Allgemeine Informationen
Definition
- Als Niereninsuffizienz bezeichnet man die Unterfunktion einer oder beider Nieren.
- Im Vordergrund stehen dabei die verminderte Ausscheidungsfunktion der Niere mit einer Retention harnpflichtiger Substanzen sowie Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basenhaushalts.
- In den KDIGO-Leitlinien (KDIGO = Kidney Disease: Improving Global Outcomes) zum akuten Nierenversagen und zur chronischen Nierenkrankheit (CKD) wurden folgende spezifische Definitionen vorgenommen:1-2
Definition Akutes Nierenversagen
- Definiert durch Anstiege von Serumkreatinin und/oder Verminderung der Diurese:1
- Anstieg des Kreatinins i. S. ≥ 0,3 mg/dl (≥ 26,6 µmol/l) innerhalb von 48 Stunden – oder –
- Anstieg des Kreatinins i. S. ≥ 1,5 x Ausgangswert in den letzten 7 Tagen – oder –
- Urinvolumen < 0,5 ml/kg/h über mindestens 6 Stunden.
Definition Chronische Nierenkrankheit
- Definiert durch eine Verminderung der Ausscheidungsfunktion (verminderte GFR = glomeruläre Filtrationsrate) und/oder Vorliegen eines strukturellen Nierenschadens für > 3 Monate mit Auswirkungen auf den Gesundheitszustand2
- Kriterien einer chronischen Nierenkrankheit (1 der folgenden Kriterien für > 3 Monate):2
- Marker eines Nierenschadens (1 oder mehrere)
- Albuminurie: ≥ 30 mg/24 h bzw. Albumin-Kreatinin-Quotient (ACR) ≥ 30 mg/g (≥ 3 mg/mmol)
- pathologisches Urinsediment
- Elektrolytstörungen und andere pathologische Veränderungen infolge von Tubulopathien
- histologische Nierenschäden
- Nachweis pathologischer Nierenveränderungen durch bildgebende Verfahren
- Z. n. Nierentransplantatio
- Verminderung der GFR (< 60 ml/min/1,73 m2)
- Marker eines Nierenschadens (1 oder mehrere)
- Zur Terminologie
- Der häufig – fälschlicherweise – synonym verwendete Begriff der chronischen Niereninsuffizienz beschreibt nur einen Teilaspekt einer chronischen Nierenerkrankung, nämlich eine verminderte Reinigungsfunktion der Niere
- Eine Patient*in mit einer GFR ≥ 90 kann durchaus eine chronische Nierenkrankheit aufweisen (z. B. mit Albuminurie), hat aber noch keine Niereninsuffizienz.
- Der Begriff der chronischen Nierenkrankheit wird inzwischen bevorzugt, da er umfassender ist und der Komplexität der Erkrankung besser gerecht wird.
Klassifikationen
Klassifikation des akuten Nierenversagens
- Der Schweregrad eines akuten Nierenversagens wird nach den folgenden Kriterien klassifiziert:1
- Stadium 1
- Kreatininanstieg ≥ 0,3 mg/dl (≥ 26,6 µmol/l) oder 1,5–1,9 x Ausgangswert
- Urinausscheidung < 0,5 ml/kg/h für 6–12 h
- Stadium 2
- Kreatininanstieg 2,0–2,9 x Ausgangswert
- Urinausscheidung < 0,5 ml/kg/h für ≥ 12 h
- Stadium 3
- Kreatininanstieg ≥ 3 x Ausgangswert oder ≥ 4,0 mg/dl (≥ 354 µmol/l) oder Beginn einer Nierenersatztherapie
- Urinausscheidung < 0,3 ml/kg/h für ≥ 24 h oder Anurie für ≥ 12 h
Klassifikation der chronischen Nierenkrankheit
- Die Klassifikation der chronischen Nierenkrankheit erfolgt anhand von 3 Kriterien (CGA-Klassifikation):2
- C = Grunderkrankung
- Angabe einer systemischen Erkrankung oder einer pathologisch-anatomischen Veränderung der Niere mit Lokalisation
- G = glomeruläre Filtrationsrate (ml/min/1,73 m2)
- G1: ≥ 90
- G2: 60–89
- G3a: 45–59
- G3b: 30–44
- G4: 15–29
- G5: < 15
- A = Albuminurie
- A1: < 30 mg/24 h (ACR < 30 mg/g bzw. < 3 mg/mol)
- A2: 30–300 mg/24 h (ACR 30–300 mg/g bzw. 3–30 mg/mmol)
- A3: > 300 mg/24 h (ACR > 300 mg/g bzw. > 30 mg/mmol)
Häufigkeit
Akutes Nierenversagen
- Jährliche Inzidenz ambulanter Erkrankungen in Europa bei 200/100.000 Einwohnern3
- Zunahme der Inzidenz in den letzten Jahren
- Bei der Aufnahme ins Krankenhaus leiden ca. 1 % der Patient*innen an einem akuten Nierenversagen.4
- Ca. 10 % der stationär behandelten Patient*innen weisen im Verlauf eine akute Nierenschädigung auf.
