N. peroneus, Läsion

Zusammenfassung

  • Definition:Schädigung und Funktionsstörung des N. peroneus entlang seines Verlaufs. Häufig Druckläsion am Fibulaköpfchen, z. B. nach langem Knien, seltener sekundäre Kompression durch ein Ganglion.
  • Häufigkeit:Häufige Mononeuropathie und häufigste Ursache einer Fußheberparese.
  • Symptome:Ausstrahlende Schmerzen, Lähmungen der Fuß- und Zehenhebung sowie Pronation im Fußgelenk, Sensibilitätsstörungen am lateralen Unterschenkel und Fußrücken.
  • Befunde:Klinisch Paresen in der Einzelkraftprüfung und sensible Defizite. Charakteristischer „Steppergang“ bei höhergradigen Paresen.
  • Diagnostik:In der Regel klinische Diagnose, ggf. unterstützend Neurografie und Bildgebung
  • Therapie:Behandlung der Ursache und Vermeidung von Auslösern anstreben. Bei anhaltender Funktionseinschränkung operative Therapie, Physiotherapie und Hilfsmittelversorgung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Vorübergehende oder dauerhafte Schädigung des Nervus peroneus (auch: N. fibularis) mit entsprechender Funktionsstörung
  • Druckläsion des N. peroneus gehört zu den klassischen Nervenkompressionssyndromen.

Häufigkeit

  • Vorübergehende Druckläsion relativ häufig
  • Läsionen des N. peroneus machen 15 % aller Läsionen einzelner peripherer Nerven (Mononeuropathien) des Erwachsenenalters aus.
  • Häufigste Ursache einer Fußheberparese

Ätiologie und Pathogenese

Anatomie

  • Nervus fibularis communis
    • Ist einer der beiden Hauptäste des N. ischiadicus.
    • Entstammt den Wurzeln der Segmente L4–S2.
    • Teilt sich im Bereich in seine 2 Äste:
      • Nervus fibularis superficialis
      • Nervus fibularis profundus.
  • Versorgungsgebiet N. peroneus profundus
    • M. tibialis anterior (Dorsalextension des Fußes)
    • M. extensor digitorum longus
    • M. extensor hallucis longus
    • M. peroneus tertius
    • M. extensor digitorum brevis
    • M. extensor hallucis brevis
  • Versorgungsgebiet N. peroneus superficialis
    • M. peroneus longus
    • M. peroneus brevis (Pronation des Fußes)

Neuropathien des N. peroneus

  • Lokalisation einer Schädigung insbesondere im Kniebereich
    • sehr selten am Unterschenkel oder in Höhe des Sprunggelenks
  • Kompression am Fibulaköpfchen
    • häufigster Schädigungsort (exponierte Lage)
    • Ursachen
      • Drucklähmung (häufig)
        • Übereinanderschlagen der Beine oder langes Knien
      • Pathologien der Knochen oder Weichteile
  • Vorderes Tarsaltunnelsyndrom
    • seltenes Kompressionssyndrom
    • Kompression des N. peroneus profundus am Sprunggelenk unterhalb des Retinaculum extensorum inferius
  • Verletzungen und Frakturen
    • traumatische Verletzung der unteren Extremitäten
      • Nervenverletzungen in 1,6 % der Fälle
      • N. peroneus ist der am häufigsten geschädigte Nerv (56 %).
    • iatrogen
      • oft im Rahmen osteosynthetischer oder arthroskopischer Operationen

ICPC-2

  • N81 Verletzung Nervensystem, andere

ICD-10

  • G57 Mononeuropathien der unteren Extremität
    • G57.3 Läsion des N. fibularis (peronaeus) communis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Diagnose anhand des klinisch-neurologischen Befunds
  • Nachweis einer Schädigung in der Neurografie

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Beschwerden1-2

  • Initial oft Schmerzen
    • vom lateralen Knie bis in den Unterschenkel und Fußrücken
    • oft auslösbar durch Flexion oder Supination des Fußes
  • Lähmung der vom N. peroneus versorgten Muskulatur
    • Paresen der Fuß- und Zehenextensoren
    • Paresen der Pronatoren des Fußes
    • Auswirkungen auf das Gangbild
      • zunächst Hackengang eingeschränkt
      • bei höhergradiger Parese charakteristischer „Steppergang“: hohes Heben der Beine und Aufsetzen mit hängender Fußspitze
  • Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet
    • Taubheit oder Missempfindungen am lateralen Unterschenkel, Fuß- und Zehenrücken

Auslöser bzw. Ursachen

  • Häufiges Übereinanderschlagen der Beine
    • insbesondere bei schlanken Patient*innen
  • Langes Knien oder Hocken
  • Inadäquate Lagerung in Narkose
  • Schlecht gepolsterte Gipsverbände
  • Starke Gewichtsreduktion (z. B. nach Magen-Bypass-OP)
  • Pathologien der Knochen oder Weichteile (z. B. Ganglion)

Klinische Untersuchung

  • Untersuchung des Knies und des Unterschenkels
    • tastbare pralle Schwellung am Fibulaköpfchen hinweisend auf Ganglion
  • Motorische Defizite
    • Kraftprüfung im Seitenvergleich1
    • Lähmungen der Fuß- und Zehenhebung sowie Pronation1
    • „Steppergang“ bei höhergradiger Parese
  • Sensibilitätsstörungen
    • Prüfung der Oberflächensensibilität
    • Ausfälle am lateralen Unterschenkel, Fuß- und Zehenrücken1
  • Hoffmann-Tinel-Zeichen
    • Provokation der Schmerzen durch Palpation in Höhe der Nervenkompression
  • Unauffälliger Reflexstatus

Diagnostik bei Spezialist*innen

Elektrophysiologie

  • Neurografie (ENG)
    • Nachweis und Lokalisation einer Nervenläsion
    • Leitungsverzögerung, Amplitudenreduktion, häufig Leitungsblock
  • Elektromyografie (EMG)
    • Nachweis der Denervierung betroffener Muskeln
    • pathologische Befunde erst nach 2–4 Wochen

Bildgebung

  • Bildgebung der Kniekehle
    • bei lokalen Schmerzen zum Ausschluss eines Tumor oder Ganglions
  • Hochauflösende Nervensonografie
    • Nachweis einer Schwellung des Nervs bei Kompression
    • N. peroneus im Bereich der Kniekehle und des Fibulaköpfchens leicht darstellbar

Indikationen zur Überweisung

  • Bei anhaltenden Defiziten Überweisung zu Neurolog*innen

Therapie

Allgemeines zur Behandlung

  • Behandlung entsprechend der zugrunde liegenden Ursache
  • Bei Druckläsion (häufig) zunächst Spontanverlauf abwarten.,
    • Erwartung einer eindeutigen Besserung über 1 Woche

Hilfsmittel und Trainingstherapie

  • Hilfsmittel bei ausbleibender spontaner Besserung,
    • in der Regel Peroneus-Schiene (Orthese)
    • Nachteile in hohem Gewicht, Druckstellen und unphysiologischem Gang
  • Trainingstherapie bzw. Physiotherapie1
    • gezieltes Training bei Patient*innen mit Fußheberparese
    • Ziele
      • Muskelatrophien und Kontrakturen verhindern.
      • Beweglichkeit im Sprunggelenk erhalten.
      • Reinnervation fördern.

Operative Therapie

  • Exploration und Dekompression des Nervs
    • Indikationen
      • persistierende/progrediente neurologische Defizite
      • anhaltende Schmerzsymptomatik
      • fehlende Besserung einer Druckschädigung
  • Behandlung spezifischer Ursachen
    • Operation bei Kompression durch ein Ganglion
    • Revision und Nervennaht bei (traumatischer) Durchtrennung,
  • Ersatzoperationen bei dauerhaft ausbleibender Besserung,
    • Sehnenverpflanzungen des M. tibialis zur Wiederherstellung der Fußhebung (Musculus-tibialis-posterior-Transfer)

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Nach Druckschädigung signifikante Erholung nach 1 Woche zu erwarten. 
    • bei ausbleibender Besserung Reevaluation der Therapie

Prognose

  • Die Prognose ist abhängig von Ursache, Ort und Dauer der Schädigung sowie Alter der Patient*innen.1
    • Regeneration und Neu-Aussprossen von Axonen kann bis zu 6 Monaten nach Schädigung (sofern Nervenzellkern erhalten) dauern.
    • beobachtete Regeneration des N. peroneus etwas schlechter als bei anderen peripheren Nerven
  • Bei vorübergehender Druckschädigung des N. peroneus in der Regel spontane und vollständige Besserung3
  • Bei Peroneusläsion durch Ganglion sind nach Resektion lokale Rezidive möglich.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

N. peroneus
Sensibles Innervationsgebiet des N. peroneus

Quellen

Literatur

  1. Baima J, Krivickas L. Evaluation and treatment of peroneal neuropathy. Curr Rev Musculoskelet Med. 2008;1(2):147-153. doi:10.1007/s12178-008-9023-6 doi.org
  2. Katirji MB, Wilbourn AJ. Common peroneal mononeuropathy: a clinical and electrophysiologic study of 116 lesions. Neurology 1988; 38:1723. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Pigott TJ, Jefferson D. Idiopathic common peroneal nerve palsy--a review of thirteen cases. Br J Neurosurg 1991; 5:7. PubMed

Autor*innen

  • Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Hamburg

Link lists

Authors

Previous authors

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit