Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft

Harnwegsinfektionen und der zufällige Befund von Bakterien im Urin, ohne dass Symptome vorliegen, treten in der Schwangerschaft gehäuft auf. Eine Blasenentzündung, die Symptome verursacht, sollte bei schwangeren Frauen antibiotisch behandelt werden.

Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft – Ein Risiko für Mutter und Kind

Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft äußern sich auf dieselbe Weise wie bei nicht-schwangeren Frauen. Häufiges, schmerzhaftes oder brennendes Wasserlassen, starker Harndrang, Schmerzen oder ein unangenehmes Gefühl im Unterbauch ohne Ausfluss aus der Vagina weisen auf eine Infektion des unteren Harntrakts, hauptsächlich der Harnblase hin. Mediziner sprechen dann von einem unteren Harnwegsinfekt oder einer akuten Zystitis (von Griechisch Zystis für Blase). Bei einer zusätzlichen Beteiligung der Nierenbecken, wo der in den Nieren gebildete Urin gesammelt wird, können Fieber sowie Schmerzen im Rücken oder in den Flanken hinzukommen (oberer Harnwegsinfekt, Nierenbeckenentzündung bzw. Pyelonephritis). 

Im Unterschied zum unkomplizierten Harnwegsinfekt bei jungen, gesunden, nicht-schwangeren Frauen werden Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft nahezu immer antibiotisch behandelt. Dies rührt daher, dass Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft mit einem erhöhten gesundheitlichen Risiko für Mutter und Kind verbunden sind.

Bei 4–7 % der schwangeren Frauen werden Bakterien im Urin gefunden, ohne, dass Symptome vorliegen. Dies wird als asymptomatische Bakteriurie bezeichnet. Ein Screening auf eine asymptomatische Bakteriurie sollte in der Schwangerschaft nach neuesten Erkenntnissen nicht mehr generell durchgeführt werden, da keine Hinweise auf eine Schädigung des Kindes durch eine asymptomatische Bakteriurie vorliegen. Eine vorsorgliche Urinuntersuchung kann allerdings bei Risikopatientinnen sinnvoll sein, bei denen z. B. in vergangenen Schwangerschaften Frühgeburten oder Fehlgeburten aufgetreten sind, oder in der Vorgeschichte bereits eine Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) vorlag.

Ursache

Ungefähr 1–2 % der Schwangeren erkrankt an einer Blasenentzündung (Zystitis). Bis zu 2 % sind von einer Nierenbeckenentzündung betroffen.

Die anatomischen und hormonellen Veränderungen im Körper einer schwangeren Frau bringen eine erhöhte Neigung zu Harnwegsinfekten mit sich. Die wachsende Gebärmutter kann auf die Harnleiter drücken, sodass der Urin erschwert aus den Nierenbecken abfließen kann. Zusätzlich setzt das Schwangerschaftshormon Progesteron die Eigenbewegung der Harnleiter und damit den Abtransport des Urins in die Harnblase herab. In der Folge verbleibt der Urin länger in den Nierenbecken. Dies fördert das Bakterienwachstum und die Neigung zu Nierenbeckenentzündungen.

Die Bakterien, die einen Harnwegsinfekt auslösen, entstammen meist der normalen Bakterienflora des Urogenitaltraktes. Sie steigen in die Harnwege und die Blase auf und verursachen dort eine Entzündung. Verschiedene Faktoren begünstigen dies: Geschlechtsverkehr, eine geringe Trinkmenge, seltenes Wasserlassen sowie stehender Urin in Harnblase oder Nierenbecken.

Erregerspektrum und Antibiotika-Resistenzraten sind ähnlich wie bei nicht-schwangeren Frauen. Häufigster Verursacher ist das Darmbakterium Escherichia coli. Allerdings gibt es einen kleinen Anteil an Harnwegsinfekten in der Schwangerschaft, die durch sogenannte Gruppe-B-Streptokokken, vornehmlich Streptococcus agalactiae, verursacht werden. Auf diese Erreger muss besonders geachtet werden, da das Kind unter der Geburt infiziert werden und an einer Hirnhautentzündung oder Sepsis (Blutvergiftung) erkranken kann.

Weitere Risikofaktoren für die Entstehung von Harnwegsinfekten in der Schwangerschaft sind wiederholte Harnwegsinfekte oder eine Chlamydien-Infektion in der Vergangenheit, anatomische Veränderungen des Harntraktes, Adipositas sowie Diabetes. Auch die asymptomatische Bakteriurie erhöht das Risiko für eine Harnwegsinfektion (Zystitis, Pyelonephritis).

Maßnahmen zur Vorbeugung

Derzeit sind keine Methoden zur Vorbeugung eines Harnwegsinfektes in der Schwangerschaft bekannt. Nicht-schwangeren Frauen werden folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Entleeren Sie Ihre Harnblase regelmäßig und vollständig. Das gilt insbesondere unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr.
  • Achten Sie auf eine ausreichende Trinkmenge (ca. 2 Liter am Tag, wenn nichts dagegen spricht, wie z. B. eine Herzinsuffizienz).
  • Es ist ausreichend, den Intimbereich nur mit Wasser oder Pflegeprodukten zu reinigen, die für die Intimhygiene geeignet sind. Hiermit wird die normale Scheidenflora aufrechterhalten, die für die Bakterienabwehr wichtig ist. Vermeiden Sie „Intimsprays" oder ähnliches.
  • Nach erfolgtem Stuhlgang ist auf die richtige Reinigung zu achten: Diese sollte bei Frauen immer von der Scheide in die Richtung des Afters erfolgen und nicht umgekehrt.

Diagnostik

Die Diagnosestellung eines akuten unteren oder oberen Harnwegsinfektes erfolgt in erster Linie anhand der typischen Symptome. Bei Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen, häufigem Wasserlassen mit oftmals nur geringen Urinmengen, ggf. Schmerzen oberhalb des Schambeins und fehlendem Ausfluss aus der Vagina ist eine Blasenentzündung sehr wahrscheinlich. Darüber hinaus wird in der körperlichen Untersuchung auf Zeichen einer Nierenbeckenentzündung geachtet, z. B. ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Übelkeit, Fieber, Schüttelfrost sowie Schmerzen in der Nierengegend beim Beklopfen. Besteht der Verdacht auf einen Harnwegsinfekt, werden ein Urinstreifentest und eine Urinkultur angefertigt. Letztere zeigt innerhalb weniger Tage das Wachstum von Bakterien im Urin an und lässt Rückschlüsse auf wirksame und unwirksame Antibiotika zu. Bei einer Nierenbeckenentzündung wird in der Regel auch eine Ultraschalluntersuchung der Harnwege und Nieren vorgenommen. In der Regel können diese Untersuchungen sowie die Therapie in der Allgemeinarztpraxis durchgeführt werden. Bei Verdacht auf eine Nierenbeckenentzündung sollte jedoch in der Regel eine Einweisung ins Krankenhaus erfolgen, da bei einer Nierenbeckenentzündung ein erhöhtes Risiko für Komplikationen besteht.

Bei spezielleren Fragestellungen, z. B. bei wiederholten Harnwegsinfekten, ist ggf. eine Überweisung an eine urologische oder gynäkologische Praxis sinnvoll.

Schwangere Frauen werden nicht generell auf Bakterien im Urin getestet oder beim Befund einer asymptomatischen Bakteriurie antibiotisch behandelt, da keine Hinweise für eine Schädigung des Kindes durch eine asymptomatische Bakteriurie der Schwangeren oder den Vorteil einer antibiotischen Therapie vorliegen, sofern es sich um eine Niedrig-Risiko-Schwangerschaft handelt.

Therapie

In der Schwangerschaft ist eine antibiotische Behandlung bei Harnwegsinfektionen, die Symptome verursachen, empfohlen. Hiermit sollen Komplikationen für Mutter und Kind vermieden werden. Dabei achtet die behandelnde Ärztin besonders auf die Auswahl des Antibiotikums. Es existieren einige Präparate, die auch in der Schwangerschaft gut verträglich sind. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, wie lange Sie das verschriebene Medikament einnehmen sollen. Die Dauer der Therapie beträgt üblicherweise bis zu einer Woche. Wenn sich die Beschwerden nach einer gewissen Zeit nicht deutlich bessern, wird ggf. die Antibiotikatherapie entsprechend der Urinkultur umgestellt. Nach und ggf. während der Behandlung erfolgt eine ärztliche Kontrolle sowie Urinkultur. Bei einer Verschlechterung oder bei Wiederauftreten der Beschwerden sollten Sie rasch einen Arzt aufsuchen.

Infektionen mit Gruppe-B-Streptokokken werden in der Regel mit Penicillin behandelt.

Prognose

Schwangere Frauen, die an einem Harnwegsinfekt erkranken, haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Nierenbeckenentzündung oder eines komplizierten Harnwegsinfekts. Möglicherweise besteht außerdem ein Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten von z. B. Präeklampsie, Frühgeburtlichkeit, reduziertem Geburtsgewicht und erhöhter Neugeborenensterblichkeit.

Ein Harnwegsinfekt kann in den meisten Fällen gut mit Antibiotika behandelt werden. Es kann allerdings zu wiederkehrenden Harnwegsinfektionen kommen.

Weitere Informationen

Autoren

  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim
  • Dorit Abiry, Doktorandin am Institut und der Poliklinik für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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References

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