Zusammenfassung
- Definition:Postnatal persistierende Gefäßverbindung zwischen der Pulmonalarterienbifurkation und dem distalen Aortenbogenbereich unmittelbar nach dem Abgang der linken Arteria subclavia.
- Häufigkeit:Inzidenz ca. 1:2000 Geburten bzw. 5–10 % aller angeborenen Herzfehler. Gehäuftes Auftreten bei Frühgeborenen.
- Symptome:Kleine Shunts asymptomatisch. Bei großen Shunts Symptome der Linksherzinsuffizienz durch Volumenüberlastung. Im Verlauf bei pulmonaler Hypertonie auch Symptome der Rechtsherzinsuffizienz.
- Befunde:Systolisch-diastolisches Geräusch. Hebender Herzspitzenstoß. Große Blutdruckamplitude bei niedrigem diastolischem Blutdruck.
- Diagnostik:Nachweis durch Echokardiografie. Beurteilung der hämodynamischen Relevanz durch Zusammenschau von Klinik, Echokardiografie und Labor.
- Therapie:Verschluss des Ductus durch Medikation (Indomethacin, Ibuprofen), chirurgische Ligierung oder katheterinterventionellen Verschluss.
Allgemeine Informationen
Definition
- Postnatal persistierende Gefäßverbindung zwischen der Pulmonalarterienbifurkation und dem distalen Aortenbogenbereich unmittelbar nach dem Abgang der linken Arteria subclavia
- Atypische Lokalisationen möglich bei komplexen Herzfehlern, Aortenbogenanomalien und Gefäßschlingen
Häufigkeit
- Inzidenz ca. 1:2000 Geburten1
- Anteil von ca. 5–10 % der angeborenen Herzfehler1
- Starke Häufung bei Frügeborenen (20–60 %)2
- Inzidenz über 30 % bei Geburtsgewicht < 1.500 g
- Inzidenz 50–70 % bei Geburtsgewicht < 1.000g
- Verhältnis weiblich zu männlich ca. 2:11
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
- PDA am häufigsten bei Frügeborenen aufgrund fehlender Ausreifung1
- Bei reifen Neugeborenen teilweise durch genetische Ursachen bedingt1
- genaue Mechanismen bislang nicht geklärt
- gehäuftes Auftreten bei einigen genetischen Syndromen, z. B. Trisomie 21
Pathophysiologie
- Pränatal Fluss von ca. 90 % des rechtsventrikulären Schlagvolumens von der Pulmonalarterie via Ductus arteriosus in die Aorta und schließlich in die Plazenta für den Gasaustausch2
- Offener Ductus arteriosus noch physiologische Shuntverbindung in den ersten 3 Tagen bei gesunden Neugeborenen
- Postnataler Verschluss reguliert durch Sauerstoff und vasoaktive Faktoren
- Reaktion des Ductus abhängig von der Reife des Kindes
- Postnatal Abfall des pulmonalen Gefäßwiderstands mit Umkehrung des Rechts-Links-Shunts in einen Links-Rechts-Shunt
- Größe des Shunts abhängig vom:1
- Flusswiderstand des PDA, dieser wird bestimmt vor allem durch
- Länge
- engsten Diameter
- Gestalt
- Elastizität der Ductuswand
- Druckgradient zwischen Aorta und Pulmonalarterie.
- Flusswiderstand des PDA, dieser wird bestimmt vor allem durch
- Hämodynamische Folgen des Links-Rechts-Shunts durch den PDA
- Volumenbelastung und Größenzunahme der linken Herzhöhlen
- diastolische Hypoperfusion der durch den Systemkreislauf versorgten Organe
- Hyperperfusion der Lungenarterien, Steigerung des Gefäßwiderstands mit Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie
- Kompensationsmechanismen des linken Ventrikels1
- Vergrößerung des Schlagvolumens
- LV-Hypertrophie
- Verstärkte sympathische Aktivität mit Erhöhung von:1
- Kontraktilität
- Herzfrequenz
- Evtl. Entstehung einer subendokardialen Ischämie durch:1
- erniedrigten diastolischen Druck
- verkürzte Diastole durch Tachykardie
- erhöhte Wandspannung des dilatierten linken Ventirkels
- erhöhten Sauerstoffbedarf
Klassifikation
- Klassifikation auf der Basis klinischer, hämodynamischer und echokardiografischer Kriterien
- Gruppe 1: klein, hämodynamisch unbedeutend, nicht auskultierbar („Silent Duct")
- Gruppe 2: klein, hämodynamisch unbedeutend, auskultierbar
- Gruppe 3: hämodynamisch bedeutend mit systolisch-diastolischem Herzgeräusch, mit oder ohne klinische Herzinsuffizienzzeichen
- Gruppe 4: groß mit pulmonaler Hypertonie/Widerstandserhöhung
Prädisponierende Faktoren
- Frühgeburt
- Rötelninfektion im ersten Schwangerschafts-Trimester (insbesondere in den ersten 4 Wochen)1
- 80 % der Frügeborenen mit Respiratory Distress Syndrome haben persistierenden Ductus arteriosus, möglicherweise aufgrund erhöhter Prostaglandinspiegel2
- Aufenthalt in großer Höhe bei Geburt2
ICD-10
- Q25 Angeborene Fehlbildungen der großen Arterien
- Q25.0 Offener Ductus arteriosus
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Verdachtsdiagnose durch klinischen Befund, Nachweis des PDA durch Echokardiografie
- Ziele der Diagnostik sind:
- Darstellung der Ductus-Anatomie
- Evaluation der hämodynamischen Auswirkungen
- Ausmaß des Shunts
- pulmonalarterieller Druck
- Vor allem bei Frühgeborenen Beurteilung der hämodynamischen Relevanz in Zusammenschau klinischer, echokardiografischer, radiologischer und laborchemischer Kriterien
- klinische Kriterien
- systolisches bzw. systolisch/diastolisches Herzgeräusch (Fehlen schließt PDA nicht aus!3)
- hyperaktives Präkordium
- kräftige periphere Pulse
- große Blutdruckamplitude
- fehlende Besserung oder Verschlechterung der respiratorischen Situation
- echokardiografische Kriterien
- Bestätigung (oder Ausschluss) des klinischen Verdachts auf PDA
- Quantifizierung des Shunts
- Ausschluss/Nachweis weiterer Fehlbildungen
- Verlaufsbeurteilung (z. B. Spontanverschluss, Erfolg von Interventionen)
- radiologische Kriterien (Rö-Thorax fakultativ)
- verstärkte Lungengefäßzeichnung
- Lungenödem
- Kardiomegalie
- laborchemische Kriterien
- Bestimmung von BNP bzw. NT-proBNP zur Beurteilung der Linksherzbelastung
- prognostische Bedeutung hinsichtlich der Therapiebedürftigkeit
- Bestimmung von BNP bzw. NT-proBNP zur Beurteilung der Linksherzbelastung
- klinische Kriterien
Differenzialdiagnosen
- Aortopulmonales Fenster
- Aortopulmonale Kollateralen
- Arteriovenöse Fisteln, Koronararterienfisteln
- Kombiniertes Aortenvitium
- Truncus arteriosus communis mit Trunkusklappeninsuffizienz
- Rupturiertes Sinus-valsalva-Aneurysma
Anamnese
- Familienanamnese: In Familien mit einem Geschwister mit PDA beträgt das Risiko für weiteren Nachwuchs 3 %.1
- Röteln in der Schwangerschaft (erstes Trimester)?
Klinische Untersuchung
- Systolisches oder systolisch-diastolisches Geräusch
- Präkordiales Schwirren
- Hebender Herzspitzenstoß
- Kräftige periphere Pulse
- Große Blutdruckamplitude bei niedrigem diastolischem Druck
- Zeichen der Herzinsuffizienz
- Tachypnoe
- Tachykardie
- Lungenstauung
- Hepatomegalie
- Gedeihstörung
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- EKG bei älteren Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen mit V. a. PDA
Diagnostik beim Spezialisten
- Echokardiografie
- entscheidendes diagnostisches Verfahren für PDA-Nachweis und Beurteilung von:
- der aortopulmonalen Druckdifferenz
- der Shuntgröße
- dem pulmonalarteriellen Druck
- der Größe und Funktion des linken Ventrikels.
- routinemäßige Echokardiografie bei Frühgeborenen wegen hoher Inzidenz und unzureichender Sensitivität der klinischen Untersuchung3
- entscheidendes diagnostisches Verfahren für PDA-Nachweis und Beurteilung von:
- EKG
- Zeichen der Linksherzbelastung bei hämodynamisch relevantem PDA
- evtl. Zeichen der Rechtsbelastung als Hinweis auf pulmonale Hypertonie
- Röntgen-Thorax
- im Allgemeinen nicht notwendig
- Herzvergrößerung und verstärkte Lungengefäßzeichnung
- Herzkatheter
- im Allgemeinen zur Diagnosestellung nicht indiziert
- im Einzelfall für die
- Darstellung der Anatomie bei sehr großem Ductus
- weitere Abklärung bei pulmonaler Hypertonie.
- MRT/CT
- Darstellung der Anatomie bei größeren Kindern/Jugendlichen
- Labor
- BNP, NT-proBNP als Marker der Herzinsuffizienz
- evtl. metabolische Azidose in der arteriellen Blutgasanalyse
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
- Kardial dekompensiertes und/oder zyanotisches Kind
Indikationen zur Überweisung an Kinderkardiologen
- Klinisch kompensiertes Kind mit Herzgeräusch, das den V. a. angeborenen Herzfehler begründet (siehe auch Artikel Herzgeräusche bei Kindern).
Therapie
Therapieziele
- Verschluss eines hämodynamisch relevanten PDA zur Vermeidung der Folgeschäden (Herzinsuffizienz) und Normalisierung der Prognose
Allgemeines zur Therapie
- Bei Frühgeborenen medikamentöser Therapieversuch mit COX-Inhibitoren (Indometacin oder Ibuprofen)
- Ansonsten ist die Art der Behandlung abhängig von der Klassifikation des PDA (s. o.) und vom Alter des Kindes.
- Gruppe 1
- kleiner „Silent Duct“ ohne Notwendigkeit für Therapie und Verlaufskontrolle
- Sehr geringes Endarteriitisrisiko
- Gruppe 2
- bei hämodynamisch nicht relevantem PDA Verschluss im Säugligsalter nicht notwendig
- häufig noch Spontanverschluss im weiteren Verlauf
- evtl. katheterinterventioneller Verschluss zu späterem Zeitpunkt
- Gruppe 3
- Ein hämodynamisch relevanter PDA sollte verschlossen werden.
- ohne Herzinsuffizienzzeichen/ohne pulmonale Hypertonie: nach dem 1. Lebenshalbjahr
- mit Herzinsuffizienzzeichen: nach Diagnosestellung
- Ein hämodynamisch relevanter PDA sollte verschlossen werden.
- Gruppe 4
- Bei einem Ductus mit pulmonaler Hypertonie ab dem 7. Lebensmonat ist vor dem Verschluss eine Abklärung des pulmonalen Widerstands notwendig.
- Gruppe 1
Medikamentöse Therapie
- Für den medikamentösen Verschluss eines PDA werden COX-Inhibitoren eingesetzt.
- Indometacin (langjährige Erfahrung seit 1976)
- Ibuprofen (Einsatz in Europa seit 1995),4
- Beide Substanzen sind gleich effektiv.5
- Verschlussraten von 75–93 %3
- Gefahr von Oligurie/Kreatininanstieg unter Ibuprofen geringer5
- Die hochdosierte orale Gabe von Ibuprofen ist möglicherweise effektiver als intravenöse Standarddosierungen von Ibuprofen oder Indometacin.6
Chirurgische Behandlung
- Chirurgische Ligatur des PDA wurde als erste Verschlussmethode etabliert (13 Jahre vor medikamentösem Verschluss).
- Hohe Erfolgsrate von 94–100 %1
- Heutzutage vor allem „Rescue-Therapie“ bei erfolgloser medikamentöser Behandlung
Katheterinterventionelle Behandlung
- Methode der Wahl jenseits des Früh- und Neugeborenenalters
- Verschluss mit Coils oder Okkludern, zahlreiche unterschiedlich konfigurierte Systeme verfügbar1
- Verschlussrate nahezu 100 % ein Jahr postinterventionell
Prävention
- Eine generelle Endokarditisprophylaxe wird für Personen mit unbehandeltem PDA heutzutage nicht mehr empfohlen.
- Alle operativ oder interventionell unter Verwendung von prothetischem Material behandelten Herzfehler sollten in den ersten 6 Monaten eine Endokarditisprophylaxe erhalten.
- bei Restshunt mit turbulentem Fluss auch darüberhinaus
- Für ungeimpfte Frauen im gebärfähigen Alter (oder mit unklarem Impfstatus) zweimalige Schutzimpfung gegen Röteln empfohlen (MMR-Impfstoff), um einer Erkrankung während der Schwangerschaft vorzubeugen. Einmalig geimpfte Frauen sollen eine zweite Impfdosis erhalten.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf und Komplikationen
- Entwicklung einer Linksherzinsuffizienz durch Volumenüberlastung
- Bei Erwachsenen ist die Herzinsuffizienz häufig verbunden mit Vorhofflimmern oder -flattern.1
- Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie
- bei starkem Anstieg des pulmonalen Widerstands Eisenmenger-Syndrom mit Shuntumkehr (Re-Li-Shunt) und Zyanose
- Aneurysma des Ductus arteriosus
- Inzidenz bis zu 8 %1
- Kompression angrenzender Strukturen oder thrombembolische Ereignisse
- Endarteriiitis
- Seltene Komplikation, gemäß aktueller Richtlinien ist PDA keine Indikation mehr für Endokarditisprophylaxe.
Prognose nach Verschluss
- Exzellente Prognose nach frühem Verschluss eines isolierten PDA ohne relevante Komorbiditäten7
- Bei Frügeborenen wird die Prognose vorwiegend durch die Komorbiditäten bestimmt.7
Verlaufskontrolle
- Nachsorge nach Intervention/OP vor allem fokussiert auf Erkennung eines Restshunts
- Normalerweise bei erfolgreichem Verschluss zeitlich begrenzt auf 2 Jahre
Persistierender Ductus arteriosus im Erwachsenenalter
- Bei Patienten ohne frühkindliche Korrektur des Herzfehlers ist der Hausarzt in Diagnose und weitere Versorgung im Erwachsenenalter eingebunden.
- Bei Erwachsenen wird PDA meist als isolierte Veränderung diagnostiziert.8
- Sowohl Linksherzinsuffizienz als auch pulmonale Hypertonie können bei Erwachsenen die Symptomatik dominieren.8
- Eine gute Kommunikation zwischen Hausarzt, niedergelassenem Kardiologen und spezialisiertem Zentrum sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Erwachsenenkardiologen sind für die optimale Behandlung erforderlich.9
- Ein interventioneller Verschluss ist die Methode der Wahl.8
- Chirurgie Alternative nur bei ungünstiger Anatomie für Deviceverschluss
- Prognose bei Erwachsenen davon abhängig, ob bereits Linksherzinsuffizienz und pulmonale Hypertonie aufgetreten sind.7
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen



Persistierender Ductus arteriosus
Quellen
Leitlinien
- European Society of Cardiology. Guidelines for the management of grown-up congenital heart disease. Stand 2010. www.escardio.org
Literatury
- Schneider D, Moore J. Patent Ductus Arteriosus. Circulation 2006; 114: 1873-1882. doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.105.592063 DOI
- Dice J, Bhatia J. Patent Ductus Arteriosus: An Overview. J Pediatr Pharmacol Ther 2007; 12: 138-146. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Urquhart DS, Nicholl RM. How good is clinical examination at detecting a significant patent ductus arteriosus in the preterm neonate? Arch Dis Child 2003; 88: 85-86. PubMed
- Ohlsson A, Walia R, Shah SS. Ibuprofen for the treatment of patent ductus arteriosus in preterm or low birth weight (or both) infants. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Feb 18;2:CD003481. The Cochrane Library
- Van Overmeire B, Smets K, Lecoutere D, Van de Broek H, Weyler J. A comparison of ibuprofen and indomethacin for closure of patent ductus arteriosus. N Engl J Med 2000; 343: 674-81. New England Journal of Medicine
- Mitra S, Florez ID, Tamayo MD, et al. Association of placebo, indomethacin, ibuprofen, and acetaminophen with closure of hemodynacically significant ductus arteriosus in preterm infants: A systematic review and meta-analysis. JAMA 2018; 319: 1221-38. pmid:29584842 PubMed
- Kim L. Patent Ductus Arteriosus (PDA). Medscape, updated: Dec 31, 2017. Zugriff 15.07.2018. emedicine.medscape.com
- Baumgartner H, Bonhoeffer P, De Groot N, et al. ESC Guidelines for the management of grown-up congenital heart disease (new version 2010). Eur Heart J 2010; 31: 2915–2957. doi:10.1093/eurheartj/ehq249 DOI
- Diller GP, Breithardt G, Baumgartner H. Congenital heart defects in adulthood. Dtsch Arztebl Int 2011; 108: 452-459. www.ncbi.nlm.nih.gov
Autoren
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i.Br.