Sichelfuß (Pes adductus)

Zusammenfassung

  • Definition:Adduktion des Vorderfußes bei Neugeborenen und Säuglingen, tritt in einer flexiblen (Metatarsus adductus) und einer starren (Metatarsus varus) Form auf.
  • Häufigkeit:Eine der häufigsten Fußdeformitäten mit über 1 Fall auf 1.000 Lebendgeburten.
  • Symptome:Innenrotation der Fußspitzen bei Säuglingen.
  • Befunde:Klinische Befunde sind Vorfußadduktion und starke Innenrotation der Fußspitzen.
  • Diagnostik:Bildgebende Diagnostik ist nicht erforderlich.
  • Therapie:Über 90 % der Fälle korrigieren sich spontan, wenn das Kind zu laufen beginnt. Starre Fälle können eine Gipsbehandlung erfordern.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bei der Vorfußadduktion handelt es sich entweder um einen Metatarsus adductus oder um einen Metatarsus varus.1
  • Metatarsus adductus
    • Ist die häufigste angeborene Fußdeformität. Es handelt sich um eine funktionelle Erkrankung.2
    • Es liegt eine Adduktion des Vorderfußes mit einer konvexen lateralen Kontur vor. Von medialer Seite aus kann man eine C-Form erkennen.
    • Es handelt sich um eine flexible Fehlstellung.
  • Metatarsus varus
    • Es handelt sich um eine knöcherne Anomalität, die durch eine Subluxation des Tarsometatarsalgelenks und eine Adduktion der Metatarsalknochen gekennzeichnet ist.3
    • Es handelt sich um eine starre Fehlstellung.

Häufigkeit

  • Tritt bei 1‒2 von 1.000 Neugeborenen auf.4
  • In einer Studie an Neugeborenen lag die Inzidenz von Fußdeformitäten sogar bei 4,2 %. Bei 76 % dieser Fälle handelte es um einen Metatarsus adductus.5
    • Bei einem Follow-up im Alter von 5‒6 Jahren hatten fast alle Patienten normale Füße.
  • Häufiger bei Mädchen6
  • Die linke Seite ist häufiger betroffen.7

Ätiologie und Pathogenese

  • Die wahrscheinlichste Ursache ist, dass der Fuß intrauterin eingeklemmt wurde, vor allem im letzten Teil der Schwangerschaft.
  • Daher tritt die Erkrankung häufiger bei reifen Neugeborenen als bei Frühgeborenen auf, und auch Zwillinge sind häufiger betroffen.2,7

ICD-10

  • Q66.2 Pes adductus (congenitus)

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typischer klinischer Befund

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Es liegt eine Adduktion des Vorfußes vor.
  • Die Erkrankung ist die dominierende Ursache für die Einwärtsdrehung der Fußspitzen bei Säuglingen und normalisiert sich in der Regel, wenn das Kind zu laufen beginnt.8
  • In den wenigen Fällen, in denen die Vorderfußadduktion unilateral auftritt, ist in der Regel der linke Fuß betroffen.4

Klinische Untersuchung

  • Es liegt eine Adduktion des Vorderfußes mit einer konvexen lateralen Kontur vor.
  • Der Knöchel weist eine normale Mobilität auf, die Erkrankung beschränkt sich auf den Vorfuß.9
    • 20 Grad Dorsalflexion
    • 50 Grad Plantarflexion
  • Klumpfuß ausschließen.10
    • Bei Klumpfuß ist nicht nur der Vorfuß betroffen, sondern weitere Deformitäten.
      • Hypersupination, Fußaußenränder zeigen nach unten.
      • Der Fuß lässt sich nicht über die normale Position hinaus dorsal extendieren (Spitzfuß).
      • Die Ferse deviiert medial (Calcaneus varus).
      • Hohlfuß
  • Bewerten Sie die Flexibilität des Fußes.11
    • Halten Sie die Ferse in Normalposition und abduzieren Sie den Vorderfuß mindestens bis in eine neutrale Stellung.
    • Wenn dies nicht möglich ist, handelt es sich um eine starre Deformität, Metatarsus varus genannt.

Diagnostik beim Spezialisten

  • Röntgendiagnostik ist in der Regel nicht erforderlich.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf eine starre Fehlstellung
  • Bei ausbleibender Korrektur der Fehlstellung etwa im Alter von 8 Monaten

Checkliste zur Überweisung

Vorderfußadduktion

  • Zweck der Überweisung
    • Diagnostik oder Therapie (Gipsbehandlung)
  • Anamnese
    • Wann entdeckt? Entwicklung der Fehlstellung?
    • Wurde Dehnung ausprobiert?
  • Klinische Untersuchung
    • Grad der Adduktion beschreiben.
    • Ist es möglich, die Fehlstellung durch Dehnung zu richten?
    • Mobilität des Knöchels: Grad der Flexion und Extension
  • Ergänzende Untersuchungen
    • keine indiziert

Therapie

Therapieziel

  • Die Fehlstellung vollständig korrigieren.

Allgemeines zur Therapie

  • Es sollten Schlaf- und Ruhepositionen vermieden werden, in denen sich der Vorfuß in forcierter Adduktionsstellung befindet.9
  • Metatarsus adductus
    • Die meisten Fälle korrigieren sich vor Beendigung des 1. Lebensjahrs.12
    • Ggf. können die Eltern dies durch Dehnübungen fördern.13
    • Generell sollten Eltern über die hohe Rate an Spontankorrekturen des flexiblen Sichelfußes aufgeklärt und beruhigt werden.9
  • Metatarsus varus
    • Muss möglicherweise mit einem Gips behandelt werden, vorzugsweise vor dem 8. Lebensmonat, weil die Fehlstellung mit der Zeit zunehmen kann.3
    • Unterschenkelgips für 6–12 Wochen, der alle 1–2 Wochen gewechselt wird und den Fuß in gerader Position hält.9

Empfehlungen für Patienten

  • Dehnübungen
    • Eltern können in den ersten 8 Lebensmonaten die Korrektur durch Dehnübungen unterstützen.
    • Der Rückfuß wird ruhig mit der einen Hand gehalten, während die andere den Mittelfuß streckt, sodass die Fehlstellung leicht überkorrigiert wird.
    • Diese Übung sollten bei jedem Windelwechsel 5-mal wiederholt werden.10
    • Der Erfolg durch Dehnübungen ist umstritten.13

Weitere Therapien

  • Eine Operation ist nicht empfehlenswert, da es häufig zu chirurgischen Komplikationen kommt.4
  • In einigen Fällen liegt eine moderate Adduktion des Vorderfußes, aber eine extreme Adduktion der Großzehe vor (Metatarsus primus varus).
    • Die Behandlung erfolgt im Alter von 6‒18 Monaten chirurgisch unter Freilegung der Abductor-hallucis-Sehne.10

Eingipsen

  • Bei flexiblen Deformitäten, die über den 8. Lebensmonat hinaus andauern, und starren Deformitäten (Metatarsus varus) kann ein Gips sinnvoll sein.
  • Das Kind sollte zur Einschätzung an die Orthopädie überwiesen werden.
  • Das beste Ergebnis wird erzielt, wenn die Behandlung vor dem 8. Lebensmonat beginnt.
  • Der Gips sollte alle 2 Wochen gewechselt werden. Nach etwa 3‒4 Gipswechseln ist die Korrektur normalerweise erreicht.14

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Metatarsus adductus
    • 85‒90 % der bei der Geburt diagnostizierten Fälle normalisieren sich ohne Behandlung bis zur Beendigung des 1. Lebensjahres.11

Prognose

  • Metatarsus adductus: sehr gut
  • Metatarsus varus: gut

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Sichelfuß
Sichelfuß

Quellen

Literatur

  1. Ponseti IV, Becker JR. Congenital metatarsus adductus: the results of treatment. J Bone Joint Surg Am 1966; 48(4): 702-11. www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Sass P, Hassan G. Lower extremity abnormalities in children. Am Fam Physician 2003; 68: 461-8. American Family Physician
  3. Berg EE. A reappraisal of metatarsus adductus and skewfoot. J Bone Joint Surg Am 1986; 68:1185. PubMed
  4. Lincoln TL, Suen PW. Common rotational variations in children. J Am Acad Orthop Surg 2003; 11:312. PubMed
  5. Scherl SA. Common lower extremity problems in children. Pediatr Rev 2004; 25:52. PubMed
  6. Kumar SJ, MacEwen GD. Torsional abnormalities in children's lower extremities. Orthop Clin North Am 1982;13:629-39. PubMed
  7. Morcuende JA, Ponseti IV. Congenital metatarsus adductus in early human fetal development: a histologic study. Clin Orthop Relat Res 1996; 333: 261-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Stockman JA. Do children who in-toe need to be referred to an orthopaedic clinic? Yearbook of Pediatrics 2012; 1: 333-5. www.researchgate.net
  9. Williams CM, James AM, Tran T. Metatarsus adductus: Development of a non-surgical treatment pathway. J Paediatr Child Health 2013; 49(9): 428-33. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Churgay CA. Diagnosis and treatment of pediatric foot deformities. Am Fam Physician 1993;47:883-9. PubMed
  11. Dietz FR. Intoeing--fact, fiction and opinion. Am Fam Physician 1994;50:1249-59. American Family Physician
  12. Farsetti P, Weinstein SL, Ponseti IV. The long-term functional and radiographic outcomes of untreated and non-operatively treated metatarsus adductus. J Bone Joint Surg Am. 1994;76:257-265. PubMed
  13. Eamsobhana P, Rojjananukulpong K, Ariyawatkul T, et al. Does the parental stretching programs improve metatarsus adductus in newborns?. J Orthop Surg (Hong Kong) 2017. www.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Katz K, David R, Soudry M. Below-knee plaster cast for the treatment of metatarsus adductus. J Pediatr Orthop 1999; 19:49. PubMed

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Orthopädie und Unfallchirurgie, Münster

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