Zusammenfassung
- Definition: Schädigung des N. femoralis.
- Häufigkeit: Selten. Traumatisch oder iatrogen bedingt.
- Symptome: Schwächung des M. quadriceps und Instabilität im Knie.
- Befunde: Können Quadrizepsatrophie, verminderte Extensionskraft im Knie und abgeschwächter Patellarsehnenreflex sein.
- Diagnostik: Anamnese und typische Klinik, ergänzende Untersuchungen abhängig von der Schädigungsursache.
- Therapie: Die Therapie ist von der zugrunde liegenden Ursache abhängig. Ergänzend Physiotherapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Verletzung des N. femoralis (L1–L4)
- Kompression durch Bandscheibenvorfälle siehe Artikel Lumbale Bandscheibenschäden mit Radikulopathie
- Schädigung im Bereich des Beckens, der Leiste oder im Verlauf am vorderen Oberschenkels
- Unterbrechung/Sistieren der Funktionsfähigkeit des Nerven durch oder in Folge äußerer Noxen, nämlich Schnitt, Stich, Dehnung, Prellung/Druck inklusive der iatrogenen, physikalischen (Elektrotrauma, Kälte, Strahlung usw.) und chemischen Läsionen (Injektion usw.).
Häufigkeit
- Relativ selten, meist traumatisch bedingt
- In großen Studien zeigten sich bis zu 60 % der Femoralisläsionen als iatrogen bedingt.
- Kann bei Implantation einer Totalendoprothese des Hüftgelenks auftreten, was bei Zunahme dieses Operationsverfahrens aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung zu einer steigenden Zahl an Nervenläsionen führt.
- Das Gleiche gilt für die zunehmende Häufigkeit von Operationen im kleinen Becken und insbesondere von Leistenhernienoperationen sowie Herzkatheteruntersuchungen mit Punktion der A. femoralis in der Leiste.
Klinische Anatomie
- Der Nervus femoralis (L1–L4) ist ein gemischt motorisch-sensibler Nerv. Motorisch innerviert er 4 Muskeln:
- Musculus iliopsoas
- Musculus quadriceps femoris
- Musculus sartorius
- Musculus pectineus
Ätiologie und Pathogenese
- Die traumatische Kompression des N. femoralis ist relativ selten, da der Nerv gut geschützt im Becken, in der Tiefe der Leistenregion und auf der Vorderseite des Oberschenkels verläuft.
- Im Rahmen eines schwerwiegenden Traumas mit Beckenbruch, Oberschenkelfraktur und Hüftgelenksluxation kann der Nerv jedoch verletzt werden.
- Verletzungen können auch als Komplikation während einer Geburt und bei Eingriffen wie dem Einsetzen von Hüftendoprothesen, Bauch- oder Beckenoperationen sowie bei Laparaskopie, Lymphknotenbiopsie, therapeutischer Blockade des N. femoralis und Punktion der A. femoralis, z. B. im Rahmen von Herzkatheteruntersuchungen, auftreten.1-3
- In großen Studien zeigten sich bis zu 60 % der Femoralis-Läsionen als iatrogen bedingt.
ICD-10
- G57 Mononeuropathien der unteren Extremität
- G57.2 Läsion des N. femoralis
- S74 Verletzung von Nerven in Höhe der Hüfte und des Oberschenkels
- S74.1 Verletzung des N. femoralis in Höhe der Hüfte und des Oberschenkels
Diagnostik
Anamnese
- Reduzierte Streckfähigkeit des Kniegelenks, abgeschwächter Patellarsehnenreflex, Taubheitsgefühl auf der Oberseite des Oberschenkels und anteromedial am Bein
Klinische Untersuchung
- Verminderte Extensionsfähigkeit des Knies, d. h. fehlende Kraft im M. quadriceps und Instabilität im Knie
- Atrophie des M. quadriceps und ein damit verbundener abgeschwächter Patellarsehnenreflex
- Vereinzelt kommt es bei proximaler Schädigung auch zur Schwächung der Psoasgruppe (Beugung der Hüfte).
- Parästhesien im vorderen und medialen Teil des Oberschenkels
Diagnostik beim Spezialisten
- Bei typischer Klinik und Anamnese oft nicht notwendig.
- Zur Verfügung stehen Sonografie, MRT und Röntgen, je nach Ursache der Schädigung.
- Elektrophysiologische Untersuchungen
Therapie
- Das Wichtigste bei der Behandlung: Die zugrunde liegende Ursache beheben.
- Eine primäre medikamentöse Therapie kann nicht empfohlen werden.
- Zur Behandlung von im Verlauf auftretenden neuropathischen Schmerzen werden verschiedene systemisch verabreichte Substanzgruppen mit unterschiedlichen pharmakologischen Wirkprinzipien eingesetzt, wie Antidepressiva, Antikonvulsiva und Opioide.
- Eine mögliche operative Therapie richtet sich nach der Ursache der Schädigung. Ein durchtrennter, d. h. in seiner Kontinuität unterbrochener Nerv bedarf einer operativen Rekonstruktion/Koaptation, da eine funktionell wirksame Regeneration nur bei direktem Kontakt der durchtrennten Enden zueinander möglich ist.
- Physiotherapie und Muskeltraining kann einem Muskelabbau entgegenwirken.
Verlauf, Komplikationen, Prognose
Prognose
- Substanzielle Nervenverletzungen heilen in der Regel mit einem funktionellen Defekt (Ausnahme: kindliches Alter). Die Qualität und der Zeitpunkt der Primärversorgung haben (neben patientenbezogenen Faktoren) Einfluss auf das Behandlungsergebnis.
- Die wichtigsten prognostischen Faktoren sind: Alter der Patienten, Höhe der Läsion, Ursache und Art der Verletzung und Begleitverletzungen sowie der Zeitraum zwischen Verletzung und Rekonstruktion des Nerven.
- Die Prognose einer Läsion des N. femoralis ist insgesamt meist gut, jedoch abhängig von der Schädigungsursache.
- Die Prognose bei inkompletter Schädigung des N. femoralis ist gut.4
- Abrissverletzungen haben eine schlechtere Prognose als Kompressionsverletzungen.
- Die seltene diabetische Mononeuropathie des N. femoralis hat meist eine gute Prognose, die Besserung tritt im Laufe weniger Wochen ein.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Nervus femoralis
Quellen
Literatur
- Wong CA, Scavone BM, Dugan S, et al. Incidence of postpartum lumbosacral spine and lower extremity nerve injuries. Obstet Gynecol 2003; 101:279. PubMed
- Moore AE, Stringer MD. Iatrogenic femoral nerve injury: a systematic review. Surg Radiol Anat 2011; 33:649. PubMed
- Al-Ajmi A, Rousseff RT, Khuraibet AJ. Iatrogenic femoral neuropathy: two cases and literature update. J Clin Neuromuscul Dis 2010; 12:66. PubMed
- Moore AE, Stringer MD. Iatrogenic femoral nerve injury: a systematic review. Surg Radiol Anat 2011; 33:649. PubMed
Autoren
- Caroline Beier, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg