Synoviale Chondromatose (SC)

Zusammenfassung

  • Definition:Gutartige, monoartikuläre Proliferation der Synovialis eines Gelenks, einer Bursa oder Sehnenscheide mit kartilaginöser Metaplasie (Knorpelbildung) und später sekundärer Verknöcherung.
  • Häufigkeit:Die primäre synoviale Chondromatose (SC) ist eine seltene Erkrankung der Synovialmembran. Die Ätiologie ist unklar.
  • Symptome:Es kommt über Jahre hinweg zu zunehmenden Beschwerden in einem großen Gelenk, in der Regel in Knie, Hüfte, Ellenbogen oder Schulter, in Form von Schmerzen, Schwellungen und Steifigkeit.
  • Befunde:Klinische Befunde können geschwollene, schmerzende Gelenke mit eingeschränkter Beweglichkeit und selten tastbarer freier Gelenkkörper sein.
  • Diagnostik:Die Röntgenbildgebung kann die Diagnose bestätigen. Im frühen Verlauf sind die Aufnahmen jedoch meist ohne Befund.
  • Therapie:Die Therapie besteht aus der Synovektomie.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Es handelt sich um eine gutartige, monoartikuläre Proliferation der Synovialis eines Gelenks, einer Bursa oder einer Sehnenscheide mit kartilaginöser Metaplasie (Knorpelbildung).1
  • In der Regel sind die großen Gelenke wie Knie (am häufigsten), Hüfte, Ellenbogen und Schulter betroffen, jedoch kann die Erkrankung in jedem Gelenk oder jeder Synovialmembran (z. B. extraartikuläre Bursae) auftreten.
  • Synonyme: synoviale Osteochondromatose, Reichel-Syndrom, synoviale Chondrometaplasie

Unterteilung

  • Primäre synoviale Chondromatose (Morbus Reichel) 
    • kleine, intraartikulär gelegene chondrale Gelenkkörper identischer Größe
  • Sekundäre synoviale Chondromatose
    • intraartikulär gelegene Gelenkkörper unterschiedlicher Größe
    • zudem verschiedene Ossifikationsgrade mit Kalzifikationen und sekundärer Knochenneubildung
    • Die sekundäre synovilae Chondromatose ist eine Folgeerscheinung bei rezidivierenden Traumata und/oder von Osteochondropathien (z. B. bei osteochondralen Läsionen oder Arthrose).
    • Die Erkrankung tritt typischerweise in der 5. und 6. Lebensdekade auf.
    • Ursachen sind Osteoarthritis, Osteochondrosis dissecans, neurogene Arthropathie (Charcot-Gelenke) oder fortgeschrittene Osteonekrose.
  • Bei der sekundären SC zeigen sich oft konzentrische Wachstumsringe im Gegensatz zur primären SC. 
  • Beide o. g. Formen sind meist nur klinisch zu differenzieren.

Häufigkeit

  • Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, und Angaben zur Häufigkeit sind nicht zuverlässig.
  • Die Inzidenz ist bei Männern zwei- bis viermal höher als bei Frauen, und die Erkrankung tritt am häufigsten zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf.
  • Die SC kann jedoch auch im Kindesalter auftreten.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursache der Erkrankung ist aktuell unbekannt.
  • Eine Mutation im Fibronektin-1-Gen (FN1) und/oder im Gen für den Activin-A-Typ-II-Rezeptor (ACVR2A) liegt bei 60 % der Fälle vor.
    • Fibronektine sind Glykoproteine der extrazellulären Matrix und kommen in der Synovialflüssigkeit vor.
    • Activine sind Wachstums- und Differenzierungsfaktoren und sind zur Familie des transformierenden Wachstumsfaktors beta (TGF-β) zugehörig.
  • In der Synovialmembran entstehen Zellen, die keine Synovialflüssigkeit produzieren, sondern ektopen hyalinen Knorpel.
    • Dieser wird als extrazelluläre Matrix sezerniert.
    • Bei Lösen der hyalinen Knorpelaggregate von der Synovialmembran entstehen freier Gelenkkörper im Gelenkspalt.
    • In der Folge entstehen Mineralisierungen.
  • Histopathologisch zeigen sich intrasynoviale, mikronodale, hyaline Knorpelproliferate mit erhaltener kontinuierlicher synovialer Deckzellschicht. Atypien im hyalinen Knorpelgewebe sind nicht nachweisbar.
  • Die Knorpel können sekundär verkalken/verknöchern und sind dann auf Röntgenaufnahmen sichtbar.
  • Im Laufe der Zeit werden die Gelenke aufgrund der Chondrome immer schmerzhafter und schwellen an.
  • Infolgedessen kommt es zu mechanischen Symptomen in Form von eingeschränkter Mobilität, fortschreitenden Knochenschäden und sekundärer Arthrose.
  • Die Entstehung eines Chondrosarkoms ist selten.

Stadieneinteilung nach Milgram

  • Stadium 1: aktive intrasynoviale proliferative Erkrankung ohne freie Gelenkkörper
  • Stadium 2: Übergangsstadium mit sowohl aktiver intrasynovialer Proliferation als auch freien Gelenkkörpern
  • Stadium 3: multiple freie osteochondrale Körper ohne nachweisbare intrasynoviale Erkrankung
  • Der Verlauf der Erkrankung ist variabel. Eine spontane Sistierung ist möglich. Nicht alle Stadien müssen nacheinander durchlaufen werden.

ICD-10

  • D48.- Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens an sonstigen und nicht näher bezeichneten Lokalisationen
  • (D48.1) Synovialmembran

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Anamnese und klassischer Befund beim Röntgen, MRT oder CT

Differenzialdiagnosen

  • Monartikuläre Arthritis
  • Tenosynovialer Riesenzelltumor (TSRZT, ehemals: pigmentierte villonoduläre Synovialitis, PVNS).
  • Lipoma arborescens (LA)
  • Chondrosarkom

Anamnese

  • Es kommt über Monate bis hin zu Jahren zu zunehmenden Beschwerden in einem großen Gelenk, in der Regel in Knie, Hüfte, Ellenbogen oder Schulter.
  • Das Gelenk wird immer schmerzhafter und schwillt an.
  • Weiterhin können Krepitationen und Einklemmungserscheinungen auftreten.
  • Die Beweglichkeit nimmt ab, und es kann zu einer Gelenksperre kommen.

Klinische Untersuchung

  • Geschwollenes und schmerzhaftes Gelenk
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Selten sind freie Gelenkkörper tastbar.
  • Erguss

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Röntgen2-3
    • Im Röntgen lassen sich freie Gelenkkörper nachweisen und Aussagen über den Gelenkstatus treffen.
    • Die Untersuchung hat in der Regel erst im späteren Verlauf diagnostischen Wert und zeigt dann multiple, intraartikuläre, freie Gelenkkörper.
    • Es können degenerative Veränderungen vorliegen.
    • Werden keine freien Gelenkkörper gefunden, ist evtl. nur das Weichteilgewebe geschwollen. In diesem Fall muss die Differenzialdiagnose „tenosynovialer Riesenzelltumor“ abgeklärt werden.
    • Kalzifizierungen zeigen ein ring- oder bogenförmiges („Ring-and-Arc") oder zielscheibenartiges („Target“) Erscheinungsbild.
  • CT2
    • Es können die gleichen Veränderungen wie beim Röntgen nachgewiesen werden, aber gleichzeitig können auch nicht verkalkte freie Gelenkkörper dargestellt werden.
    • Die Computertomografie (CT) ist zur Darstellung von freien Gelenkkörpern am genauesten.
  • MRT2
    • Eine MRT ist evtl. als präoperative Untersuchung geeignet.
    • Eine MRT kann Ergüsse, Veränderungen der Synovialis (hyperintensiv auf T2-gewichteten Aufnahmen mit Verstärkung nach gadoliniumbasiertem Kontrastmittel) und freie Gelenkkörper (isointensiv bis hypointensiv auf T1-gewichteten Aufnahmen, mit Signallücken bei Verknöcherungen) zeigen.

Indikationen zur Überweisung

  • Überweisung an Orthopäd*in zur Therapie oder bei unklaren Gelenkproblemen
  • Eine diagnostische Arthroskopie ist das diagnosesichernde Verfahren.

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Die Therapie besteht aus der Synovektomie.
  • Wird keine vollständige Synovektomie durchgeführt, kommt es häufig zu Rezidiven.4
  • Zur Entzündungshemmung können NSAR-Präparate eingesetzt werden.

Operative Therapie

  • Operative Entfernung der metaplastisch veränderten Synovialmembran in Kombination mit Entfernung sämtlicher freier Gelenkkörper
  • In der Regel minimalinvasiv mittels Arthroskopie5

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Fortschreitender, aber gutartiger Verlauf

Prognose

  • Die Prognose ist gut, und bei den meisten Betroffenen tritt eine Symptomfreiheit ein, auch wenn die Gelenkfunktion nicht in allen Fällen wiederhergestellt werden kann.
  • Eine Entartung zum synovialen Chondrosarkom ist mit einer Häufigkeit von 2–5 % beschrieben. Meistens vergehen hierbei mehr als 10 Jahre.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

  • Synoviale Chondromatose

Illustrationen

Chondromatose
Chondromatose
Chondromatose
Chondromatose

Quellen

Literatur 

  1. Monu JUV. Synovial osteochondromatosis . Medscape, last updated Apr 23, 2015. emedicine.medscape.com
  2. Crotty JM, Monu JU, Pope TL Jr. Synovial osteochondromatosis. Radiol Clin North Am 1996; 34: 327-42. PubMed
  3. Mohana-Borges AV, Chung CB, Resnick D. Monoarticular arthritis. Radiol Clin North Am 2004; 42: 135-49. PubMed
  4. Church JS, Breidahl WH, Janes GC. Recurrent synovial chondromatosis of the knee after radical synovectomy and arthrodesis. J Bone Joint Surg Br 2006; 88: 673-5. PubMed
  5. McCarthy JC, Lee JA. Arthroscopic intervention in early hip disease. Clin Orthop Relat Res 2004; (429): 157-62. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Moussa Antar, MBA, Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Paderborn



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