Zusammenfassung
- Definition:Das Restless-Legs-Syndrom ist charakterisiert durch Bewegungsdrang und Missempfindungen der Beine in Ruhe, eine zirkadiane Rhythmik mit Überwiegen der Symptome am Abend und in der Nacht sowie rasche Symptomlinderung durch Bewegung.
- Häufigkeit:Häufige Erkrankung, Lebenszeitprävalenz ca. 5–10 %.
- Symptome:Bewegungsdrang, Missempfindungen in den Beinen.
- Befunde:Körperliche Untersuchung unauffällig.
- Diagnostik:Diagnosestellung erfolgt durch Anamnese. Laborchemisch evtl. Nachweis eines Eisenmangels.
- Therapie:Allgemeinmaßnahmen wie Meidung von Genussmitteln, Bäder/Massagen, Schlafhygiene. Absetzen auslösender Medikamente. Bei Eisenmangel Substitution. Medikamentöse Therapie zunächst mit Dopaminagonisten oder Antikonvulsiva (letztere off label). Opioide als Medikamente der 2. Wahl.
Allgemeine Informationen
Definition
- Das Restless-Legs-Syndrom ist charakterisiert durch:
- Bewegungsdrang der Beine, meist begleitet von Missempfindungen
- Beginn in Ruhe oder Inaktivität, wie Liegen oder Sitzen
- Besserung durch Bewegung, wie Laufen, Gehen oder Strecken
- Auftreten (oder Verschlimmerung) nur am Abend oder in der Nacht.
Klassifikation nach dem klinischen Verlauf
- Chronisch-persistierend: Auftreten mindestens 2 x/Woche im vergangenen Jahr
- Intermittierend/sporadisch: Auftreten seltener als 2 x/Woche im vergangenen Jahr, insgesamt mindestens 5 Ereignisse im Lauf des Lebens
Häufigkeit
- Häufige neurologische Erkrankung (Häufigkeit vergleichbar mit Migräne)1
- Prävalenz
- Lebenszeitprävalenz ca. 5–10 %
- Alter
- Die Erkrankung kann in jedem Alter aufreten.
- Die Inzidenz steigt mit dem Alter.2
- „Early-Onset“-RLS: Beginn vor dem 30. oder 45. Lebensjahr, weist eine familiäre Häufung und einen zumindest zu Beginn milderen Verlauf auf.
- „Late-Onset“-RLS: nach dem 45. Lebensjahr
- ca. 1 % der Kinder betroffen
- Geschlecht
- Frauen zu Männern ca. 2:1
- Bei Frauen steigt das Risiko mit zunehmender Zahl an Geburten.
- Familiäre Häufung
- unter Verwandten 1. Grades 3- bis 4-mal häufiger als in der Normalbevölkerung
Bedeutung für die hausärztliche Praxis
- Eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen
- Allerdings im primärärztlichen Sektor unterdiagnostiziert und oft nicht adäquat behandelt
- Für die Patient*innen sind Ein- und Durchschlafstörungen häufig ein wichtiger Grund für die Konsultation.
- oft als unspezifische „Schlafstörung“ fehlgedeutet
- Der Einfluss der Erkrankung auf die die Lebensqualität kann vergleichbar mit schweren chronischen Erkrankungen sein.
Ätiologie und Pathogenese
- Ätiologie und Pathophysiologie des RLS sind noch nicht geklärt, es handelt sich um eine multifaktorielle Erkrankung.
- Als Pathomechanismen werden diskutiert:
- Funktionsbeeinträchtigungen im Eisenstoffwechsel
- Störungen im Dopaminhaushalt und im endogenen Opioidsystem
- Gewebehypoxie.
- Eine genetische Disposition besteht bei ca. der Hälfte der Patient*innen.3
- Strukturelle Veränderungen des ZNS sind bislang nicht beschrieben.
- Das aktuelle Krankheitskonzept geht davon aus, dass RLS durch Interaktionen zwischen genetischen und sozioökonomischen Faktoren, Umweltfaktoren sowie Komorbiditäten entsteht.
- Die bisher übliche Unterscheidung in primäres und sekundäres RLS soll daher nicht mehr vorgenommen werden.
- Der Begriff des sekundären RLS wurde durch „komorbides RLS“ ersetzt, die sich ergebende praktische Konsequenz ist – wenn möglich – die Behandlung komorbider Faktoren.
Komorbide Faktoren
- Sehr wahrscheinlich ist ein Zusammenhang bei:
- Eisenmangel4
- Eisen wird zur Dopaminbildung benötigt, Patient*innen mit RLS weisen einen verminderten Eisengehalt im Gehirn auf.5-7
- Ein RLS ist in allen bekannten Risikogruppen für Eisenmangel häufiger.
- 9-fach höhere Prävalenz von RLS bei Eisenmangelanämie
- schwerere Symptome des RLS bei Patient*innen mit Eisenmangel
- Niereninsuffizienz4
- Bis zu 60 % der dialysepflichtigen Patient*innen leiden an einem RLS.
- Schwangerschaft8
- Bis zu 20 % der Schwangeren sind betroffen, vor allem im 3. Trimenon.
- Polyneuropathie
- Ca. 20 % der Patient*innen geben zusätzlich RLS-Symptome an (vorwiegend Patient*innen mit einer sensorischen Polyneuropathie-Komponente).
- Eisenmangel4
- Assoziationen sind auch beschrieben für:,,,,
- Diabetes mellitus
- Vitamin-Mangel (Vitamin B12/ Folsäure)
- rheumatoide Arthritis
- Zöliakie
- entzündliche Darmerkrankungen
- arterielle Hypertonie
- kardiovaskuläre Erkrankungen
- Migräne
- Parkinson-Syndrom
- multiple Sklerose
- Depression und Angsterkrankungen
- Rauchen
- Alkohol
- Koffein
- Übergewicht
- spinale Anästhesie.
- Medikamente, die ein RLS auslösen oder verschlimmern können:
- Antidepressiva
- Mirtazipin (bis zu 1/3 der Patient*innen)
- Citalopram
- Fluoxetin
- Sertralin
- Paroxetin
- andere Psychiatrika
- Haloperidol
- Olanzapin
- Quetiapin
- Risperidon
- Lithium
- Antiepileptika
- Phenytoin
- Methosuximid
- weitere Substanzen
- Simvastatin
- Interferon-Alpha
- Koffein
- L-Thyroxin.
- Antidepressiva
Periodische Beinbewegungen im Schlaf
- Bei der Mehrzahl der Patient*innen (ca. 80 %) mit RLS treten periodische Beinbewegungen im Schlaf auf (PLMS = Periodic Limb Movement in Sleep).9
- Im Einzelfall können auch die oberen Extremitäten betroffen sein.
- Detektion im Rahmen einer Polysomnografie bei bis zu 80 % der Fälle
- Können auch ohne RLS auftreten.
- Es handelt sich um kurze, stereotype und wiederholte Bewegungen.
- rhythmisches Strecken der großen Zehe und Dorsalflexion des Fußgelenks mit oder ohne Beugung von Knie oder Hüfte
- Periodizität der Bewegungen, typischerweise Wiederholung alle 20–30 sec
- Dauer ca. 0,5–1 sec
- PLMS können zum Aufwachen führen bzw. tiefere Schlafstadien verhindern.
- PLMS können auch mit nächtlichen Blutdrucksteigerungen und erhöhter Herzfrequenzvariabilität einhergehen.
- Bei Erwachsenen gelten mehr als 15 PLMS-Ereignisse/h als pathologisch (bei Kindern mehr als 5).
ICPC-2
- N04 Restless legs
ICD-10
- G25.81 Syndrom der unruhigen Beine [Restless-Legs-Syndrom]
- O26.8- Sonstige näher bezeichnete Zustände, die mit der Schwangerschaft verbunden sind
- einschl. Restless Legs im Rahmen einer Schwangerschaft
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Ein RLS kann nicht nur von Neurolog*innen, sondern auch durch Allgemeinmediziner*innen diagnostiziert werden.
- Die Diagnose wird klinisch gestellt und beruht auf den Aussagen der Patient*innen, alle fünf essenziellen Diagnosekriterien müssen erfüllt sein:
- Drang, die Beine zu bewegen, meist begleitet oder ausgelöst durch Missempfindungen oder ein Unruhegefühl der Beine.
- Der Drang, die Beine zu bewegen, und die begleitenden unangenehmen Missempfindungen beginnen oder verschlechtern sich während Ruhe oder Inaktivität, wie Liegen oder Sitzen.
- Der Drang, die Beine zu bewegen, und die unangenehmen Missempfindungen bessern sich durch Bewegung, wie Laufen, Gehen oder Strecken, teilweise oder sogar vollständig, zumindest solange die Bewegung anhält.
- Der Drang, die Beine zu bewegen, und die unangenehmen Missempfindungen in Ruhe oder bei Inaktivität treten nur am Abend oder in der Nacht auf oder verschlimmern sich am Abend oder in der Nacht.
- Das Auftreten der obigen Merkmale darf nicht durch Symptome einer anderen medizinischen Diagnose oder eines Verhaltenszustands erklärbar sein (z. B. Myalgie, venöse Stauung, Beinödeme, Arthritis, Beinkrämpfe, Positionsdiskomfort, habituelles Foot-Tapping)
- Unterstützende Kriterien sind:10
- periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS)
- Ansprechen auf dopaminerge Substanzen
- relativ geringe Tagesschläfrigkeit im Verhältnis zur verkürzten Schlafzeit
- positive Familienanamnese.
Differenzialdiagnosen
- Mögliche Differenzialdiagnosen sind:10
- Polyneuropathie
- nächtliche Wadenkrämpfe
- PAVK
- chronisch-venöse Insuffizienz
- radikuläre Syndrome
- neurogene Claudicatio
- Myalgien
- Fibromyalgie
- Tic-Krankheiten
- Akathasie (Kombination aus Bewegungsunruhe – insbesondere der Beine – in Verbindung mit innerer Unruhe, keine Missempfindungen)
- ADHS (Bewegungsdrang bei innerer Unruhe, keine sensiblen Beschwerden)
- medikamenteninduzierte Bewegungsstörungen.
Anamnese
- Die Anamnese ist für die Diagnosestellung wegweisend.
- Art der Beschwerden
- Bewegungsdrang, Unruhe
- Missempfindung in den Beinen (oder Armen)
- Zeitliches Auftreten der Beschwerden
- in Ruhe
- abends und nachts
- Lokalisation der Beschwerden
- beidseitig, einseitig oder alternierend
- „tief“ in der Waden- oder Oberschenkelmuskulatur
- Linderung
- sofortige Besserung durch Bewegung
- Bei langjährigem Krankheitsverlauf und schwerer Symptomatik kann die Linderung schwächer ausfallen.
- Zeitlicher Verlauf
- zu Beginn der Erkrankung z. T. wochen- bis monatelange symptomfreie Intervalle
- häufig chronisch-progredient
- bei mildem Verlauf oft intermittierend oder für Jahre spontan remittierend
- Folgen
- Schlafstörungen, nächtliches Erwachen
- Tagesmüdigkeit möglich, im Verhältnis zur Schlafstörung gering ausgeprägt
- soziale und berufliche Einschränkungen (z. B. Teilnahme an Konzerten, Kongressen, langen Reisen etc.)
- Depression, Ängste
- Schlafstörungen, nächtliches Erwachen
- Familienanamnese
- Vor- und Begleiterkrankungen
- Medikamente
Klinische Untersuchung
- Körperliche Untersuchung unauffällig
Abgrenzung zu anderen Erkrankungen
- Eine Missempfindung in den Beinen tritt auch bei anderen Erkrankungen auf, eine Abgrenzung aber klinisch häufig recht gut möglich.
- PAVK: Schmerzen bewegungsinduziert
- chronisch-venöse Insuffizienz: Beschwerden lageabhängig
- Polyneuropathie: Schmerzen bewegungs- und lageunabhängig
- Ein RLS tritt nicht selten gemeinsam mit einer Polyneuropathie auf, zur Abgrenzung hilft die einfache Frage: „Welcher Anteil der Missempfindungen geht weg, wenn Sie sich bewegen, welcher bleibt, wenn Sie sich bewegen?“
Schweregradbeurteilung
- Der Schweregrad der Erkrankung kann mithilfe der von der International Restless Legs Syndrome Study Group (IRLS) entwickelten Skala beurteilt werden.11
- Die Anwendung ist nur sinnvoll für die Quantifizierung von Symptomen bei bereits diagnostizierten RLS-Patient*innen.
- Siehe Beurteilungsbogen der IRLS zum Restless-Legs-Syndrom.11
- Der Fragebogen besteht aus 10 Fragen, bei jeder Antwort werden abhängig von der Ausprägung der Beschwerden zwischen 0 und 4 Punkten vergeben, somit insgesamt maximal 40 Punkte.
- Es resultiert eine Schweregradeinteilung in:
- kein RLS (0 Punkte)
- leichtes RLS (1–10 Punkte)
- mittelgradiges RLS (11–20 Punkte)
- schweres RLS (21–30 Punkte)
- sehr schweres RLS (31–40 Punkte).
- Die Schweregradeinteilung ist auch von Bedeutung für die Indikationsstellung zur medikamentösen Behandlung (s. u.).
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Labor
- Blutbild: Hb
- Eisenstatus: Ferritin, Transferrinsättigung
- Blutbild und Eisenstatus sollen bei Diagnosestellung/Therapiebeginn sowie bei Verschlechterung im Verlauf bestimmt werden.
- Kreatinin, eGFR
- Elektrolyte
- Leberfunktionsparameter
- TSH
- Glukose, HbA1c
- Vitamin B12/Folsäure
Diagnostik bei Spezialist*innen
Polysomnografie mit Elektromyografie
- Zur Diagnosestellung eines RLS ist die Durchführung einer Polysomnografie weder nötig noch ausreichend.
- Sie ist derzeit aber die einzige Untersuchung, die exakten Nachweis und Quantifizierung von periodischen Beinbewegungen (PLMS) im Schlaf erlaubt.
- Sinnvoll, wenn schlafbezogene Atmungsstörungen ausgeschlossen werden sollen.
Elektrophysiologie
- Bei Verdacht auf eine Neuropathie
Indikationen zur Überweisung
- Auf eine Überweisung kann verzichtet werden bei:
- klarer Symptomatik
- fehlenden Differenzialdiagnosen
- erfolgreicher Erstbehandlung.
- Überwiesen werden sollte bei:,
- unklarer Symptomatik, schwieriger Abgrenzung gegen Komorbiditäten (z. B. Polyneuropathie)
- Augmentation (Zunahme der Beschwerden unter dopaminerger Medikation)
- schwerem RLS.
Therapie
Therapieziel
- Symptomlinderung
Allgemeines zur Therapie
- Die Notwendigkeit einer Behandlung hängt vom Leidensdruck ab, insbesondere vom Ausmaß des Bewegungsdrangs und der Schlafstörungen.
- Komponenten der Behandlung sind:
- Allgemeinmaßnahmen
- Absetzen auslösender Medikamente
- medikamentöse Therapie
- Substitution bei Eisenmangel
- dopaminerge Substanzen (Dopaminagonisten und L-Dopa/Benserazid)
- Antikonvulsiva
- Opioide.
- Alle komorbiden Faktoren und Erkrankungen sollen frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.
Allgemeinmaßnahmen
- Schlafhygiene
- Regelmäßige Lebensführung
- Körperliche Aktivität
- Dehnübungen
- Massagen
- Heiße oder kalte Bäder
- Vermeidung von Alkohol, Koffein und Nikotin
Absetzen von auslösenden Medikamenten
- Eine Reihe von Medikamenten sind mit dem erstmaligen Auftreten oder der Verschlechterung eines RLS assoziiert (s. o.).
- Diese sollten, sofern dies möglich ist, abgesetzt werden.
- Vor allem bei Antidepressiva ist ein Absetzen aber nur empfehlenswert, wenn die Behandlung nicht mehr zwingend erforderlich ist und ein gesicherter zeitlicher Zusammenhang mit dem Auftreten des RLS besteht.
Medikamentöse Therapie
- Zur initialen Therapie eines Restless-Legs-Syndroms sollte zunächst erfolgen:
- bei leichtgradigem RLS eine orale Eisensubstitution
- bei mittel- bis schwergradigem RLS oder oraler Eisenunverträglichkeit/Kontraindikation eine intravenöse Behandlung mit Ferrocarboxymaltose.
- Wenn unter Eisensubstitution keine suffiziente RLS-Behandlung erreicht ist, sollte behandelt werden mit:
- Non-Ergot-Dopaminantagonist (Rotigotin, Ropinirol, Pramipexol) als Mittel der 1. Wahl oder
- Gabapentinoid (Gabapentin oder Pregabalin, Off-Label-Use).
- Bei einer Augmentation oder Therapieversagen bei mittel- bis schwergradigem RLS unter o. g. Medikation kann als Mittel der 2. Wahl Oxycodon/Naloxon ret. eingesetzt werden.
- Sollte eine Monotherapie mit einem Dopaminagonisten nicht ausreichend sein, kann eine Kombinationstherapie mit einem Opioid und/oder einem Gabapentinoid erfolgen, deren Zusammenstellung und Dosierung jedoch im individuellen Fall erfolgen müssen.
Behandlung eines Eisenmangels
- Dem Ausgleich eines Eisenmangels wird in den vergangenen Jahren zunehmende Bedeutung in der Therapie beigemessen.12
- Therapieindikation bei:
- Ferritin ≤ 75 μg/l (< 158,3 pmol/l) oder
- Transferrinsättigung ≤ 20 %
- Primär orale Gabe von Eisen(II)sulfat 325 mg (entsprechend 65 mg Eisen) plus Vitamin C 100 mg 2-mal tgl. über 12 Wochen
- Beendigung der Substitution nach 12 Wochen, Wiederaufnahme bei klinischer Verschlechterung
- I. v. Gabe von Eisen sollte durchgeführt werden, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- Unwirksamkeit der oralen Therapie (kein Anstieg des Ferritins)
- Kontraindikationen oder Unverträglichkeit (v. a. Übelkeit, Obstipation) der oralen Therapie
- mittel- bis schwergradiges RLS
- Eisencarboxymaltose 1.000 mg i. v. über 15 min
- klinische Evaluation und Laborkontrolle (Ferritin, Transferrinsättigung) nach 12 Wochen
- ggf. Wiederholung bei erneuter klinischer Verschlechterung nach initialem Ansprechen oder Rückgang der Laborwerte nach Infusion
Dopaminerge Wirkstoffe
- Dopaminerge Substanzen mit guter Wirksamkeit14-17
- Wichtigste Substanzen für die First-Line-Therapie
- Dopaminagonisten sollten einschleichend und mit der niedrigsten Dosis beginnend verabreicht werden.
- Eine intermittierende Therapie wird mit einer möglichst niedrigen Dosis durchgeführt.
- Eine kontinuierliche Behandlung sollte in möglichst niedriger Dosierung und so spät wie möglich erfolgen.
- Nebenwirkungen der Dopaminagonisten insbesondere in den ersten Wochen
Übelkeit, Benommenheit, orthostatische Dysregulation
- Nebenwirkungen der Dopaminagonisten insbesondere in den ersten Wochen
Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Non-Ergot-Dopaminagonisten sind Mittel der 1. Wahl.
- Rotigotin-Pflaster
- empfohlene Dosis 2 mg/d (in der Zulassungsstudie kann zusätzlicher Nutzen unter 3 mg liegen)
- Ropinirol
- Initial 0,25 mg/d, dann in Abhängigkeit von Symptomlinderung und Verträglichkeit bis 2 mg/d aufdosieren (Zulassung besteht bis zu einer Maximaldosis von 4 mg).
- Pramipexol
- Initial 0,18 mg/d, Dosis sollte zur Prävention einer Augmentation möglichst niedrig gehalten werden.
- Auftitrieren bis max. 0,5 mg/d (bei dieser Dosis Augmentation möglich)
- Rotigotin-Pflaster
L-Dopa
- Levodopa/Benserazid ist wirksam und zur Therapie des RLS zugelassen, allerdings bei höheren Dosen (insbes. bei Dosen ≥ 200 mg) hohe Augmentationsraten mit dem Risiko exzessiver Selbstmedikation
- Einsatz daher nur noch zu diagnostischen Zwecken und zur intermittierenden Therapie mit max. 100 mg/d
- Kein Einsatz mehr zur kontinuierlichen Therapie
Augmentation als wichtige Nebenwirkung dopaminerger Wirkstoffe
- Augmentation ist die wichtigste Nebenwirkung der dopaminergen Therapie.
- am häufigsten unter L-Dopa-Therapie, Auftreten aber auch unter Dopaminagonisten möglich
- Wahrscheinlichkeit des Auftretens steigt mit der Höhe der Dosis.
- Symptomatik einer Augmentation
- früheres Auftreten der RLS-Symptome im Tagesverlauf
- zunehmende Intensität der Symptome tagsüber und/oder
- Ausbreitung der Symptome auf andere Körperteile (z. B. Arme)
- Niedriges Ferritin ist ein Risikofaktor.
- Therapeutisches Vorgehen
- Bei Augmentation sollte im ersten Schritt der Eisenmetabolismus überprüft und Eisen ggf. substituiert werden.
- Reduktion der dopaminergen Medikation auf die geringstmögliche Dosis
- Die Medikation kann innerhalb von 24 Stunden auf mehrere Einnahmen aufgeteilt werden.
- Bei Augmentation unter Levodopa soll auf Dopaminagonisten oder ein Gabapentinoid umgestellt werden.
- Bei Augmentation unter Dopaminagonisten soll nach Dosisreduktion ggf. eine Umstellung auf ein langwirksames Medikament (z. B. Rotigotin-Pflaster), ein Gabapentinoid oder eine Kombination mit einem Opiat erfolgen.
Antikonvulsiva
- Alternativ können (off label) eingesetzt werden:
- Pregabalin18
- wirksam bei Dosierung von 150 mg/d, Steigerung bis 450 mg bei jeweils einmaliger Einnahme 1–3 h vor dem Zubettgehen (Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz)
- Gabapentin19
- wirksam mit einer Dosis von 800 mg/d, Auftitrierung bis 1.800 mg verteilt auf mehrere Dosen (Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz)
- Pregabalin18
- Die Anwendung kann z. B. bei Patient*innen mit schmerzhafter Symptomatik oder Polyneuropathie sinnvoll sein.
Opioide
- Oxycodon-Naloxon ist zugelassen zur Second-Line-Therapie bei mittlerem bis schwerem bis sehr schwerem RLS nach Unwirksamkeit der dopaminergen Therapie.20
- Initialdosis von retardiertem Oxycodon/Naloxon 2 x 5/2,5 mg tgl., Steigerung bis max. 2 x 30/15 mg tgl.
- Für andere Opioide (z. B. Tilidin, Fentanylpflaster) ist die Datenlage unzureichend.
Substanzen mit bislang fehlendem Wirkungsnachweis
- Cannabinoide
- Magnesium
- Benzodiazepine
Sonstige Therapien
- Empfohlen werden können:
- spinale Gleichstromstimulation
- Infrarotlichtherapie.
- Derzeit nicht empfohlen werden:
- pneumatische Kompression
- Akupunktur
- Phytotherapie
- Kryotherapie
- endovaskuläre Laserablation.
Schwangerschaft
- Behandlungsprinzipien in der Schwangerschaft8
- Ein bei Schwangeren häufiger Eisenmangel sollte substituiert werden.
- P. o. oder i. v., i. v. Gabe darf allerdings erst nach dem 1. Trimenon appliziert werden.
- Ansonsten sollten nichtpharmakologische Maßnahmen bevorzugt werden.
- mäßige sportliche Aktivität
- Yoga
- Massage
- Falls eine L-Dopa-Therapie notwendig ist, soll die Kombination L-Dopa/Carbidopa verwendet werden (100/25 mg bis 200/50 mg Standard oder retardiert zur Nacht oder am Abend).
- Die Kombination mit Benserazid ist wegen embryotoxischer Wirkung und Einbau in die Knochen kontraindiziert.
- Dopaminagonisten sollten in der Schwangerschaft und während der Stillperiode vermieden werden.
- Ein bei Schwangeren häufiger Eisenmangel sollte substituiert werden.
- Vorherige Konsultation der behandelnden Gynäkolog*in
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Schlafstörungen
- Reduzierte Lebensqualität
- PLMS ist möglicherweise mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert.
- Erhöhtes Risiko für Depression21
- Nebenwirkungen der Medikation (z. B. Augmentation bei dopaminergen Substanzen)
Prognose
- Häufig chronisch-progredienter Krankheitsverlauf
- Meist nehmen Häufigkeit und Stärke im Verlauf zu.
- Zu Beginn der Erkrankung sind wochen- bis monatelange weitgehend symptomfreie Intervalle möglich.
- Mildes RLS oft intermittierend oder für mehrere Jahre spontan remittierend
- Bei Krankheitsbeginn in höherem Alter eher schnellere Progredienz
- Bei Schwangeren ist die Prognose günstig, in bis zu 70 % Rückbildung der Symptome in den ersten Monaten nach Entbindung.
- In den meisten Fällen kann durch adäquate Behandlung eine deutliche Beschwerdelinderung erzielt werden.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg