Zusammenfassung
- Definition:Tumoröse, entzündlich-proliferative Erkrankung der Membrana synovialis.
- Häufigkeit:Sehr selten, Inzidenz von 1,8 je 1 Mio. Personen.
- Symptome:Meist langsam progrediente, unspezifische Beschwerden mit Schmerzen und rezidivierenden Ergüssen des betroffenen Gelenks.
- Befunde:Evtl. Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit oder Blockierung. Manchmal Tumor palpabel.
- Diagnostik:Röntgen, MRT und Biopsie.
- Therapie:Chirurgische Exzision des Gewebes, kombiniert mit adjuvanter Therapie wie z. B. Radiosynoviorthese.
Allgemeine Informationen
Definition
- Synonyme: tenosynovialer Riesenzelltumor, pigmentierte villonoduläre Synovialitis (PVNS)
- Tumoröse, entzündlich-proliferative Erkrankung der Membrana synovialis
Formen
- Noduläre/lokalisierte Form: gut abgegrenzt, ohne Beteiligung des umgebenden Gewebes
- Diffuse Form: Kleidet die Gelenkskapsel rasenförmig gleichmäßig aus mit vereinzelter Zottenbildung, lokal destruierendes Wachstum.
Häufigkeit
- Sehr selten, Inzidenz von 1,8 je 1 Mio. Personen
- Alter und Geschlecht1
- Durchschnittsalter bei Diagnosestellung 36 Jahre
- Frauen etwas häufiger betroffen (Verhältnis w:m = 1,35:1)
- Lokalisation1
- 74 % Knie
- 18 % Hüfte
- Rest andere Gelenke oder extraartikuläre Strukturen
- Form
- Verhältnis diffus zu = nodulär 3:1
Ätiologie und Pathogenese
- Entzündliche Schwellung der Synovia mit histologisch nachweisbaren Hämosiderinablagerungen und mehrkernigen Riesenzellen
- Ätiologie bislang ungeklärt
- Innerhalb einer PVNS überexprimieren einige Zellen den koloniestimulierenden Faktor‑1 (CSF1).
- möglicher Angriffspunkt für Antikörpertherapie
- Generell kann jede Struktur mit ausgebildeter Membrana synovialis betroffen sein.
- Diffuse Form breitet sich lokal infiltrierend aus und zerstört durch ihr aggressives Wachstum umliegendes Gewebe wie Weichteile und Knochen.
Prädisponierende Faktoren
- Evtl. vorangehendes Gelenktrauma mit Hämarthros
ICPC-2
- L99 Andere Muskel-Skelett-Erkrankungen
ICD-10
- M12.2 Villonoduläre Synovialitis (pigmentiert)
Diagnostik
Differenzialdiagnosen
Anamnese
- Meist langsam progrediente, unspezifische Beschwerden mit Schmerzen und rezidivierenden Ergüssen des betroffenen Gelenks
- Bewegungseinschränkungen durch Tumor oder Erguss möglich
Klinische Untersuchung
- Inspektion
- manchmal Gelenkschwellung
- Palpation
- teilweise Tumor tastbar
- Funktion
- bei Überprüfung der Gelenkfunktion oft Einschränkung des Bewegungsausmaßes oder Blockierung durch Tumor
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Röntgen des Gelenks in 2 Ebenen
- Standard zur Differenzialdiagnostik
- MRT ist die Bildgebung der Wahl, optimalerweise mit Kontrastmittel.
- Cave: Bildgebung und Histopathologie der PVNS stimmten in einer Studie nur in 71 % überein, d. h. in 29 % der Fälle wurde eine radikale Synovektomie vorgenommen, obwohl keine PVNS vorlag.
- Daher sollte im Zweifelsfall präoperativ eine Biopsieentnahme erfolgen.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung Überweisung an Orthopäd*in
Therapie
Therapieziel
- Vollständige Entfernung des pathologischen Gewebes
Allgemeines zur Therapie
- Operative Entfernung des Tumors in Kombination mit adjuvanter Therapie (Radiosynoviorthese, perkutane Radiotherapie und/oder Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib)
Chirurgische Therapie
- Abhängig von der Tumorausbereitung wird eine arthroskopische oder offene chirurgische Therapie mit dem Ziel der möglichst vollständigen Resektion angestrebt.
- bei lokaler Form oft Arthroskopie möglich, bei diffuser Form vorzugsweise offenes Vorgehen
Medikamentöse Therapie
- Radiosynoviorthese (RSO) mit 90-Yttrium
- In der Regel erfolgt etwa 6 Wochen nach Entfernung der Synovia die Injektion von 90-Yttrium (β-Strahler) durch Nuklearmediziner*in.
- Voraussetzung hierfür ist jedoch ein geschlossener Bereich (z. B. innerhalb einer Gelenkkapsel; nicht entlang von Sehnen) und eine vollständige makroskopische Entfernung der Läsion, da die β‑Strahlen in ihrer Reichweite begrenzt sind und daher größere Tumormassen nicht durchdringen können.
- Perkutane Radiotherapie
- Falls RSO nicht möglich ist, z. B. bei extraartikulärem Befall.
- Imatinib
- Imatinib blockiert kompetitiv und selektiv Tyrosinkinasen, wie den koloniestimulierenden Faktor-1, der vermehrt bei der PVNS exprimiert wird.
- Cave: Datenlage gering!
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Durchschnittliche Dauer von Symptombeginn bis Diagnosestellung 18 Monate1
- Bei diffuser Form lokal destruierendes Wachstum mit zunehmender Schädigung umgebener Strukturen
Komplikationen
- Rezidiv
- Bewegungseinschränkung durch Gelenkerguss und Tumor
- Zerstörung umgebender Strukturen bei diffuser Form
Prognose
- Trotz adäquater Therapie hohe Rezidivraten1
- Kniegelenk mit deutlich höherer Rezidivrate als Hüftgelenk
- am Kniegelenk 24 %, am Hüftgelenk 7 %
- keine wesentlichen Unterschiede zwischen offenem und arthroskopischem Vorgehen (Rezidivrate offen 20,93 %, arthroskopisch 19,44 %)
- Kniegelenk mit deutlich höherer Rezidivrate als Hüftgelenk
Quellen
Literatur
- Xie GP, Jiang N, Liang CX, et al. Pigmented villonodular synovitis: a retrospective multicenter study of 237 cases. PLoS One 2015; 10(3): e121451. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster