Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe1
Red Flags |
Abwendbar gefährliche Verläufe |
Neu aufgetretenes neurologisches Defizit:
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Schlaganfall, TIA, intrakranielle Blutung (Subarachnoidalblutung), Hirntumor, Enzephalitis, Meningitis, Sinusvenenthrombose |
Meningeale Zeichen |
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Hautausschlag (z. B. Purpura) |
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Plötzlicher, explosiver Schmerzbeginn mit maximaler Intensität innerhalb von 5 min |
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Vorausgegangene ähnliche Ereignisse vor < 4 Wochen |
„Warning Leak“, Subarachnoidalblutung |
Allmählich zunehmende (neu aufgetretene) Kopfschmerzen |
Tumor, Hämatom, Abszess, Zyste |
Schmerzintensität 8–10/10 oder „so schlimm, wie noch nie“ |
Subarachnoidalblutung, Enzephalitis, erhöhter Hirndruck |
Fieber > 38,5 °C |
Meningitis, Enzephalitis, Tumor, Metastasen, Riesenzellarteriitis, Arteriitis temporalis |
Bewegungsabhängige/lageabhängige Kopfschmerzen, Kopfschmerz ausgelöst durch Husten, Niesen, Valsalva |
intrakranielle Blutung (Subarachnoidalblutung), Chiari-Malformation |
Nausea und/oder Erbrechen |
erhöhter intrakranieller Druck, Subarachnoidalblutung, Sinusvenenthrombose |
Einseitige Augenrötung, Augenschmerzen, Sehstörung |
Glaukomanfall, Riesenzellarteriitis, Arteriitis temporalis |
Schmerzen im Bereich der Sinus mit:
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septische Sinus-cavernosus-Thrombose, Orbitaphlegmone, Epiduralabszess, Hirnabszess |
Bläschen an Wange und Nasenspitze (Hutchinson-Zeichen: Befall des N. nasociliaris durch Zoster) |
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Z. n. Schädeltrauma (innerhalb der letzten 3 Monate) |
Allgemeine Informationen
- Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-3
Definition
Primär vs. sekundär
- Primäre Kopfschmerzerkrankungen sind idiopathisch und treten nicht als Symptom im Rahmen einer anderen Erkrankung auf.
- Sekundäre Kopfschmerzerkrankungen treten im Zusammenhang mit einer anderen Grunderkrankung auf.
- Beide Entitäten sind nicht sicher voneinander abzugrenzen.
Chronische primäre Kopfschmerzen
- In den letzten 3 Monaten an mehr als 15 Tagen pro Monat mindestens 4 Stunden pro Kopfschmerztag
Häufigkeit
- Kopfschmerzen gesamt > 35 %
- Migräne > 10 %
- sonstige Kopfschmerzerkrankungen rund 25 %
- chronische Kopfschmerzen 4 %
- Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch 1–2 %.
- Es kann häufig Mischformen von Migräne und anderen Kopfschmerzformen geben.
- In der Allgemeinmedizin zählen Kopfschmerzen zu den 20 häufigsten Beratungsanlässen.
- 8 von 10 Personen haben im Lauf des vergangenen Jahres Kopfschmerzen gehabt.
- Wiederkehrende Kopfschmerzen bei Kindern
- 1 von 20 Kindern im Vorschulalter
- etwa 1/5 der 12- bis 14-Jährigen
- Die Lebenszeitprävalenz von Kopfschmerzen, die auf Hirntumoren zurückzuführen sind, beträgt weniger als 0,1 %.
Prädisponierende Faktoren
- Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel scheinen mit einer leicht erhöhten Prävalenz von Kopfschmerzen einherzugehen.
- Ein niedriger Bildungsstand und ein niedriges Einkommen sind mit einem vermehrten Auftreten von medikamenteninduziertem Kopfschmerz assoziiert.4
Diagnostische Überlegungen
- Die Diagnose Kopfschmerz gründet sich in der Regel ausschließlich auf die Anamnese.
- Nur selten liefert die körperliche Untersuchung Befunde, die für die Diagnose entscheidend sind.
- Weniger als 1 % aller akuten Kopfschmerzepisoden in der Hausarztpraxis beruhen auf einer anderen Erkrankung.
- •Entgegen weitverbreiteter Annahmen ist häufiger ein Kopfschmerz Ursache für eine Blutdruckerhöhung, als dass eine Hypertonie einen Kopfschmerz verursachen würde.5
- Red-Flag- oder Yellow-Flag-Faktoren?
Akute Kopfschmerzen
- Am häufigsten treten akute Kopfschmerzen als Episode eines rezidivierenden Kopfschmerztyps auf.
- Bei plötzlich neu auftretenden, intensiven Kopfschmerzen ist eine gründliche Untersuchung erforderlich, um lebensbedrohliche Erkrankungen auszuschließen.
- Die Diagnostik soll dann abklären, ob eine Subarachnoidalblutung vorliegt.
Konsultationsgrund
- Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Symptomen, die zu einem Arztbesuch führen.
- Dabei suchen die wenigsten Betroffenen bei Kopfschmerzen ärztliche Hilfe.
- In einigen Fällen lösen Kopfschmerzen Angst aus. Häufig ist es die Sorge, an einer schweren Erkrankung zu leiden (z. B. Gehirntumoren), die die Patient*innen in die Praxis führt.
Abwendbar gefährliche Kopfschmerzursachen
- Meningitis
- Subarachnoidalblutung
- Schlaganfall oder TIA
- Hirntumoren
- Riesenzellarteriitis (z. B. Arteriitis temporalis)
- Akutes Glaukom
ICPC-2
- N01 Kopfschmerz
ICD-10
- Soweit nicht andernorts klassifizierbar:
- R51 Kopfschmerz
Differenzialdiagnosen
Primäre Kopfschmerzerkrankungen
Spannungskopfschmerz
- Kann organische Ursachen haben, z. B. Bewegungsstörungen an der oberen HWS oder Refraktionsanomalien. Häufiger ist der Spannungskopfschmerz aber auf Stress und psychische Ursachen zurückzuführen.
- Chronischer oder episodischer Verlauf. Tritt bei mehr als 40 % der Bevölkerung auf.
- Häufig tagelang anhaltende Kopfschmerzen
- In vielen Fällen beidseitig als drückender, beengender Schmerz im Stirn-, Kopf- oder Nackenbereich („wie ein zu enger Hut oder Helm“). Bei vielen Patient*innen tritt gleichzeitig Schwindel auf.
- Klinisch unauffällig, ggf. verhärtete Nackenmuskulatur und eingeschränkte Nackenbeweglichkeit
Migräne
- Tritt bei Menschen im jüngeren bis mittleren Alter gehäuft auf, wobei die Prävalenz bei Frauen höher ist. Häufig besteht eine familiäre Prädisposition.
- Es kommt in der Regel zu Anfällen, die durch meist einseitigen Kopfschmerz gekennzeichnet sind. Bei 1 von 4 Betroffenen kommt es zu Prodromi (Aura). Die Attacken halten mehrere Stunden bis Tage an und treten in unregelmäßigen Abständen auf. Häufig gibt es bestimmte auslösende Faktoren.
- Der Schmerz ist oft pulsierend. Weitere Symptome sind Phonophobie, Photophobie und eine Verstärkung der Beschwerden bei körperlicher Aktivität, ggf. Übelkeit und Erbrechen.
- In der Regel ist kein klinischer Befund zu erheben.
- Das Merkwort POUNDing kann helfen, eine Migräne zu erkennen:
- Pulsating (pulsierend)
- Duration of 4–72 hours (also spricht länger dauernder Kopfschmerz gegen eine Migräne)
- Unilateral
- Nausea (Übelkeit)
- Disabling (die Person ist durch die Migräne stark in ihren Alltagsaktivitäten beeinträchtigt)
- Liegen 4 von 5 Kriterien vor, liegt die Likelihood Ratio für eine Migräne bei hohen 24, bei 3 Kriterien bei mäßigen 3,5, bei 2 oder weniger Kriterien ist eine Migräne mit einer pos. LR von 0,41 sehr unwahrscheinlich.
- In manchen Fällen ist eine chronische Migräne mit täglichen Attacken verbunden.
Trigeminusneuralgie
- Tritt am häufigsten in einem Alter ab 50 Jahren auf, häufiger bei Frauen.
- Die Trigeminusneuralgie ist ein blitzartig einschießender, über Sekunden anhaltender, extrem heftiger, elektrisierender und stechender einseitiger Gesichtsschmerz. Der Schmerz tritt häufig reizgetriggert auf.
- Im Versorgungsgebiet von 1 oder 2 Trigeminusästen, am häufigsten im Bereich des 2. oder 3. Asts an der Wange und am Kinn
- Keine sensorischen oder motorischen Ausfälle
Cluster-Kopfschmerz (Bing-Horton-Syndrom)
- Eine Form trigeminoautonomer Kopfschmerzen
- Relativ selten
- Männer sind 5- bis 6-mal häufiger betroffen als Frauen.
- Serien (engl. Cluster = Anhäufung, Bündel) kurz hintereinander auftretender Kopfschmerzattacken, oft täglich, 15–180 min anhaltend, häufig nachts
- Stärkste Schmerzen („Suizidkopfschmerz“), einseitige Lokalisation, häufig hinter einem Auge. In der Regel ist wiederholt dieselbe Seite betroffen.
- Autonome Symptome wie Tränenfluss, nasale Kongestion, Rhinorrhö, konjunktivale Injektion, Hautrötung und vermehrtes Schwitzen im Bereich von Stirn und Gesicht auf derselben Seite wie die Kopfschmerzen
- Hochdosierte Sauerstoff-Insufflationen (z. B. in einer Klinik-Ambulanz) werden therapeutisch eingesetzt. Wenn die betroffene Person darauf anspricht, kann das bei entsprechendem klinischem Bild die Diagnose bestätigen.
- Empfehlung: Den Patient*innen mit Verdacht auf Cluster-Kopfschmerz eine Klinikeinweisung für eine probatorische Sauerstoffversorgung im Notfall mitgeben.
Andere6
- Primärer Hustenkopfschmerz
- Primärer Anstrengungskopfschmerz
- Primärer mit sexueller Aktivität assoziierter Kopfschmerz
- Primärer Donnerschlagkopfschmerz
- Primärer Kältestimuluskopfschmerz (durch äußere oder innere Kältereize)
- Primärer durch äußere Kompression hervorgerufener Kopfschmerz
- Externer Traktionskopfschmerz („Pferdeschwanzkopfschmerz“)
- Primär stechender Kopfschmerz
- Nummulärer Kopfschmerz
- Schlafbezogener Kopfschmerz
- Neu aufgetretener persistierender Kopfschmerz
Chronische und rezidivierende sekundäre Kopfschmerzen
Zervikogener Kopfschmerz
- Einseitige Nackenschmerzen ohne Seitenwechsel des Schmerzes
- Häufig Schmerzausstrahlung vom Kopf aus nach vorne
- Die Beweglichkeit v. a. der oberen Kopfgelenke ist eingeschränkt. Bei bestimmten Nackenbeschwerden oder mechanischem Druck kann der Schmerz hervorgerufen werden.
- Empfehlung: Prüfung der HWS-Rotation in max. Anteflexion der HWS und Druckpalpation des Atlasquerfortsatzes im Kieferwinkel sowie des Gelenkes zwischen Axis und 3. Halswirbel oben im Nacken
- Der Schmerz kann durch manuelle Therapie oder lokalanästhetische Blockade behandelt werden.
Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch
- Die häufigste Ursache für chronische Kopfschmerzen – Schätzungen gehen von > 1 % der Bevölkerung aus.7
- Geht mit 15 und mehr Kopfschmerztagen pro Monat einher.
- Tritt bei Personen auf, die von einer primären Kopfschmerzform wie Migräne oder Spannungskopfschmerzen betroffen sind und diese sehr häufig medikamentös behandeln.
- Tritt insbesondere bei Übergebrauch von Analgetika und Migränemedikamenten auf.
- Definition Übergebrauch
- Analgetika wie NSAR, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure an ≥ 15 Tagen/Monat – oder –
- Kombinationsanalgetika, Triptane, Mutterkornalkaloide oder Opioide an ≥ 10 Tagen/Monat
- Die Kopfschmerzcharakteristik hängt von der primären Kopfschmerzerkrankung (Migräne, Spannungskopfschmerz) ab und ähnelt dieser meist.
- Häufig begleitet von Schwächegefühl, Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressivität
Chronische posttraumatische Kopfschmerzen
- > 8 Wochen nach einem Trauma
- Akute posttraumatische Schmerzen dauern maximal 8 Wochen an.
- Sind häufig Teil einer posttraumatischen Belastungsstörung.
- Diese beruht auf einer seelischen Traumatisierung (z. B. durch einen Unfall, einen gewalttätigen Angriff, Erfahrungen von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch).
- Sie kann auch mit Gedächtnisverlust, Konzentrationsstörungen und erhöhter Ermüdbarkeit einhergehen. Daher ist die Abgrenzung zu den physischen Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas nicht immer leicht.
- Subduralhämatom als wichtige Differenzialdiagnose
Ursachen subakuter sekundärer Kopfschmerzen
Rhinosinusitis, akute
- Dauer unter 30 Tagen
- Die Lokalisierung ist abhängig davon, welche Nasennebenhöhle betroffen ist.
- Verstopfte Nase, einseitige Schmerzen, eitriges Nasensekret, fauliger Geruch oder Geschmack
- Eiter in der Nasenkavität, evtl. Perkussions- oder Palpationsempfindlichkeit
- Erhöhte BSG und CRP nach 1 Woche deuten auf eitrige Sinusitis hin.
Hypertonie
- Entgegen weitverbreiteter Annahmen ist häufiger ein Kopfschmerz Ursache für eine Blutdruckerhöhung, als dass eine Hypertonie einen Kopfschmerz verursachen würde.5
- Arterielle Hypertonie in 95 % der Fälle
- Eine leichte Hypertonie wird als systolischer Blutdruck von 140–169 mmHg oder diastolisch 90–99 mmHg definiert.
- Meistens asymptomatisch, ein akuter starker Anstieg des Blutdrucks kann in sehr seltenen Fällen zu rasch einsetzenden, starken, bohrenden Kopfschmerzen führen.
- Es können Organschäden am Herzen, an der Netzhaut und an den Nieren vorliegen.
- Bei Kopfschmerzen + Hypertonie differenzialdiagnostisch an intrakranielle Gefäßerkrankungen oder -malformationen denken, z. B. Aneurysma, Dissektion. Angio-MR oder Angio-CT sind zur Abklärung meist ausreichend.
Hirntumor
- Primärer oder sekundärer Tumor, normalerweise mit langsamer Progression
- Frühe Symptome können Krampfanfälle, langsam fortschreitende Paresen sowie Aphasie sein.
- Kopfschmerz ist selten ein frühes Symptom, entwickelt sich jedoch in 2/3 der Fälle zu einem deutlichen Symptom. Kopfschmerzen am Morgen – in Rückenlage sind sie am stärksten ausgeprägt. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass auch zervikogene Kopfschmerzen häufig in Rückenlage auftreten.
- Weitere typische Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Hirnnervenparesen und ein Hydrozephalus.
- Im weiteren Verlauf kann es zunehmend zu neurologischen Ausfällen, zu einem Papillenödem und zu Persönlichkeitsveränderungen kommen.
- Das Merkwort SNOOP kann helfen, an eine in der Bildgebung zu findende seltene schwere Ursache für Kopfschmerzen zu denken:8
- Systemische Krankheitszeichen (Fieber, bekannte Tumorleiden etc.)
- Neurologische Zusatzsymptome
- Onset Recent or Sudden (kürzlich und plötzlich einsetzende Kopfschmerzen)
- Onset after 40 Years of Age (erstmaliges Auftreten erst nach dem 40. Lebensjahr)
- Previous Headache History is Different (die aktuellen Symptome unterscheiden sich von bislang aufgetretenen).
Riesenzellarteriitis (z. B. Arteriitis temporalis)
- Fast alle Betroffenen sind älter als 50 Jahre (Riesenzellarteriitis, meist der Arteria temporalis).
- Plötzliche Sehstörungen über einige Stunden. Variables Krankheitsbild mit Schmerzen und Empfindlichkeit im Schläfenbereich und an der Kopfhaut
- Kann mit einer Polymyalgia rheumatica einhergehen. Diese ist gekennzeichnet durch muskuloskelettale Schmerzen, meist im Schulterbereich, oft auch im Bereich des Nackens und Beckengürtels, ausgeprägte Morgensteifigkeit und entzündliche Veränderungen an Gelenken und Sehnen.
- Kann innerhalb weniger Tage in eine Optikusneuropathie mit Verlust der Sehkraft münden: Unverzügliche Einweisung bei jedem Verdacht auf Riesenzellarteriitis!
- Schmerzhafte und verdickte Temporalarterien bei Arteriitis temporalis
- BSG und CRP sind meist stark erhöht.
- Ggf. Steroide vor dem Transport ins Krankenhaus. Die Diagnose kann in der Regel durch Sonografie der Temporalarterien oder ggf. MRT gesichert werden.
Ursachen akuter sekundärer Kopfschmerzen
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
- Akuter posttraumatischer Kopfschmerz
- Tritt innerhalb weniger Tage nach SHT auf.
- Hat häufig den Charakter von Spannungskopfschmerzen.
- Remittiert innerhalb von 8 Wochen.
Fieber/Infektionen
- Die meisten Erkrankungen, die mit Fieber einhergehen, können auch Kopfschmerzen verursachen.
- Gefährlich abwendbare Verläufe: Meningitis, Enzephalitis und Sinusitis!
Schlaganfall und TIA
- Häufig liegen Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes mellitus, eine Herzklappenerkrankung, Vorhofflimmern oder Arteriosklerose vor.
- Typischer zeitlicher Verlauf
- Sekunden: typisch für eine Embolie
- Minuten: typisch für eine Hirnblutung
- Minuten bis Stunden: typisch für einen thrombotischen Gefäßverschluss
- Die Symptome variieren mit der Lokalisation und Schwere: fokale Symptome.
- Bei einer TIA verschwinden die Symptome innerhalb von 24 Stunden, in der Regel bereits innerhalb 1 Stunde.
- Kopfschmerz kann bei allen Arten von Hirninfarkten auftreten, am häufigsten bei Hirnblutung.
Subarachnoidalblutung
- Meist sind jüngere Menschen betroffen.
- Akute Blutung einer großen oder mittelgroßen intrakraniellen Arterie vor dem Eintritt in die Hirnsubstanz
- Der Kopfschmerz beginnt meist plötzlich, der Schmerzcharakter ist schneidend oder sprengend und kann an Intensität zunehmen, häufig im Nacken lokalisiert.
- Als Begleitsymptome können Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Im weiteren Verlauf ist die Wahrnehmung gestört, u. U. kommt es zum Koma, möglicher letaler Ausgang.
- In manchen Fällen kommt es zu plötzlichen Kopfschmerzen, die abklingen, bevor die eigentliche Blutung einsetzt.
- Etwaige Symptome wie Bewusstlosigkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Nackensteifigkeit und neurologische Ausfälle treten in Abhängigkeit von der Lokalisation und dem Ausmaß der Blutung auf.
Akutes Glaukom
- Tritt üblicherweise im Alter zwischen 40 und 50 auf und ist auf eine Verengung des Kammerwinkels zurückzuführen.
- In der Regel einseitig. Es gibt Vorzeichen wie die Wahrnehmung von regenbogenartigen Ringen um Lichtquellen (Halo) und verschwommenes Sehen. Rotes und akut schmerzhaftes Auge, Sehstörungen und Übelkeit.
- Kornea matt und ödematös, Augenrötung, beeinträchtigte oder fehlende Pupillenreaktion, in vielen Fällen semidilatierte und ovale Pupille, häufig beeinträchtigter Allgemeinzustand
- Erhöhter Druck bei der Palpation oder in der Tonometrie – meist einseitig
- Schnelle Behandlung erforderlich!
A.-carotis- und A.-vertebralis-Dissektion
- Eine Dissektion der A. carotis oder A. vertebralis kann spontan oder als Folge kleinerer, unbemerkter Traumen auftreten.
- Ist auch bei jungen Menschen zu beobachten, vermutlich unterdiagnostiziert.
- In der Regel treten auf der Seite der Dissektion zuerst akute Schmerzen im Kopf, Nacken oder Gesicht auf.
- Den akuten Kopf- und Nackenschmerzen können mehrere Stunden vorher Symptome eines Hirninfarkts vorausgehen, der Schmerz ist häufig sehr intensiv.
- Bei Symptomen eines zentralen Horner-Syndroms (Ptosis, Miosis, Anhidrosis) auf derselben Seite besteht der Verdacht auf eine A.-carotis-Dissektion.
Sinusvenenthrombose
- Thrombusbildung im intrakraniellen Venensinus
- insbesondere bei Präeklampsie/Eklampsie in der Schwangerschaft
- Akute Kopfschmerzen, begleitet von Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit und Bewusstseinseintrübung als Ausdruck eines erhöhten intrakraniellen Drucks können auftreten.
- Fokale neurologische Symptome, abhängig von der Lokalisation des Thrombus, können auftreten, zudem fokale und generalisierte Krampfanfälle.
- Eine bildgebende Diagnostik (je nach Fragestellung MRT oder CT mit jeweils venöser Angiografie) ist zur Diagnosestellung erforderlich.
Idiopathische intrakranielle Hypertension
- Früher auch als Pseudotumor cerebri bezeichnet
- Ist am häufigsten bei übergewichtigen Frauen im fertilen Alter zu beobachten.
- Kopfschmerzen und retrobulbäre Schmerzen
- Stauungspapillen meist beidseitig, sind aber nicht immer nachweisbar.
- Evtl. Sehstörungen mit vorübergehenden Obskurationen und peripheren Gesichtsfeldausfällen
- Evtl. Tinnitus
- Evtl. Augenbewegungsstörung, vor allem bei Kindern: ein- oder beidseitige Abduzenzparese
- Vor Lumbalpunktion Sinusvenenthrombose und Raumforderung ausschließen (MRT)!
- Erhöhter Liquordruck. Bei eindeutiger Klinik und normalem Druck in der ersten Messung: Messung wiederholen oder kontinuierliche Druckmessung.
Anamnese
Zeitlicher Verlauf?
- Akutes, subakutes oder chronisches Muster?
- Veränderungen der Kopfschmerzqualität im Lauf der Zeit?
- Attacken, deren Dauer und Häufigkeit beschreiben
- Evtl. Kopfschmerzkalender führen
Akute Kopfschmerzen?2
- Plötzlich eintretend und intensiv. Gibt die betroffene Person an, noch nie so starke Kopfschmerzen gehabt zu haben, ist eine Einweisung dringend zu erwägen, vor allem bei Personen, die bisher keine Kopfschmerzen hatten.
- Es können eine Subarachnoidalblutung, eine hypertensive Krise, eine Dissektion der A. vertebralis oder ein akutes Winkelblockglaukom vorliegen.
- Der Konsum von Drogen wie Kokain und Metamphetamin erhöht das Risiko einer intrakraniellen Blutung oder eines Schlaganfalls.
- Nehmen die Patient*innen Aspirin, NSAR, Antikoagulanzien oder Glukokortikoide ein, die das Risiko einer intrakraniellen Blutung erhöhen?
- Liegen eine HIV-Infektion oder andere immunsuppressive Bedingungen/Behandlungen vor? Hirnabszess, Meningitis, Tumorerkrankung des ZNS in Erwägung ziehen.
- Ausgelöst durch körperliche Anstrengung (z. B. Migräne)?
- Eigene Erklärung der betroffenen Person für ihre Kopfschmerzen?
Lokalisation?
- Einseitig?
- Über den gesamten Kopf?
- In der Schläfe?
- Hinter dem Auge?
- Über den Nebenhöhlen?
Schmerzqualität und Begleitsymptome?
- Pulsierend, drückend, schneidend usw.?
- Sehstörungen, Übelkeit, Erbrechen, allgemeine Symptome, Reizbarkeit, Photo- und Phonophobie?
- Persönlichkeitsveränderungen, veränderte Wahrnehmung, Bewusstseinseintrübung? Anzeichen einer ZNS-Infektion, einer intrazerebralen Blutung oder eines Tumors
- Fokale neurologische Zeichen? Können auf eine AV-Malformation, eine Vaskulitis oder eine intrakranielle Raumforderung hindeuten.
Intensität?
- Stark, mäßig oder leicht?
- Bestimmung anhand einer numerischen, visuellen oder verbalen Analogskala von 0 bis 10. Näheres siehe Artikel Grundsätze der Schmerzbehandlung.
Auslösende Faktoren?
- Im Verhältnis zum Tagesverlauf?
- Abhängigkeit von Bewegungen der HWS?
- Änderung im Urlaub?
- Ausgelöst durch Husten oder körperliche Anstrengung, z. B. beim Geschlechtsverkehr: SAB? Tumor? Migräne? Primärer mit sexueller Aktivität assoziierter Kopfschmerz (harmlos)?
Frühere Behandlungen?
- Was wurde versucht?
- Im Hinblick auf arzneimittelinduzierte Kopfschmerzen – insbesondere nach dem Konsum frei verkäuflicher Präparate fragen.
- Welche Auswirkungen?
Anzeichen für andere Krankheiten?
- Ohren, Nebenhöhlen, Augen?
Frühere Erkrankung Vererbung und psychische Erkrankungen?
- Sekundäre Kopfschmerzerkrankung?
- Kopfschmerzen in der Familie verbreitet?
- Aneurysmen hirnzuführender oder intrakranieller Gefäße in der Familie?
- Bekannte oder frühere Krebserkrankung?
- Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen?
- Infektionsherd, intra- oder extrakraniell?
- Infektion der Lunge oder Neben-/Stirnhöhlen können einer ZNS-Infektion vorausgehen.
- Schlaf: Wechselwirkung zwischen Kopfschmerzen und Schlafstörungen9
Psychosoziale Umstände?
- Berufliche, partnerschaftliche, finanzielle Belastungen?
- Fragen Sie: „Macht Ihnen irgendwas in Ihrem Leben Kopfschmerzen?“
Klinische Untersuchung
Allgemeines
- Allgemeinzustand?
- Wirkt die Person krank?
- Besteht Fieber oder gibt es andere Zeichen einer allgemeinen Erkrankung?
- Angst und Depression sind häufige Komorbiditäten primärer Kopfschmerzerkrankungen (Hinweise auf somatoforme Schmerzerkrankung? Siehe Artikel Somatoforme Körperbeschwerden).
- Verhaltensauffälligkeiten, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen oder Persönlichkeitsveränderungen? Ergänzende Informationen sind wichtig.
- Verwendung der Glasgow Coma Scale zur notfallmäßigen Beurteilung der Schwere einer Bewusstseinsstörung
- Nackensteifigkeit
Bei Verdacht auf Spannungs- oder zervikogene Kopfschmerzen
- Zahnstatus, Biss, Kieferknochen, Kau- und Nackenmuskulatur prüfen (zahnärztliche Konsultation).
- Beweglichkeit des Nackens prüfen: passiv, aktiv und isometrisch.
Inspektion und körperliche Untersuchung
- Kognition, Bewusstsein
- Verwirrtheit und/oder Bewusstseinsstörungen sind schwerwiegende Symptome.
- Sprache und Zungenbeweglichkeit
- Meningismus?
- Blutdruck
- Augensymptome?
- Sehschärfe, Palpation des Bulbus oculi, grobe Gesichtsfeldprüfung (Fingerperimetrie), Pupillenreaktionen, Kornealreflex
- Symmetrie von Beweglichkeit und Mimik beim Sprechen, Grimassieren, beim Aufpusten der Backen, beim Anspitzen der Lippen
- Muskelkraft in den oberen und unteren Extremitäten, symmetrisch?
- Reflexe
- Stehen und Gehen unauffällig?
- Sensibilität
- Neurologische Ausfälle sind die wichtigsten Leitsymptome einer ZNS-Erkrankung.2
- Die Ausnahme bilden Migräne-Betroffene, die bereits früher ähnliche Auren mit neurologischen Symptomen hatten. Diese Attacken klingen in der Regel innerhalb von 60 min ab.
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Blutuntersuchungen können z. B. bei Verdacht auf Anämie, Infektionskrankheiten, Riesenzellarteriitis oder eine maligne Erkrankung angezeigt sein.
Bei Spezialist*innen
- Fehlen fokale Symptome, sind Röntgen von Schädel, Nebenhöhlen und Halswirbelsäule in der Regel von geringem Nutzen.
- Bildgebung der Nebenhöhlen
- Röntgen Halswirbelsäule
- Bei zervikogenen Kopfschmerzen dann angezeigt, wenn Traumata bei der Anamnese angegeben werden oder bei Vorliegen von Krankheiten, die zu ossären Destruktionen an der HWS prädisponieren (Plasmozytom, solide Tumoren etc.).
- Zerebrales CT oder MRT?
