Fallot-Tetralogie

Zusammenfassung

  • Definition:Bei der Fallot-Tetralogie handelt es sich um einen kombinierten angeborenen Herzfehler mit Ventrikelseptumdefekt, Pulmonalstenose, überreitender Aorta und Rechtsherzhypertrophie.
  • Häufigkeit:Häufigster zyanotischer Herzfehler. Prävalenz 2.7/100.000 Lebendgeborene.
  • Symptome:Bereits in der Neonatalperiode auftretende Zyanose, Gedeihstörung.
  • Befunde:Zyanose, systolisches Herzgeräusch im 2.- bis 3.-Interkostalraum links parasternal.
  • Diagnostik:Diagnosestellung erfolgt durch Echokardiografie.
  • Therapie:Chirurgische Korrektur des Herzfehlers. Katheteterinterventionen und medikamentöse Behandlung dienen der Stabilisierung bis zur definitiven Korrektur.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Fallot-Tetralogie ist ein angeborener Herzfehler mit vier gleichzeitig bestehenden strukturellen Veränderungen:
    1. subvalvuläre Pulmonalstenose
    2. Ventrikelseptumdefekt (VSD)
    3. reitende Aorta über dem VSD
    4. Rechtsherzhypertrophie (durch die Druckbelastung)

Häufigkeit

  • Häufigster zyanotischer angeborener Herzfehler
  • Prävalenz 2,7/10.000 Lebendgeborene
    • 2,5 % aller angeborenen Herzfehler
    • 6–15 % aller klinisch signifikanten angeborenen Herzfehler1
  • Jungen zu Mädchen ca. 1,4:1

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

  • Bei der Mehrzahl der angeborenen Herzfehler wird eine multifaktorielle Ätiologie angenommen.
    • Interaktion zwischen genetischer Disposition und Umweltfaktoren
  • Bis zu 32 % der Patienten mit Fallot-Tetralogie weisen chromosomale Aberrationen wie Trisomie 21 oder Mikrodeletion 22q11.2 auf.2

Pathophysiologie

  • Der Schweregrad des Krankheitsbildes ist vor allem vom Ausmaß der Pulmonalstenose bestimmt.
  • Durch die Druckerhöhung im rechten Ventrikel in Kombination mit dem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und der überreitenden Aorta kommt es zu einem Rechts-Links-Shunt.
  • Hierdurch entsteht eine Zyanose.
  • Der pulmonale Blutfluss ist vermindert, bei hochgradiger Pulmonalstenose (oder Atresie) ist die Lungenperfusion über einen offenen persistierenden Ductus arteriosus (PDA) lebenserhaltend.
  • Die Fallot-Tetralogie kann mit weiteren Herzfehlern vergesellschaftet sein (z. B. rechtsseitiger Aortenbogen, Vorhofseptumdefekt (ASD), Koronaranomalien).

Prädisponierende Faktoren

ICD-10

  • Q21 Angeborene Fehlbildungen der Herzsepten
    • Q21.3 Fallot-Tetralogie

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Darstellung der vier den Herzfehler definierenden strukturellen Veränderungen (Pulmonalstenose, VSD, reitende Aorta, Rechtsherzhypertrophie)
  • Diagnosestellung erfolgt mittels Echokardiografie.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Pränatale Diagnostik?
    • Trotz des fetalen Screenings auf Organmalformationen werden Herzfehler häufig nicht erkannt.
    • In einem Register liegt die pränatale Diagnose einer Fallot-Tetralogie nur bei 8 %. 
  • Schwangerschaft
  • Zyanose
    • früh nach der Geburt oder nach freiem Intervall („Late Onset")
    • permanent oder nur bei Erregung/Schreien (hypoxämischer Anfall)
  • Trinkschwierigkeiten/Gedeihstörungen

Klinische Untersuchung

  • Leitsymptome sind Zyanose und ein systolisches Herzgeräusch.
  • Zyanose
    • beim Neugeborenen oft erst bei O2-Sättigung < 80 % erkennbar
  • Auskultation (siehe auch Artikel Herzgeräusche bei Kindern)
    • Systolikum 3/6–5/6 mit p. m. über 2.–3. ICR links und Fortleitung zum Rücken, 
    • singulärer 2. HT (wegen abgeschwächtem Pulmonalklappenschluss)
  • Hypoxämischer Anfall (ausgelöst z. B. durch Schreien, Blutentnahme, Fieber)
    • Zunahme der Zyanose
    • Systolikum wird leiser (Zunahme der Obstruktion mit geringerem Fluss im Ausflusstrakt).
    • Tachykardie
    • blass-graues Hautkolorit
    • evtl. zerebrale Krämpfe, Bewusstseinsverlust

Pulsoxymetrie als Screeningverfahren

  • Pulsoxymetrie während der ersten 24 Stunden postnatal mit hoher Sensitivität und Spezifität in der Erkennung zyanotischer Herzfehler
  • Bei Werten < 96 % weitere Abklärung notwendig

Diagnostik beim Spezialisten

Echokardiografie

  • Die Echokardiografie ist das entscheidende Verfahren zur Diagnosestellung und präoperativen/-interventionellen Planung.
  • Folgende Befunde sollten erhoben werden:
    • Pulmonalklappe, Bifurkation und zentrale Pulmonalarterien
    • Ausmaß der Pulmonalstenose
    • Perfusion der Pulmonalarterien (Ductus arteriosus oder zusätzlich multifokal über aortopulmonale Kollateralen)
    • Darstellung VSD
    • Darstellung der überreitenden Aorta, Anomalien des Aortenbogens
    • Koronaranomalien
    • weitere Anomalien wie ASD, AVSD, linkspersistierende obere Hohlvene.

EKG

  • zur Diagnosestellung nicht erforderlich, präoperativ als Ausgangsbefund

Labor

  • Für die Diagnostik unerheblich

Rö-Thorax

  • Zur Diagnosestellung nicht erforderlich
  • Ausschluss extrakardialer Ursachen

MRT/CT

  • Für die Diagnostik nicht von Bedeutung

Herzkatheteruntersuchung

  • Keine routinemäßige Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung
  • Indiziert bei Verdacht auf aortopulmonale Kollateralen, anomalen Abgang der Pulmonalarterie, Verdacht auf einen anomalen Verlauf der Koronararterien

Indikationen zur Überweisung

  • Eine Überweisung zur Pädiatrie sollte erfolgen bei:

Checkliste zur Überweisung

Herzgeräusche beim Kind

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Behandlung? Sonstiges?
  • Anamnese
  • Klinische Untersuchung
    • Allgemeinzustand?
    • Zyanose, Tachypnoe, Ödeme
    • Blutdruckdifferenz Arme/Beine
    • palpables Schwirren über Thorax, Lebervergrößerung
    • Herzgeräusch: zeitliches Auftreten innerhalb des Herzzyklus, Dauer, Frequenz, Klangcharakter, Punctum maximum, Fortleitung
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziele

  • Ziel ist die anatomische Korrektur des Herzfehlers mit:
    • VSD-Verschluss
    • Beseitigung der rechtsventrikulären Ausflusstraktobstruktion.

Allgemeines zur Therapie

  • Zur Behandlung stehen zur Verfügung:
    • Medikamente
    • operative Verfahren
    • katheterinterventionelle Verfahren

Medikamentöse Therapie

  • Zur Überbrückung bis zu einem operativen oder katheterinterventionellen Eingriff können verabreicht werden:
    • bei Ductusabhängigkeit der Lungendurchblutung Prostaglandin E1 zum Offenhalten des Ductus
    • Betablocker (Propanolol) zur hämodynamischen Verminderung der rechtsventrikulären Ausflusstraktobstruktion.

Operative Verfahren

Korrektur-OP (VSD-Verschluss, Erweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstrakts)

  • Wenn möglich, elektive Korrektur-OP zwischen 4. und 12. Monat
  • Bei ausgeprägter Zyanose OP auch im Neugeborenenalter, allerdings mit erhöhter Mortalität

Palliative OP

  • Zur Verbesserung der Lungendurchblutung bis zur definitiven Korrektur können palliative Voroperationen durchgeführt werden:
    • modifizierter Blalock-Taussig-Shunt (aortopulmonaler Shunt)4
    • Patcherweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstrakts

Katheterinterventionelle Verfahren

  • Auch durch Katheterinterventionen kann palliativ die Lungendurchblutung verbessert werden.
    • Stentimplantation im Bereich des Ductus arteriosus bei Neugeborenen
    • Stentimplantation in den rechtsventrikulären Ausflusstrakt

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Komplikationen im postoperativen Verlauf sind vor allem:
    • Pulmonalklappeninsuffizienz und/oder
    • Stenose im rechtsventrikulären Ausflusstrakt
    • Herzrhythmusstörungen 

Prognose

  • Unbehandelt Überlebensrate nach 10 Jahren nur ca. 30 %
    • 95 % der Patienten versterben vor dem 40. Lebensjahr.5
  • Bei elektiver Korrektur-OP perioperative Mortalität < 1 %5
  • Recht gute Langzeitprognose mit 35-Jahres-Überleben von ca. 85 %5
  • Die Patienten weisen im Verlauf ein erhöhtes Risiko für supraventrikuläre Arrhythmien und ventrikuläre Arrhythmien/plötzlichen Herztod auf.6-8
  • Möglicherweise kann künftig die individuelle Prognose mithilfe von künstlicher Intelligenz besser eingeschätzt werden.9

Verlaufskontrollen

  • Jährliche Kontrolluntersuchungen sind empfohlen.
    • EKG (QRS-Breite! Cave: Zunahme der QRS-Breite um mehr als 3,5 msec/Jahr oder > 180 msec!)
    • Echokardiografie
  • Langzeit-EKG bei asymptomatischen Patienten > 10 Jahre mindestens alle 3 Jahre
  • MRT bei zunehmender RV-Vergrößerung und bedeutsamer Insuffizienz der Pulmonalklappe
  • Spiroergometrie ab einem Alter von 10 Jahren mindestens alle 5 Jahre (Leistungseinschränkung wird von Patienten subjektiv nicht erfasst)

Behandlung im Erwachsenenalter (EMAH = Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern)

  • Die Mehrzahl der EMAH-Patienten sind primär in hausärztlicher und allgemeininternistischer/kardiologischer Behandlung.10
    • Je nach Komplexität des zugrunde liegenden Herzfehlers regelmäßige oder bedarfsadaptierte Vorstellung in einem spezialisierten Zentrum bzw. bei einem Kardiologen
  • Eine gute Kommunikation zwischen Hausärztin/Hausarzt, niedergelassenen Kardiologen und EMAH-Zentrum sind für eine optimale Behandlung erforderlich.10

Mögliche Komplikationen der Fallot-Tetralogie im Erwachsenenalter

Hausärztliche Verlaufskontrollen

  • Hausärztliche Verlaufskontrollen sollten umfassen:
    • Anamnese hinsichtlich Veränderungen von Symptomatik und körperlicher Belastbarkeit
    • klinische Untersuchung auf:
    • EKG (siehe auch Checkliste EKG)
    • bei V. a. Arrhythmien evtl. ergänzend Langzeit-EKG
    • Belastungstests eher durch Spiroergometrie beim EMAH-Spezialisten

Mögliche sportliche Aktivitäten

Klassifizierung sportlicher Aktivitäten

  • Gruppe 1: hohe dynamische und hohe statische Belastung
    • Abfahrtsskilauf, Boxen, Eisschnelllauf, Fechten, Ringen, Rudern, Rennradfahren
  • Gruppe 2: hohe dynamische und geringe statische Belastung
    • Ballsportarten (Fußball, Volleyball, Handball, Hockey, Tennis, Basketball, Badminton), Laufen (kein Sprint), Radfahren, Tanzen, Schwimmen, Skilanglauf, Skaten, Tischtennis
  • Gruppe 3: hohe statische und geringe dynamische Belastung
    • Bogenschießen, Bodybuilding, Geräteturnen, Gewichtheben, Reiten (Galopp und Dressur), Segeln, Surfen, Skispringen, Tauchen, Wasserski
  • Gruppe 4: geringe dynamische und geringe statische Belastung
    • Wandern, Golfen, Kegeln, Bowling, Billard, Schießen, Eisstockschießen (Curling), ggf. Gymnastik mit geringer Intensität
  • Gruppe 5: Klassifikation nicht möglich
    • Turnen, Gymnastik, Ballett (Koordination und Flexibilität im Vordergrund, je intensiver das Training, desto höher die statische Belastung)

Sportliche Aktivitäten bei Fallot-Tetralogie

  • Sport möglich in den Gruppen 2, 4 und 5 unter folgenden Voraussetzungen:
    • unauffälliges 24-Stunden-EKG
    • normale Belastungsuntersuchungen
    • Druck in der rechten Herzkammer unter 40 mmHg
    • keine bedeutsame Undichtigkeit der Pulmonalklappe (Pulmonalklappeninsuffizienz)
    • kein oder nur geringer Restshunt (VSD).
  • Sport aus der Gruppe 2, 4 oder 5 nicht als Wettkampf, sondern nur als lockere Freizeitbeschäftigung unter folgenden Voraussetzungen:
    • systolischer Druck in der rechten Herzkammer > halber systolischer Blutdruck
    • erhebliche Pulmonalklappeninsuffizienz.
  • Kein Sport:
    • bei belastungsabhängigen Herzrhythmusstörungen.

Risiko in der Schwangerschaft

  • Bei den meisten Patientinnen mit angeborenem Herzfehler ist eine Schwangerschaft möglich, es bedarf aber einer vorherigen Beratung und Risikostratifizierung.
  • Eine korrigierte Fallot-Tetralogie ohne Residualläsion wie schwere Pumonalklappeninsuffizienz oder rechtsventrikuläre Dysfunktion gehört zu den Herzfehlern mit niedrigem Risiko für kardiale Komplikationen/Tod (> 1 ‰ und < 1 %).

Endokarditisprophylaxe

  • Eine Endokarditisprophylaxe ist indiziert bei:10
    • nicht korrigierten Patienten
    • Patienten 6 Monate nach der Korrekturoperation
    • Patienten mit operativem oder interventionellem Pulmonalklappenersatz

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Fallot-Tetralogie
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Das Herz
 
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Quellen

Literatur

  1. Apitz C, Webb GD, Redington AN. Tetralogy of Fallot. Lancet 2009; 374: 1462-71. PubMed
  2. Bassett AS, Chow EW, Husted J, Weksberg R, Caluseriu O, Webb GD, Gatzoulis MA. Clinical features of 78 adults with 22q11 deletion syndrome. Am J Med Genet A 2005;138:307-313 PubMed
  3. Bhimji S. Tetralogy of Fallot in adults. Medscape, updated Nov 13, 2018. Zugriff 21.03.2020. emedicine.medscape.com
  4. Yuan SM, Shinfeld A, Raanani E. The Blalock-Taussig shunt. J Card Surg 2009;24:101-108. PubMed
  5. Baumgartner H, Bonhoeffer P, De Groot N, et al. ESC Guidelines for the management of grown-up congenital heart disease (new version 2010): the Task Force on the Management of Grown-up Congenital Heart Disease of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2010;31:2915–57. www.escardio.org
  6. Gatzoulis MA, Balaji S, Webber SA, Siu SC, Hokanson JS et al. Risk factors for arrhythmia and sudden cardiac death late after repair of tetralogy of Fallot: a multicentre study. Lancet 2000; 356: 975-81. PubMed
  7. Daliento L. Total correction of tetralogy of Fallot: late clinical follow-up. Ital Heart J 2002; 3: 24-7. PubMed
  8. Therrien J, Marx GR, Gatzoulis MA. Late problems in tetralogy of Fallot--recognition, management, and prevention. Cardiol Clin 2002; 20: 395-404. PubMed
  9. Diller G, Orwat S, Vahle J, et al. Prediction of prognosis in patients with tetralogy of Fallot based on deep learning imaging analysis. Heart 2020. doi:10.1136/heartjnl-2019-315962 DOI
  10. Diller GP, Breithardt G, Baumgartner H. Congenital heart defects in adulthood. Dtsch Arztebl Int 2011; 108: 452-459. doi:10.3238/arztebl.2011.0452 DOI

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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