Ewing-Sarkom

Zusammenfassung

  • Definition:Maligner Tumor, der von vom Neurektoderm abgeleiteten Zellen ausgeht und meist Knochengewebe befällt.
  • Häufigkeit:Jährlich etwa 1 Neuerkrankung auf 1 Mio Einw.
  • Symptome:Meist lokale Schmerzen, im fortgeschrittenen Stadium auch Beeinträchtigung des Allgemeinzustands möglich.
  • Untersuchung:Häufig druckdolente Schwellung der langen Röhrenknochen oder des Beckens.
  • Diagnostik:Radiologische Darstellung des Primärtumors, Biopsie zur Diagnosesicherung und Staging vor Therapiebeginn notwendig. Laborchemisch Anämie und erhöhte BSG, LDH und Inflammationsparameter möglich.
  • Therapie:In der Regel erfolgt eine Chemotherapie in Kombination mit einer Lokaltherapie (bevorzugt chirurgische Resektion, bei Inoperabilität Radiotherapie).

Allgemeine Informationen

Definition

  • Maligner Tumor, der von vom Neurektoderm abgeleiteten Zellen ausgeht.1
  • Meist sind die Knochen betroffen, in erster Linie Becken und Diaphysen der langen Röhrenknochen (Femur, Tibia und Fibula).
    • in 15 % der Fälle reine Weichteilsarkome

Häufigkeit

  • Selten
  • Jährlich etwa 1 Neuerkrankung auf 1 Mio Einw.
  • Zweithäufigster maligner Knochentumor des Kindes- und Jugendalters (nach Osteosarkomen)
  • Alter und Geschlecht
    • Prädilektionsalter im 2. Lebensjahrzehnt, medianes Alter liegt bei 15 Jahren.2
    • Jungen sind häufiger als Mädchen betroffen (1,5:1).

Ätiologie und Pathogenese

  • Eindeutige Ätiologie ist nicht geklärt.
  • Mögliche Ursachen
    • GGAA-Motive (Basen-Sequenzen) in der Promotorregion führen zu Hochregulierung von EGR2 mit nachfolgender Zellproliferation und -wachstum.
    • 13 % der Patient*innen mit Ewing-Sarkom tragen Mutationen bzw. genetische Varianten in DNA-Reparatur-Genen.
    • sehr selten im Rahmen von Tumorprädispositionssyndromen (z. B. Mutation Tumorsuppressorgen p53)
  • Alle Ewing-Sarkome werden histopathologisch als G3 (hochmaligne) klassifiziert.
  • Ohne systemische Behandlung entwickeln über 80 % der Patient*innen Fernmetastasen.
    • Ein Ewing-Sarkom ist somit eine Systemerkrankung.

Prädisponierende Faktoren

  • Ethnie
    • Hellhäutige Menschen sind am häufigsten betroffen, Personen afrikanischer Abstammung am seltensten.

ICPC-2

  • L71 Bösartige Neubildung Knochen

ICD-10

  • C41.9 Bösartige Neubildung: Knochen und Gelenkknorpel, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Anamnese und klinische Untersuchung
    • Leitsymptom lokale Schmerzen, gefolgt von Schwellung und Funktionsverlust
  • Radiologische Diagnostik des Primärtumors
    • Röntgen und MRT
  • Bei anschließendem Verdacht auf Ewing-Sarkom
    • Biopsie
    • bei positiver Biopsie: Staging

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Häufig unspezifische Symptomatik
  • Besonders Beckentumoren sind klinisch lange inapparent.
  • Mögliche Symptome
    • lokale Schmerzen
    • Schwellung
    • teilweise pathologische Fraktur durch inadäquates Trauma3
  • Im fortgeschritteneren Stadium kann der Allgemeinzustand beeinträchtigt sein, evtl. Fieber.
  • B-Symptomatik selten
    • Hinweis auf disseminierte Erkrankung4

Klinische Untersuchung

  • Teilweise sind derbe, unverschiebliche Schwellung palpabel.
  • Mäßig bis stark druckdolent, evtl. auch gerötet

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Labor
    • Auffälligkeiten vor allem bei großen Tumoren
    • erhöhte Serumspiegel für LDH, Ferritin und CRP sowie beschleunigte BSG möglich

Diagnostik bei Spezialist*innen

Primärtumor

  • Radiologisch
    • Projektionsradiografie (konventionelles Röntgen) des betroffenen Knochens mit den angrenzenden Gelenken in 2 Ebenen
      • charakteristisch: Osteolyse, zwiebelschalenartige Abhebung des Periosts und Infiltration des umgebenden Weichgewebes
    • MRT mit Kontrastmittel des gesamten Kompartiments mit Möglichkeit der Volumetrie
      • Erfassung Skip-Metastasen
      • Beurteilung der Tumorausdehnung im Knochenmark- und Weichgewebe
      • Lagebezug zu Gefäßen und Nerven
      • Basis für Verlaufsbeurteilung
      • Volumen des Primärtumors sowie dessen Regression unter Therapie prognostisch relevant
  • Biopsie
    • bioptische Sicherung der Diagnose obligat
      • entweder offene Biopsie oder Stanzbiopsien (möglichst ≥ 16 G) mit Entnahme mehrerer Stanzzylinder
    • Eine erste Gewebsentnahme sollte bereits in einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
  • Histopathologie
    • unter Einbeziehung immunhistochemischer Untersuchungen
    • Eine Mitbeurteilung durch Referenzpathologie gehört wegen der Seltenheit der Erkrankung zum Standard.
    • Bestimmung des Anteils vitaler Tumorzellen nach der Methode von Salzer-Kuntschik (> oder < 10 % vitale Tumorzellen) nach präoperativer Chemotherapie
      • beeinflusst die weitere Therapie und Prognose

Staging

  • CT-Thorax
  • 3-Phasen-Skelettszintigrafie (auch als Ausgangsbefund für die Verlaufsbeurteilung des Tumoransprechens), in jüngster Zeit immer häufiger ersetzt durch die sehr sensitive FDG-PET/CT oder /MRT
  • MRT aller klinisch oder nuklearmedizinisch verdächtigen Regionen
  • Knochenmark-Aspirationen und -Stanzbiopsien aus vom Primärtumor entfernten Regionen
  • Lumbalpunktion bei V. a. intraspinalen Befall

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf die Erkrankung Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Standard: systemische Kombinationschemotherapie in Verbindung mit einer Lokaltherapie
    • meist chemotherapeutische Induktionsphase gefolgt von operativer und/oder radiotherapeutischer Lokaltherapie und anschließender adjuvanter Chemotherapie
  • Angesichts der Seltenheit der Erkrankung sollten die Patient*innen im Rahmen kontrollierter Studien behandelt werden.

Therapieziel

  • Überleben sichern.

Medikamentöse Therapie

  • Deutliche Prognoseverbesserung durch Chemotherapie2
  • Als wichtigste Substanzgruppen gelten alkylierende Substanzen (Ifosfamid, Cyclophosphamid) und Anthrazykline (Adriamycin), gefolgt von Etoposid (VP16), Actinomycin D und Vincaalkaloiden (Vincristin)
    • Kombinationschemotherapien sind Standard.5

Lokaltherapie

  • Chirurgische und radiotherapeutische Optionen
  • Alleinige Radiotherapie wahrscheinlich in Abhängigkeit von der Lokalisation und Größe der Tumoren mit höherem Risiko eines Lokalrezidivs
    • Daher wird heute meist eine Kombination aus Operation und ggf. Bestrahlung des tumortragenden Kompartiments favorisiert.
  • Therapieziel bei Operation
    • vollständige Entfernung des Tumors im Gesunden
  • Radiotherapie
    • Kann grundsätzlich präoperativ, postoperativ oder definitiv als alleinige Lokaltherapie erfolgen.
    • Alleinige Radiotherapie in der Regel nur bei inoperablen Tumoren oder wenn eine onkologisch vollständige Operation zu hohe Morbidität aufweist.
      • In der Regel Dosierungen von 54–60 Gy in Einzelfraktionen von 1,6–2,0; wobei in einigen neueren Untersuchungen Dosiseskalationen bis 70 Gy durchgeführt wurden.
    • In Fällen marginaler oder intraläsionaler Resektion sowie bei histologischem Nachweis ungünstigen Ansprechens ist in der Regel eine postoperative Radiotherapie indiziert.

Sonderfall Lungemetastasen

  • Sofern nach Induktionschemotherapie bildgebend noch residuale Metastasen nachweisbar sind, sollte in der Regel eine Resektion und Exploration des Thorax durchgeführt werden.
  • In Ergänzung zur sonstigen Therapie ist eine Lungenparenchymbestrahlung auch bei vollständiger Remission unter Chemotherapie indiziert.

Verlauf, Komplikationen, Prognose

Verlauf

  • Diagnoseverzögerungen häufig
    • Schmerzsymptomatik nicht selten erstmals nach banalem Trauma und in den ersten Wochen intermittierend und/oder belastungsabhängig imponierend
  • In einzelnen Fällen aggressiver Tumor und akutes Auftreten der Symptome mit Schwellung und Rötung des betroffenen Bereichs

Komplikationen

  • Metastasierung
    • 20–30 % der Patient*innen weisen bei Diagnosestellung Fernmetastasen, meist in Lunge und/oder Skelettsystem, auf.
  • Systemische Manifestationen wie Fieber oder Anämie
  • Sekundärmalignome (Leukämien, Sarkome)
    • in 1–2 % der Fälle
  • Rezidive

Prognose

  • Maßgeblich für die Prognose
    • Vorliegen von Metastasen, Vollständigkeit der Tumorentfernung und Ansprechen auf Induktionstherapie6
  • 5-Jahres-Überlebensrate bei Anwendung einer modernen Kombinationstherapie2,7
    • > 80 % bei lokal begrenzter Erkrankung
    • 20–40 % bei Metastasen generell
    • etwa 20 % bei Vorliegen von extrapulmonalen Metastasen
    • ohne systemische Therapie 10 %
  • Relative 5-Jahres-Überlebensrate
    • Patientenalter > 15 Jahre: 47 %
    • Patientenalter < 15 Jahre: 65 %
  • Rezidivrate
    • in den ersten 3 Jahren nach Diagnosestellung am höchsten
    • Heilungschance im Rezidiv gering mit 2-Jahres-Überleben von etwa 20 %

Nachsorge

  • Ziel: Früherfassung von Rezidiven und Spätfolgen
  • Regelmäßige Suche unter Einsatz adäquater Bildgebung nach Lungen- und Knochenmetastasen sowie Lokalrezidiven
  • Kritische Organe für Spätfolgen (durch Chemotherapie und/oder Bestrahlung) sind Herz, Lunge und Gonaden.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Zur Behandlung wird in der Regel eine Chemotherapie und nach Möglichkeit eine Operation, bei Inoperabilität eine Strahlentherapie durchgeführt.
  • Die Behandlung von Ewing-Sarkomen sollte im Rahmen kontrollierter Studien und in spezialisierten Zentren erfolgen.

Quellen

Literatur

  1. Jedlicka P. Ewing Sarcoma, an enigmatic malignancy of likely progenitor cell origin, driven by transcription factor oncogenic fusions. Int J Clin Exp Pathol 2010; 3(4): 338-347. www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Paulussen M, Bielack S, Jürgens H et. al. Ewing's sarcoma of the bone: ESMO clinical recommendations for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2009; 20: 140-2. PubMed
  3. Widhe B, Widhe T. Initial symptoms and clinical features in osteosarcoma and Ewing sarcoma. J Bone Joint Surg Am 2000; 82:667. PubMed
  4. Bacci G, Longhi A, Ferrari S, et al.. Prognostic factors in non- metastatic Ewing`s sarcoma tumor of bone: an analysis of 579 patients treated at a single institution with adjuvant or neoadjuvant chemotherapy between 1972 and 1998. Acta Oncol 2006; 45: 469-475. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Potratz J, Dirksen U, Jürgens H, et al.. Ewing Sarcoma- Clinical state of the art. Pediatr Hematol Oncol. 2012; 1: 1-11. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Cotterill SJ, Ahrens S, Paulussen M, et al. Prognostic factors in Ewing's tumor of bone: analysis of 975 patients from the European Intergroup Cooperative Ewing's Sarcoma Study Group. J Clin Oncol 2000; 18:3108. PubMed
  7. Granowetter L, Womer R, Devidas M, et al. Dose-intensified compared with standard chemotherapy for nonmetastatic Ewing sarcoma family of tumors: a Children's Oncology Group Study. J Clin Oncol 2009; 27:2536. PubMed

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster

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