- Höchste Inzidenz des nosokomialen akuten Nierenversagens auf Intensivstationen (35–60 %)3
- Bei ca. 40 % der Patient*innen besteht eine vorbestehende chronische Nierenkrankheit (CKD).4
- Umgekehrt entwickeln ca. 10–20 % der Patient*innen mit akuter Nierenschädigung im weiteren Verlauf eine CKD.
Chronische Nierenkrankheit
- Nach einer deutschen Studie weisen ca. 2,3 % der Menschen im Alter von 18–79 Jahren eine GFR von < 60 ml/min/1,73 m2 auf.5
- Steigende Prävalenz mit dem Alter6
- Bei unter 50-Jährigen selten, in der Altersgruppe 70–79 Jahre ist ca. jede 8. Person betroffen.5
- Nur 28 % der Betroffenen wissen von ihrer Nierenfunktionsstörung und nur 2/3 derjenigen, die davon wissen, sind diesbezüglich in ärztlicher Behandlung.
- Insbesondere Älteren ist die Erkrankung häufig nicht bekannt.7
- In deutschen Hausarztpraxen wurde die Prävalenz der CKD auf bis zu 28 % geschätzt, dabei handelte es sich zumeist um geriatrische Patient*innen mit altersbedingt eingeschränkter Nierenfunktion.8
- Bei 48 % der Bewohner*innen einer Pflegeeinrichtung bestand eine moderate (eGFR 30–59 ml/min/1,73 m2) und bei 15 % eine hochgradige Niereninsuffizienz (eGRF < 30 ml/min).9
Akutes Nierenversagen – Ätiologie
- Siehe Artikel Akutes Nierenversagen
Prärenal4
- Volumenmangel
- renaler Volumenverlust (Diuretika, Polyurie)
- gastrointestinale Verluste (Erbrechen, Durchfall)
- Blutungen
- Verluste über die Haut (Schwitzen, Verbrennungen)
- Pankreatitis
- Medikamente in Verbindung mit Volumenmangel
- ACE-Hemmer
- Angiotensin-Rezeptor-Blocker
- Aminoglykoside
- Amphotericin B
- u. a.
- Verminderter kardialer Auswurf
- Herzinfarkt
- Kardiomyopathie
- Klappenerkrankungen
- Lungenembolie
- Systemische Vasodilatation
- Afferente arterioläre Konstriktion
- hepatorenales Syndrom
- Medikamente (z. B. NSAR)
- Hyperkalzämie
Renal3
- Präglomerulär
- mikroangiopathisch (maligne Hypertonie, Systemsklerose, HUS/TTP)
- Cholesterinembolien
- Glomerulär
- postinfektiöse Immunkomplexnephritis
- Glomerulonephritis bei Systemerkrankungen (SLE, Vaskulitiden)
- Goodpasture-Syndrom
- Postglomerulär
- akute interstitielle Nephritis
- Sarkoidose
- Hantavirus-Infektion
- akute Tubulusnekrose
- Myelomniere
Postrenal4
- Steinerkrankung
- Strikturen
- Tumoren (intra- oder extraluminal)
- Fibrose
Akutes Nierenversagen – prädisponierende Faktoren
- Siehe Artikel Akutes Nierenversagen
- Höheres Alter
- Chronische Nierenkrankheit
- Z. n. akutem Nierenversagen
- Andere chronische Organerkrankungen (Herz, Lunge, Leber)
- Weibliches Geschlecht
- Volumenmangel
- Diabetes mellitus
- Anämie
- Tumorerkrankung
Chronische Nierenkrankheit – Ätiologie
- Siehe Artikel Chronische Nierenkrankheit
- Die häufigsten Grunderkrankungen sind (Daten eines Kollektivs vor Beginn einer Nierenersatztherapie 2005 in Deutschland):
- Diabetes mellitus (35 %)
- Hypertonie (23 %)
- chronische Glomerulonephritis (13 %)
- interstitielle Nephropathie (8 %)
- Zystennieren (4 %)
- Systemerkrankungen: Amyloidose, Lupusnephritis, Goodpasture-Syndrom, monoklonale Gammopathien, Vaskulitiden, Anti-Phospholipid-Syndrom, hämolytisch-urämisches Syndrom, thrombotisch thrombozytopenische Purpura (4 %)
- genetische Erkrankungen (1 %)
- Verschiedenes/unbekannte Genese (12 %)
Chronische Nierenkrankheit – Prädisponierende Faktoren
- Siehe Artikel Chronische Nierenkrankheit
- Folgende Faktoren erhöhen das Risiko für die Entstehung einer chronischen Nierenerkrankung:10-11
- höheres Alter
- Rauchen
- Übergewicht
- Herzerkrankung
- Familiengeschichte einer Nierenerkrankung
- asiatische oder afrikanische Herkunft
Diagnostische Überlegungen
- Die GFR ist insgesamt der nützlichste Index der Nierenfunktion bei Kranken und Gesunden.1
- Ein akutes Nierenversagen wird in der klinischen Praxis und entsprechend der KDIGO-Definition durch die Messung von Kreatinin i. S. und Quantifizierung der Urinausscheidung erfasst, dies sind Surrogatparameter einer abnehmenden GFR.1
- Da die GFR nach dem akut schädigenden Ereignis erst verzögert abfällt, wären Marker zum frühzeitigen Nachweis morphologischer Schädigungen wünschenswert.
- In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Marker eines akuten Tubulusschadens entwickelt und getestet.
- Ihre Relevanz für Therapie und Prognose ist aber noch nicht nachgewiesen.
- Bei der chronischen Nierenkrankheit ist die GFR die Grundlage für die Erfassung der Funktion/Stadieneinteilung und die Risikostratifizierung.2
- Ein Anstieg des Kreatinins erfolgt bei chronischer Nierenschädigung erst, wenn mehr als die Hälfte der Nephrone funktionsunfähig ist.
- Kreatinin ist zur Frühdiagnostik einer chronischen Nierenschädigung daher nicht geeignet.
- Daher sollte zur renalen (und kardiovaskulären) Risikoabschätzung bei Patient*innen mit CKD immer eine Bestimmung der GFR erfolgen.
- Abschätzung der GFR (eGFR = estimated GFR) durch Berechnung gemäß MDRD- oder CKD-EPI-Formel
- Bei älteren Patient*innen (> 70 Jahre) sind möglicherweise speziell in dieser Altersgruppe validierte Formeln besser (BIS 1-Formel).
