Asymptomatische Bakteriurie

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bei der asymptomatischen Bakteriurie handelt es sich um den Befund von ≥ 105 Bakterien/ml in der Urinkultur bei Symptomfreiheit bezüglich der Harnwege.
  • Es handelt sich somit um eine Keimbesiedlung ohne klinische Symptome; beim Auftreten von Beschwerden (z. B. Dysurie) handelt es sich um eine Infektion.
  • Eine antibiotische Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie ist nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Schwangeren mit Risikofaktoren wie Z. n. Frühgeburt) notwendig.

Häufigkeit

  • Zunahme der Prävalenz mit dem Alter und Zusammenhang mit sexueller Aktivität
    • Bei Mädchen im Vorschulalter ist die Prävalenz 1–2 %.
    • 5–6 % bei sexuell aktiven Frauen zwischen 20–40 Jahren
    • 18 % bei den über 70-jährigen Frauen
  • Erhöhte Prävalenz bei Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen
    • 15–40 % bei Männern
    • 25–50 % bei Frauen
  • Die Prävalenz von asymptomatischer Bakteriurie bei Schwangeren liegt im Bereich von 4–7 %.
    • Die Häufigkeit korreliert mit der Dauer der Schwangerschaft.
  • Bei Personen mit Dauerkatheter ist eine asymptomatische Bakteriurie sehr häufig (bis zu 100 %).

Diagnostische Überlegungen

  • Eine asymptomatische Bakteriurie wird durch eine Urinkultur von symptomfreien Patient*innen entdeckt.
  • Diagnostische Kriterien einer asymptomatischen Bakteriurie
    • bei Frauen: Nachweis von > 105 Bakterien/ml in 2 konsekutiven Mittelstrahlurin-Kulturen
    • bei Männern: Nachweis von > 105 Bakterien/ml in 1 Mittelstrahlurin-Kultur
    • bei Urin aus dem Katheter: einzelne Bakterienspezies > 102 Bakterien/ml
  • Keine Belege für Vorteile der Erkennung und Behandlung von asymptomatischer Bakteriurie bei:1
    • ansonsten gesunden Kindern, unabhängig vom Alter
    • nicht schwangeren erwachsenen Patientinnen, unabhängig von Grunderkrankungen oder evtl. liegendem Katheter.1
  • Übersichtsstudie zum Vergleich Antibiotika oder Placebo bei Erwachsenen mit asymptomatischer Bakteriurie2
    • kein klinischer Nutzen einer antibiotischen Therapie
  • Patient*innen vor invasiven urologischen Eingriffen sollten mittels Kultur auf asymptomatische Bakteriurie (ab 100.000 Bakterien/ml im Mittelstrahlurin) untersucht und bei positivem Ergebnis mit Antibiotika behandelt werden.
  • Kinder unter 4 Jahren mit wiederholten Harnwegsinfektionen und bekanntem vesikoureteralem Reflux benötigen häufig eine Behandlung.
  • Bei geriatrischen Patient*innen ist die Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie sehr hoch.
    • Allein das Ergebnis eines Urin-Teststreifens oder einer Urinkultur ohne Klinik rechtfertigt die Diagnose Harnwegsinfekt nicht.
    • Insbesondere bei liegenden Dauerkathetern sollte eine asymptomatische Bakteriurie nicht behandelt werden.
  • Sind bei einem Urin-Teststreifen Nitrit und Leukozyten negativ, so kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Bakteriurie ausgeschlossen werden (negativer prädiktiver Wert 88 %).3

Asymptomatische Bakteriurie bei Schwangeren

  • Kein Hinweis für eine Schädigung des Kindes durch eine asymptomatische Bakteriurie der Schwangeren oder den Vorteil einer antibiotischen Therapie,
    • Aus diesem Grund soll die asymptomatische Bakteriurie im Rahmen einer Niedrigrisikoschwangerschaft nicht behandelt werden.
  • Eine asymptomatische Bakteriurie bei Schwangeren erhöht jedoch das Risiko für einen Harnwegsinfekt in der Schwangerschaft.
    • Dies führt wiederum möglicherweise zum vermehrten Auftreten von:
  • Screening?
    • Eine regelhafte Untersuchung auf asymptomatische Bakteriurie bei allen Schwangeren wird nicht empfohlen
    • Untersuchung des Mittelstrahlurins alle 4 Wochen auf Eiweiß und Zucker
    • Bakteriologische Untersuchung nur bei besonderer Befundlage (z. B. bei auffälligen Symptomen, rezidivierenden Harnwegsinfektionen in der Anamnese, Z. n. Frühgeburt, erhöhtem Risiko für Infektionen der ableitenden Harnwege)
    • Es liegen keine Hinweise auf eine Schädigung des Kindes durch asymptomatische Bakteriurie vor.,
    • Eine Urinuntersuchung (v. a. Urinkultur) kann bei Risikopatientinnen sinnvoll sein.
      • z. B. bei Z. n. Frühgeburt oder später Fehlgeburt, Z. n. Pyelonephritis Kontrolle der Urinkultur bei > 105 Bakterien/ml Urin
      • Diagnose bei Wachstum der gleichen Bakterien in 2 aufeinanderfolgenden Proben
    • Urinstreifentests haben in der Praxis nur eine geringe Sensitivität (14–50 %) für eine Bakteriurie
      • Einsatz in dieser Niedrigprävalenzpopulation nicht empfohlen

Asymptomatische Bakteriurie bei Kindern

  • Es gibt ebenfalls keine Hinweise für die Vorteile einer antibiotischen Behandlung bei zufällig entdeckter asymptomatischer Bakteriurie.
    • Daher wird auch bei Kindern kein Screening empfohlen.

Abwendbar gefährliche Verläufe

ICD-10

  • R82.7 Abnorme Befunde bei der mikrobiologischen Urinuntersuchung

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

Therapie

  • Therapie bei Schwangeren
    • Eine Behandlung sollte nicht erfolgen, falls es sich um eine Niedrigrisikoschwangerschaft handelt.
    • Ist eine Therapie erforderlich, so gelten die Empfehlungen zur Therapie der Harnwegsinfektion in der Schwangerschaft.
  • Therapie bei Kindern
    • Bei Kindern sollte eine asymptomatische Bakteriurie nicht antibiotisch behandelt werden.
  • Therapie bei Kindern unter 4 Jahren mit wiederholten Harnwegsinfektionen und bekanntem vesikoureteralem Reflux
    • Diese Kinder benötigen häufig eine Behandlung.
    • Kinder mit einem vesikoureteralen Reflux haben ein erhöhtes Risiko für Nierenschädigung im Rahmen von HWI.
    • Behandlung bei Kindern mit rezidivierenden Harnwegsinfekten in Zusammenarbeit mit Pädiater*in
    • Ist eine Therapie erforderlich, so gelten die Empfehlungen zur Therapie der Harnwegsinfektion bei Kindern.
  • Therapie vor invasiven urologischen Eingriffen
    • Vor einer erwartungsgemäß Schleimhaut-traumatisierenden Intervention im Harntrakt erhöht eine asymptomatische Bakteriurie das Infektionsrisiko.
      • daher vor der Intervention Screening und bei Nachweis Behandlung
    • Hierzu zählen z. B. eine transurethrale Prostataresektion, eine Zystoskopie jedoch üblicherweise nicht.
    • Die Therapie erfolgt gemäß Antibiogramm.
  • Screening und Therapie werden explizit nicht empfohlen bei folgenden Patientengruppen:
    • nicht schwangere Frauen in der Prämenopause
    • Frauen mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage
    • Ältere Personen, die zu Hause leben.
    • Ältere Personen, die in Pflegeeinrichtungen leben.
    • Patient*innen nach Rückenmarksverletzungen
    • Patient*innen mit Dauerkatheter
    • Patient*innen vor orthopädischen Eingriffen

Verlaufskontrolle

  • Kontrolle des Therapieerfolgs mittels Urinkultur nach einer antibiotischen Behandlung bei einer schwangeren Frau

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Dull RB, Friedman SK, Risoldi ZM, et al. Antimicrobial Treatment of Asymptomatic Bacteriuria in Noncatheterized Adults: A Systematic Review. Pharmacotherapy. 2014. PMID: 24807583 PubMed
  2. Zalmanovici Trestioreanu A, Lador A, Sauerbrun-Cutler MT, et al. Antibiotics for asymptomatic bacteriuria. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Apr 8;4:CD009534. PMID: 25851268. PubMed
  3. Sundvall et al.. Evaluation of dipstick analysis among elderly residents to detect bacteriuria: a cross-sectional study in 32 nursing homes. BMC Geriatrics 2009; 9: 32. doi:10.1186/1471-2318-9-32 DOI

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
  • Klaus Gebhardt, Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)

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