- angezeigt bei Red Flags und nach Kopfverletzungen
- bei Anzeichen fokalneurologischer Läsion
- ggf. neurologische Konsultation zur Planung der weiteren Diagnostik
- Zur Abklärung eines Subduralhämatoms ist die MRT geeignet. Sie ist wichtig zur Darstellung kleiner Läsionen.
- EEG?
- Die Überweisung zum EEG ist nur bei Verdacht auf ein epileptisches Geschehen angezeigt.
- Näheres siehe Artikel Epilepsie.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Klinikeinweisung
Red-Flag-Faktoren (ggf. Notfalleinweisung erforderlich)1
- Siehe Abschnitt Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe.
- Deutliche Veränderungen der Kopfschmerzqualität sind ebenfalls ein Warnzeichen.
Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung
Ambulante oder ggf. stationäre Abklärung bei:
- Neu aufgetretenem Krampfanfall
- Tumoranamnese
- Neu aufgetretenem Cluster-Kopfschmerz
Yellow-Flag-Faktoren (weitere Abklärung erwägen)1
- Geschwächte Immunabwehr, z. B. durch HIV oder immunsuppressive Medikamente
- Alter unter 20 Jahren und frühere Krebserkrankung
- Bekannte Krebserkrankung, die Metastasen im Gehirn bilden kann.
- Erbrechen ohne andere erkennbare Ursache
Medikamentenübergebrauch
- Bei Mischkopfschmerzen, die teilweise auf Medikamentenübergebrauch beruhen, ist manchmal eine Behandlung in eine spezialisierten Klinik oder Tagesklinik angezeigt.
Weitere Gründe
- Eine Überweisung kann angezeigt sein, z. B.
- wenn sich die Diagnose nicht in einer angemessenen Frist abklären lässt (z. B. Neurologie, Ophthalmologie).
- wenn eine psychische Ursache für die Beschwerden vermutet wird (Psychotherapie, Psychosomatische Medizin, Psychiatrie).
Kopfschmerzen bei Kindern
- Siehe Artikel Kopfschmerzen bei Kindern.
- Akut
- Besonders bei kleinen Kindern (3–4 Jahre), die von sich aus über Kopfweh klagen, sollte unverzüglich eine Abklärung im MRT erfolgen.
- Chronisch
- > 1/2 Jahre, häufiger als 1 x im Monat
- bei V. a. sekundären Kopfschmerz Abklärung bei Spezialist*innen, ggf. stationär
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
- Kopfschmerzen
- Cluster-Kopfschmerz
- Durch Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen
- Spannungskopfschmerz
- Trigeminusneuralgie
Illustrationen







Quellen
Literatur
- NICE guidance, Headaches Diagnosis and management of headaches in young people and adults, September 2012, Commissioned by the National Institute for Health and Clinical Excellence. Last updated: 17 December 2021 guidance.nice.org.uk
- Hainer BL, Matheson EM. Approach to acute headache in adults. Am Fam Phys 2013; 87: 682-7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Beithon J, Gallenberg M, Johnson K, et al. Diagnosis and treatment of headache, 11th ed. Institute for Clinical Systems Improvement. January 2013. www.icsi.org
- Jonsson P, Hedenrud T, Linde M. Epidemiology of medication overuse headache in the general Swedish population. Cephalalgia 2011;31:1015-22. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Law M, Morris J, Jordan R, Wald N. Headaches and the Treatment of Blood Pressure Results From a Meta-Analysis of 94 Randomized Placebo-Controlled Trials With 24 000 Participants. Circulation. 2005;112:2301-2306. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Headache Classification Committee of the International Headache Society (IHS) The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition. Cephalalgia. 2018;38(1):1-211. doi:10.1177/0333102417738202 DOI
- Dekker F, Wiendels NJ, de Valk V et al. Triptan overuse in the Dutch general population: A nationwide pharmaco-epidemiology database analysis in 6.7 million people. Cephalalgia 2011;31:937-946. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Kernick D, Ahmed F, Bahra A et al. Imaging patients with suspected brain tumor: guidance for primary care. Br J Gen Pract 2008;58:880-885. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Uhlig BL, Engstrøm M, Ødegård SS, Hagen KK, Sand T. Headache and insomnia in population-based epidemiological studies. Cephalalgia 2014; 34: 745-51. pmid:24973418 PubMed
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Günther Egidi, Dr. med., Facharzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)