ICD-10
- R79.8 Sonstige näher bezeichnete abnorme Befunde der Blutchemie
- N18.1 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 1
- N18.2 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 2
- N18.3 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 3
- N18.4 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 4, präterminale Niereninsuffizienz
- N18.5 Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 5, dialysepflichtige Niereninsuffizienz
- N19 Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz
Diagnostik
Anamnese
Akutes Nierenversagen
- Entwicklung der Symptomatik im Verlauf nach der eigentlichen Schädigung durch die verminderte Exkretion
- verminderte Urinausscheidung
- Ödeme, Luftnot (Volumenüberladung)
- vertiefte „Kußmaul“-Atmung, evtl. auch Tachypnoe (Kompensation einer metabolischen Azidose)
- Palpitationen (Hyperkaliämie)
- Übelkeit, Müdigkeit, Juckreiz (Urämie)
- Vorgeschichte
- Hinweise für Volumenmangel?
- niedrige Flüssigkeitszufuhr
- Flüssigkeitsverluste (Blutungen, Durchfälle, fieberhafte Infektionen)
- früheres akutes Nierenversagen, chronische Nierenkrankheit
- schwere Grunderkrankungen (Diabetes mellitus, kardiale Erkrankungen, Lebererkrankungen, hämatoonkologische Erkrankungen, chronische Infektionen, Autoimmunerkrankungen)
- nephrotoxische Medikamente
- Röntgenkontrastmittel
- Hinweise für Volumenmangel?
Chronische Nierenkrankheit
- In frühen Stadien ist die CKD häufig asymptomatisch.
- Die Symptomatik ist unspezifisch und tritt z. T. erst bei fortgeschrittener Nierenerkrankung auf:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Kopfschmerzen
- Übelkeit
- Ödeme
- Dyspnoe
- Palpitationen
- Juckreiz
- Restless legs
- Krämpfe
- Knochenschmerzen
- Vorgeschichte (auch im Hinblick auf kardiovaskuläre Risikofaktoren)
- Diabetes mellitus
- arterielle Hypertonie
- Fettstoffwechselstörung
- Rauchen
- kardiovaskuläre Erkrankung
- Medikation: nephrotoxische Substanzen
- bekannte Nierenerkrankung, zurückliegendes akutes Nierenversagen
- Autoimmunerkrankungen, Systemerkrankungen
- Nierenerkrankungen in der Familie
Klinische Untersuchung
- Größe/Gewicht (Body-Mass-Index)
- Blutdruck/Puls (Hypertonie/Hypotonie, Herzrhythmusstörungen)
- Temperatur (Infektion, Sepsis)
- Haut
- Herz
- Reibegeräusch (Perikarditis)
- Lunge
- pulmonale Stauung (Überwässerung, evtl. Herzinsuffizienz)
- Reibegeräusch (Pleuritis)
- Hyperventilation, Kußmaul-Atmung (Azidose)
- Magen
- Foetor uraemicus (Urämie)
- Niere
- Flankenklopfschmerz (Nephritis)
- Blase
- Überlaufblase (postrenale Obstruktion)
- Nervensystem
- Sensibilitätsstörungen (Polyneuropathie)
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
EKG
- Zeichen der linksventrikulären Hypertrophie (siehe auch Artikel EKG, Checkliste)
Rö-Thorax
-
Bei klinischem V. a. pulmonale Stauung, Pleuraerguss
Labor
- Allgemeines
- Bei V. a. ein akutes Nierenversagen ist definitionsgemäß neben der Erfassung einer Oligurie die Bestimmung von Kreatinin i. S. entscheidend.
- ergänzende Informationen durch die Urindiagnostik mit Teststreifen/Mikroskopie (z. B. Hämaturie bei Glomerulonephritiden/Vaskulitiden)3
- Bei V. a. chronische Nierenkrankheit ist die Labordiagnostik mitentscheidend zum Nachweis der Erkrankung und zur Risikostratifizierung.
- Beurteilung der Nierenfunktion durch Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR)
- Urindiagnostik auf Hinweise für morphologische Nierenschädigungen (vor allem auch Erfassung und Quantifizierung einer Albuminurie)
- Bei V. a. ein akutes Nierenversagen ist definitionsgemäß neben der Erfassung einer Oligurie die Bestimmung von Kreatinin i. S. entscheidend.
- Blutuntersuchungen
- Blutbild
- eGFR (ml/min/1,73 m2), Kreatinin
- Na, K
- Glukose
- Lipidprofil (Cholesterin, HDL, LDL, Triglyzeride)
- Blutgasanalyse
- Ca, Phospat, Vitamin-D-Spiegel, Parathormon sollten ab CKD-Stadium 4 regelmäßig bestimmt werden.
- Die basale Urindiagnostik besteht aus:
- Urinteststreifen
- ggf. mikroskopische Untersuchung des Urinsediments (bei auffälligem Streifentest)
- Diagnostik einer Proteinurie.
- Urinteststreifen – gibt evtl. erste Hinweise auf einen strukturellen Nierenschaden durch Erfassung von:
- Hämaturie
- Proteinurie: Geringe Albuminausscheidung < 100 mg/l wird durch Routineteststreifen nicht erfasst.
- Harnwegsinfektion
- Mikroskopie
- Gibt z. B. Hinweise auf Glomerulonephritiden, Stoffwechselerkrankungen oder die Pathogenese von Nierensteinen.
- Proteinuriediagnostik
- Untersuchung des Spontanurins, vorzugsweise wird der 2. Morgenurin untersucht.
- Bestimmung des Albumin-Kreatinin/Quotienten (ACR) zur initialen Diagnostik (und für Verlaufskontrollen)
- 24-Stunden-Urin nicht routinemäßig erforderlich
- Bei einer ACR > 30 mg/g (bzw. > 30 mg/24 h) liegt eine Nierenschädigung vor.
Sonografie
- Ausschluss eines Harnaufstaus
Diagnostik bei Spezialist*innen
Labor
- Bei entsprechender Klinik evtl. ergänzend weitere Parameter wie:3
- Komplement (C3, C4)
- ANA
- ANCA
- Anti-Basalmembran-Antikörper
- Anti-ds-DNA-AK
- Proteinelektrophorese
- Immunfixation auf freie Leichtketten.
Bildgebende Verfahren
- Sonografie, Duplex-Sonografie
- MRT, CT
- I. v. Urogramm
- Szintigrafie
- Angiografie
Nierenbiopsie
- Zur Sicherung der Diagnose, sofern sich eine Behandlungskonsequenz ergibt.
- Ist insbesondere bei V. a. immunologische Systemerkrankungen sinnvoll.
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikation zur Krankenhauseinweisung
- Patient*innen mit Verdacht auf oder nachgewiesenem akutem Nierenversagen sollten stationär eingewiesen werden.
- Eine frühzeitige Abklärung ist vor allem hinsichtlich reversibler Ursachen erforderlich.
- Patient*innen mit akutem Nierenversagen sollten durch Messungen des Serumkreatinins und der Urinausscheidung überwacht werden.
Indikation zur Überweisung
- Patient*innen mit leichter – mäßiger Funktionseinschränkung der Niere und/oder leichter – mäßiger Albuminurie können hausärztlich kontrolliert werden.
- Bei höhergradiger Funktionseinschränkung und/oder schwergradiger Albuminurie sollte eine Überweisung zum Nephrologen erfolgen.2,12
- Überweisungsempfehlungen siehe DEGAM-Leitlinie.
- Werden Patient*innen erst im Spätstadium der Erkrankung überwiesen, ist dies mit einer schlechteren Prognose verbunden.
- Eine Überweisung zur Nephrologie sollte angeboten werden:
- bei jeder erstmals festgestellten CKD mit eGFR < 30 ml/min
- bei jeder erstmals festgestellten CKD (eGFR zwischen 30 ml/min und 60 ml/min) und
- persistierender nicht urologisch erklärbarer Hämaturie 2+ oder
- Albuminurie Stadium ≥ A2 oder
- refraktärer Hypertonie mit ≥ 3 Blutdruckmedikamenten.
Therapie
Akutes Nierenversagen
- Prinzipien der Behandlung
- kausale Therapie der entsprechenden Auslöser3
- intravasaler Volumenmangel
- akute Glomerulonephritis und Vaskulitis
- Nierenarterienstenose und -embolie
- postrenales Nierenversagen
- Absetzen nephrotoxischer Substanzen3
- Vermeidung einer Hypotonie3
- kausale Therapie der entsprechenden Auslöser3
- Behandlung von Folgeekrankungen und Komplikationen3
- Volumenexpansion
- Elektrolytentgleisungen
- Urämie
- metabolische Azidose
- Medikamentenüberdosierung
- „Spülen“ der Niere mit großen Infusionsmengen und Gabe von Schleifendiuretika ist obsolet.3
- Patientenindividuelle Entscheidung zum Nierenersatzverfahren, dies betrifft sowohl den Zeitpunkt des Behandlungsbeginns als auch die Art des Nierenersatzverfahrens.
Chronische Nierenkrankheit
- Hausärztliche Maßnahmen können das Fortschreiten einer CKD verlangsamen.
- Die Behandlung einer CKD umfasst ein Bündel von allgemeinen und medikamentösen Maßnahmen.
- Ausführliche Informationen zur Therapie von chronischen Nierenerkrankungen sowie ihrer Begleit- und Folgeerkrankungen finden Sie im Artikel Chronische Nierenkrankheit.
- Maßnahmen zur Behandlung einer Grunderkrankung, Verzögerung der Progression und zur Vermeidung von kardiovaskulären Komplikationen gehen dabei häufig Hand in Hand.
- Desweiteren empfiehlt sich die Beachtung einiger Grundprinzipien:
- keine massive orale Flüssigkeitszufuhr zur Verbesserung der Nierenfunktion
- keine regelmäßige NSAR-Gabe bei chronischer Nierenkrankheit
- Lässt sich eine Progression zur terminalen Niereninsuffizienz nicht vermeiden, sollten Nierenersatzverfahren frühzeitig mit den Betroffenen diskutiert und der günstigste Zeitpunkt patientenindividuell festgelegt werden.
Verlaufskontrolle
Verlaufskontrolle nach akutem Nierenversagen
- Empfehlungen gemäß KDIGO1
- Patient*innen sollen 3 Monate nach einem akuten Nierenversagen kontrolliert werden hinsichtlich:
- Erholung vom akuten Nierenversagen
- Neuauftreten einer CKD
- Progression einer vorbestehenden CKD.
- Hierfür wird die Bestimmung von Serumkreatinin und der Albuminausscheidung empfohlen.
- Patient*innen sollen 3 Monate nach einem akuten Nierenversagen kontrolliert werden hinsichtlich:
Verlaufskontrolle bei chronischer Nierenkrankheit
- Empfehlungen gemäß KDIGO2
- GFR und Albuminausscheidung sollten bei allen CKD-Patient*innen mindestens 1-mal pro Jahr gemessen werden.
- Inwieweit Verlaufskontrollen häufiger durchgeführt werden sollen, hängt neben der klinischen Entwicklung vom Progressionsrisiko ab.
- Bei steigendem Progressionsrisiko werden von KDIGO Verlaufskontrollen 2- bis 4-mal jährlich empfohlen.
- Siehe Tabelle Chronische Nierenerkrankung, Progressionsrisiko und Häufigkeit von Verlaufskontrollen.2
Illustrationen

Urografie der Nieren

Urografie-Übersicht

Urografie der Harnblase

Zeichnung der Niere, Querschnitt

Nieren und Harnwege

Niere − Nebenniere − Harnblase − Harnwege
Quellen
Leitlinien
- Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). Clinical Practice Guideline for Acute Kidney Injury. Stand 2012. www.kdigo.org
- Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Stand 2012. www.kdigo.org
Literatur
- Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). 2012 Clinical Practice Guideline for Acute Kidney Injury. Kidney International Supplements (2012) 2:1-138. kdigo.org
- Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO). 2012 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Kidney International supplements 2013; 3(1): 869-76. kdigo.org
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
- Guido Schmiemann, PD Dr. med. MPH, Facharzt für Allgemeinmedizin, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen (Review)