte zentrale inhibitorische Mechanismen, eine erhöhte Plastizität oder eine Störung der sensorischen Funktion scheint bei einigen Erkrankungsformen eine Rolle zu spielen.9

Pathophysiologie

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Abschnitt auf dieser Referenz.
  • Die Dystonie ist die Folge von unwillkürlichen Kontraktionen der Agonisten und Antagonisten.
    • Übertragung unerwünschter Muskelkontraktionen auf umgebende Muskeln
  • Dystonische Bewegungen können langsam oder schnell sein, sich während verschiedener Aktivitäten oder Körperhaltungen ändern oder in fortgeschrittenen Fällen fixiert sein.
  • In einigen Fällen tritt ein Tremor auf.
  • Aktionsdystonie ist häufig aufgabenspezifisch, und es werden atypische Körperhaltungen eingenommen.
  • Einige lokalisierte Dystonien werden durch einfache sensorische Reize (z. B. eine leichte Berührung des betroffenen Körperteils) ausgelöst oder verstärkt.
  • Zugrunde liegende pathophysiologische Mechanismen sind nicht vollständig geklärt.3

ICD-10

  • G24 Dystonie
    • G24.0 Arzneimittelinduzierte Dystonie
    • G24.1 Idiopathische familiäre Dystonie
    • G24.2 Idiopathische nichtfamiliäre Dystonie
    • G24.3 Torticollis spasmodicus
    • G24.4 Idiopathische orofaziale Dystonie
    • G24.5 Blepharospasmus
    • G24.8 Sonstige Dystonie
    • G24.9 Dystonie, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diagnose im Wesentlichen durch Anamnese und typische klinische Zeichen
  • Wichtig ist es, erworbene/kombinierte (sekundäre) Dystonien zu identifizieren.10

Klassifikation

  • Isoliert (primär): oft chronisch, zuweilen progredient
    • fokal: Blepharospasmus, Kieferdystonie, spastische Dysphonie, Torticollis spasmodicus, Schreibkrampf
    • segmental: Gesicht + Torticollis spasmodicus, beide Hände
    • generalisiert: Rumpf, obere und untere Extremitäten
  • Erworben/kombiniert (sekundär)
    • akut: arzneimittelinduziert
    • chronisch: arzneimittelinduziert, Teil einer neurologischen Grunderkrankung

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Bizarre, drehende, unwillkürliche, anhaltende Bewegungen in Form von Grimassen, Blepharospasmus, dystonen Zungenbewegungen, Torticollis spasmodicus und Blickdeviationen, Schreibkrämpfen sowie unkoordinierten Bewegungen der Extremitäten.1,11
  • Dynamische Störung, deren Schweregrad sich je nach Aktivität oder Körperhaltung ändern kann.
    • Beispielsweise „Writer's Cramp“ (Schreibkrampf): Dystonie von Händen und Armen, die ausschließlich beim Schreiben auftritt.
  • Mögliche Mechanismen zum Durchbruch der Bewegungen5
    • Leichte Berührung der betroffenen Körperregion führt häufig zur Reduktion oder Sistieren dystonischer Bewegungen.
    • bei ca. 60 % der Patient*innen hilfreich
    • auch als Imaginationstechnik anwendbar, ohne tatsächliche physische Ausführung (kognitive Technik)
  • Alter bei Erstmanifestation
    • Bei Erstmanifestation im Kindes- oder Jugendalter kommt es häufig zum Übergang einer fokalen Extremitäten-Dystonie zu einer schweren generalisierten Form.
    • Erstmanifestation ab einem Lebensalter von 25 Jahren zeigt sich oft in Beteiligung der kraniozervikalen Muskulatur, Dystonie bleibt dann fast immer lokalisiert oder segmental und ist in der Regel nicht progressiv.12
  • Unterschiedliche Entwicklungsmuster je nach Beginn der Dystonie
    • Frühe Dystonie beginnt in der Regel an den Extremitäten, meist am Unterschenkel, breitet sich auf andere Bereiche des Körpers aus und generalisiert bei über 50 % der Patient*innen.1-2
    • Späte Dystonie beginnt meistens im Hals/Nacken-Bereich, Arm oder Gesicht und bleibt oft fokal oder segmental.

Früh beginnende isolierte Dystonie

  • Beginnt oft an einer unteren Extremität, häufig in Form einer Inversion des Fußes.
  • Anfangs nur durch intensive physische Aktivitäten ausgelöst (z. B. Laufen)
  • Im Verlauf häufig auch durch weniger intensive Aktivitäten ausgelöst wie Gehen oder Stehen; schließlich bleibt die Dystonie auch im Ruhezustand bestehen.
  • Dystonie mit fokalem Beginn geht häufig in eine generalisierte Form über, meist innerhalb von 5 Jahren.4
  • Bei isolierter Dystonie sind Kognition und intellektuelle Fähigkeiten trotz erheblicher Bewegungsstörungen nicht beeinträchtigt.
  • Untergruppen der früh beginnenden isolierten Dystonie sind die erblichen Formen DYT-TOR1A-Dystonie und DYT-THAP1-Dystonie.

Fokale oder segmental isolierte Dystonie im Erwachsenenalter

  • Beginnt in der Regel im Oberkörper, meist ist ein Arm, Nacken, Gesicht oder Larynx betroffen.13
  • Tritt häufig erst nach dem 30. Lebensjahr auf.
  • Geht selten in eine generalisierte Form über.
  • Verschiedene Körperregionen können betroffen sein.
    • zervikale Dystonie: Dystonie des Halses und der Schultern, spasmodischer Torticollis
    • Blepharospasmus: Dystonie der periokulären Muskeln
    • oromandibuläre, linguale oder faziale Dystonie: Dystonie des Kiefers, der oralen Muskeln, der Zunge oder der Gesichtsmuskeln
    • spasmodische Dysphonie: Dystonie der laryngealen Muskeln
    • Extremitäten-Dystonie: Dystonie eines Armes oder Beines; meist einseitig und häufig durch bestimmte Aktivitäten ausgelöst
    • Berufs- oder aufgabenspezifische Dystonie: Dystonie, die nur bei bestimmten Aktivitäten auftritt wie etwa beim Schreibkrampf oder bei einer Musiker-Dystonie.

Kombinierte Dystonie

  • Die Dystonie tritt kombiniert mit anderen Bewegungsstörungen auf, häufig mit Parkinsonismus oder Myoklonien.
  • Kann auch eine Reaktion auf Medikamente sein.

Klinische Untersuchung

  • Ausschlag für die Diagnose eines dystonen Syndroms gibt das Erkennen von bestimmten, typischen Bewegungsmustern, die durch langsam wiederholte Muskelkontraktionen verursacht werden und zu abnormen Körperhaltungen führen.1
  • Häufig sind unwillkürliche Bewegungen im Augenbereich, im Gesicht, der mandibulären Muskeln, der Zunge, der Halsmuskeln, der Arme, Beine und Füße.14
  • Generalisierte Torsionsdystonie kann zu schweren Verzerrungen und Missbildungen des Rumpfes führen.
  • Bestätigung der Diagnose oft erst durch erfahrene Neurolog*in15-16

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Es gibt keine spezifischen diagnostischen Tests.5
  • Genetische Tests
    • Zahlreiche kombinierte und komplexe (seltener auch isolierte) Dystonien werden monogen vererbt.
    • Diagnostische Gentests sind mittels Sequenzier-Panel vorhanden und können das diagnostische Prozedere erheblich verkürzen.
    • Es ist ratsam, die Patient*innen zu screenen, die in einem Alter von unter 26 Jahren erstmals an einer primären Dystonie erkranken.
    • Patient*innen mit späterem Beginn testen, wenn in ihren Familien Dystonien mit frühem Beginn vorliegen.
  • MRT
    • indiziert bei Vorliegen weiterer neurologischer Befunde
  • Labortests
    • nur indiziert bei Verdacht auf zugrunde liegende strukturelle, degenerative oder metabolische Störungen
    • Morbus Wilson ausschließen durch Messung des Serum-Coeruloplasmins und der 24-Stunden-Ausscheidung von Kupfer
    • Doparesponsive Dystonie ausschließen durch 3-wöchige Behandlung mit Levodopa oder aber bestätigen durch eine Enzym- und Genanalyse.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung sollte eine Überweisung zur Neurolog*in erfolgen.

Therapie

Therapieziele

  • Akute sekundäre Dystonie
    • Anfälle verhindern und/oder durchbrechen.
  • Isolierte (primäre) Dystonie
    • symptomatische Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie einer Dystonie ist rein symptomatisch.1,5
  • Lediglich für die doparesponsive Dystonie und Morbus Wilson existieren spezifische pharmakologische Therapien.
  • Ein Absetzen möglicher auslösender Medikamente sollte stets erwogen werden.
    • häufig: Antipsychotika, Levodopa, Metoclopramid, Antihistaminika, Antiepileptika, Anxiolytika, Ca-Blocker
  • Therapie der Wahl bei fokalen Dystonien (Blepharospasmus, zervikaleDystonie u. a.) ist die selektive periphere Denervierung mittels Botulinumtoxin A.
    • In Deutschland sind momentan 3 BoNT-Typ-A-Präparate (BOTOX – Onabotulinumtoxin, Dysport – Abobotulinumtoxin und Xeomin – Incobotulinumtoxin) zur Behandlung der zervikalen Dystonie und des Blepharospasmus zugelassen.17
  • Bei in den Extremitäten beginnenden, später generalisierten Dystonien mit Beginn im Kindes- oder Jugendalter sollte das Ansprechen auf L-Dopa im chronischen L-Dopa-Test über 8 Wochen untersucht werden.
  • Anticholinergikum Trihexyphenidyl ist bei generalisierten Dystonien mit unbekannter Ursache wirksam, die Effekte bei fokalen Dystonien sind jedoch schwächer und der Behandlung mit Botulinumtoxin unterlegen.1-2

Medikamentöse Therapie

Bei akuter Exazerbation

  • Anticholinergikum-Behandlung
    • Biperiden, Injektion 5 mg/ml: 5 mg i. m. oder langsam i. v.
      • Kann nach 30 min wiederholt werden, max. 20 mg pro Tag.
      • Die Langzeitbehandlung mit Biperiden-Tabletten ist sinnvoll (siehe Fachinformation).
    • UAW: Harnverhalt und Erhöhung der Transaminasen (regelmäßige Bestimmung der Leberwerte); nicht abrupt absetzen.
  • Diazepam ist mögliche Alternative: 5–10 mg i. v. Kann bei Bedarf wiederholt werden.

Chronische Formen

  • Mangel an qualitativen Wirksamkeitsstudien
  • Zahlreiche Medikamente können günstige Wirkungen haben, der klinische Nutzen wird jedoch häufig durch die Nebenwirkungen begrenzt.
  • Versuchsweise Anticholinergika (Trihexyphenidyl), Levodopa, evtl. mit Antipsychotika (vor allem mit Tetrabenazine)
    • Trihexyphenidyl kann zuweilen hochdosiert bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Bei Erwachsenen sind gute Ergebnisse ohne unerwünschte Nebenwirkungen selten.
    • L-Dopa-Versuch bei Beginn im Kinder- und Jugendalter: Dosierung erfolgt einschleichend bis zu einer max. Tagesdosis von 3 x 200 mg (bei Kindern 10 mg/kg Körpergewicht tgl. auf 3 Einzeldosen verteilt) und über einen Zeitraum von 8 Wochen.
  • Botulinumtoxin bei fokalen Dystonien
    • Botulinumtoxin hemmt die Freisetzung von Acetylcholin am neuromuskulären Übergang.
    • Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin in die dystone Muskulatur ist oft wirksam, vor allem bei Torticollis spasmodicus, hemifazialen Spasmen, Blepharospasmus, Schreibkrämpfen und Dysphonie.18
      • Wirksam bei 70–90 % von zervikaler Dystonie.
    • Die Wirkung einer Injektion zeigt sich nach etwa 1 Woche und hält ca. 3 Monate lang an.
    • Wirkung von Botulinumtoxin kann durch bestimmte Antibiotika verstärkt werden (z. B. durch Aminoglykoside).

Weitere Therapieoptionen

  • Verhaltenstherapie
    • Entwicklung physischer Techniken, mit denen Anfälle verhindert oder durchbrochen werden können.
    • Schulung in kognitiven Verfahren zur Verhinderung der Anfälle (Psychiater*in, Psycholog*in)
  • Tiefe Hirnstimulation des Globus pallidus
    • Patient*innen mit schweren Dystonien vorbehalten, bei denen andere Therapien wirkungslos bleiben.
    • Methode bei primärer generalisierter und bei segmentaler Dystonie19
    • Kann auch für bestimmte Patient*innen mit sekundären Dystonien indiziert sein.
    • Nebenwirkungen der tiefen Hirnstimulation
      • in der Regel leicht und reversibel: am häufigsten Dysarthrie oder Parästhesien
  • Physiotherapie
    • Muskeldehn- und Kräftigungsübungen sind zur Prävention von Kontrakturen zu empfehlen.
    • Mechanische Hilfsmittel können Funktionsverluste ausgleichen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Akute Dystonien treten häufig nach kurzen medikamentösen Therapien auf, zuweilen schon nach einer Einzeldosis.
  • Isolierte Dystonie kann allmählich zunehmen.
    • Kontrakturen können in Bereichen auftreten, die chronisch von Dystonie betroffen sind.5

Prognose

  • Idiopathische fokale Dystonie entwickelt sich meist langsam, kann sich nach wenigen Monaten bis zu einem Jahr verschlimmern und danach stabilisieren.
  • Eine früh einsetzende isolierte Dystonie entwickelt sich häufig zu einer generellen Dystonie.
  • Bei doparesponsiver Dystonie führen Levodopa oder Dopamin-Agonisten, evtl. auch Anticholinergika zu einer beständig positiven Wirkung.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Balint B, Mencacci NE, Valente EM et al. Dystonia. Nat Rev Dis Primers 4, 25 (2018). www.nature.com
  2. Batla A. Dystonia: A review. Neurol India. 2018. DOI: 10.4103/0028-3886.226439. www.neurologyindia.com. www.neurologyindia.com
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  4. Albanese A, Bhatia K, Bressman SB, et al. Phenomenology and classification of dystonia: a consensus update. Mov Disord 2013; 28:863. PubMed
  5. Comella C. Classification and evaluation of dystonia. UpToDate, last updated April 2014. UpToDate
  6. Klein C, Ozelius LJ. Dystonia: clinical features, genetics, and treatment. Curr Opin Neurol 2002; 15:491. PubMed
  7. Steeves TD, Day L, Dykeman J, et al. The prevalence of primary dystonia: a systematic review and meta-analysis. Mov Disord 2012; 27:1789. PubMed
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  14. Lin JP, Nardocci N. Recognizing the Common Origins of Dystonia and the Development of Human Movement: A Manifesto of Unmet Needs in Isolated Childhood Dystonias. Front Neurol. 2016. doi: 10.3389/fneur.2016.00226. www.ncbi.nlm.nih.gov. www.ncbi.nlm.nih.gov
  15. Logroscino G, Livrea P, Anaclerio D, et al. Agreement among neurologists on the clinical diagnosis of dystonia at different body sites. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2003; 74:348. PubMed
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Autor*innen

  • Moritz Paar, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Münster

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