Krampfanfälle bei Kindern

Bei einem Krampfanfall kommt es zu einer nicht kontrollierbaren Anspannung der Muskulatur. Krampfanfälle können auf eine Grunderkrankung hinweisen.

Was ist ein Krampfanfall?

  • Krampfanfälle können wie folgt unterteilt werden:
    • Fokal: Es ist eine bestimmte Muskelgruppe oder ein bestimmter Körperteil betroffen.
    • Generalisiert: Es sind alle Muskeln betroffen und es kommt zu Bewusstlosigkeit.
  • Verschiedene Arten von Krampfanfällen:
    • Bei tonischen Krämpfen kommt es zu unwillkürlichen, anhaltenden und starken Muskelkontraktionen.
    • Bei klonischen Krämpfen treten unwillkürliche, zwischen starker Muskelkontraktion und -entspannung abwechselnde Krämpfe auf.
    • Des Weiteren gibt es Krämpfe, die nur ein paar Sekunden dauern und nicht von sichtbaren Muskelkontraktionen begleitet werden (kurzzeitige Bewusstseinsstörung, Absenceepilepsie, Petit-mal-Anfall).
    Häufigkeit
    • Ungefährliche Krampfanfälle, wie z. B. Affektkrämpfe und Fieberkrämpfe, treten bei Kindern häufig auf.
    • Zeigen Kinder unter 5 Jahren erstmals einen Krampfanfall, ist dieser meist generalisiert, später überwiegend fokal. 
    • Etwa 4–10% der Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einem Krampfanfall, schätzen Experten.

Was sind die Ursachen der Krampfanfälle?

Häufige Ursachen

  • Fieberkrämpfe
    • Fieberkrämpfe sind die häufigste Ursache für Krämpfe bei Kindern zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. In anderen Altersstufen treten sie praktisch nicht auf.
    • Sie treten nach schnell gestiegenem Fieber auf, dauern meist 2–3 Minuten und sind generalisiert. Dauert ein solcher Krampf länger als 10 Minuten, ist das Risiko für eine zugrunde liegende ernste Krankheit hoch.
    • Je höher das Fieber steigt, desto größer ist das Risiko für einen Krampfanfall; dieser kann jedoch entweder vor dem Fieberanstieg oder später im Verlauf auftreten.
    • Neigt ein Kind zu Fieberkrämpfen, ist es ratsam, sich vom Kinderarzt Medikamente verschreiben zu lassen, mit denen sich im Notfall ein über mehrere Minuten andauernder Krampf stoppen lässt (Diazepam, Midazolam).
  • Affektkrämpfe
    • Affektkrämpfe treten in der Regel im ersten oder zweiten Lebensjahr das erste Mal auf.
    • Die Anfälle kehren in den ersten Lebensmonaten oder -jahren mehr oder weniger regelmäßig zurück.
    • Meist treten solche Krämpfe nach dem 4. Geburtstag nicht mehr auf.
    • Die Anfälle werden meist durch Schmerz, Angst oder Aufregung ausgelöst.
    • Es gibt zwei verschiedene Arten von Affektkrämpfen.
      • Zyanotischer Anfall
        • Das Kind schreit, bis das Gesicht blau (zyanotisch, Zeichen für Sauerstoffmangel) ist, und ist einige Sekunden nicht ansprechbar. In einigen Fällen kommt es am Ende eines Anfalls zu kurzen klonischen Zuckungen. Die Anfälle treten in der Regel zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat auf.
      • Blasser Anfall
        • Das Schreien bleibt meist aus oder beschränkt sich auf einen kurzen Aufschrei, das Kind wird blass, es kommt zu einer vorübergehenden Apnoe (Aussetzen der Atmung) und meist zu einer Synkope (Ohnmacht) und schließlich zu kurzen klonischen Krämpfen wie beim zyanotischen Anfall.
  • Epilepsie
    • Epilepsie ist nach dem fünften Lebensjahr die häufigste Ursache für Krampfanfälle.
    • Epilepsie ist die Bezeichnung für sehr verschiedene Arten von Anfällen, die alle durch eine vorübergehende Funktionsstörung (in Teilgebieten) des Gehirns hervorgerufen werden.
    • Unterschieden werden:
      • Generalisierte Anfälle (Krämpfe aller Muskeln, meist mit Bewusstlosigkeit)
      • Partielle Anfälle (Krämpfe nur bestimmter Muskelgruppen)
      • tonische/klonische Anfälle
      • Anfälle, die sich als kurze Abwesenheit/Nichtansprechbarkeit des Kindes äußern (ohne andere Symptome): Absencen
      • Atonische Anfälle: plötzlicher Verlust der Muskelspannung
    • Die Anfälle variieren von Person zu Person, treten bei einem Patienten jedoch in der Regel jedes Mal gleich auf.
    • Manche Patienten reagieren auf bestimmte Auslöser mit einem Krampfanfall, z.B. schnell flackerndes Licht. Falls dies bekannt ist, sollten entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden.
    • Je nach Typ der Epilepsie sind unterschiedliche Medikamente zur Therapie angezeigt.
    • Beobachtet man ein krampfendes Kind, sollte man es davor schützen, sich zu verletzen, aber nur vorsichtig festhalten, da sonst erst recht Verletzungen drohen. Wichtig ist es, auf die Uhr zu schauen um zu überprüfen, wie lange der Anfall anhält. Bei anhaltendem Krampf und Bewusstseinverlust über 2–3 Minuten sollte man einen Notarzt rufen, da Krämpfe über 5 Minuten Dauer möglichst mit Medikamenten unterbrochen werden sollten.
  • Keuchhusten
    • Keuchhusten ist eine Infektion, bei der das Kind stark hustet und Atemnot entwickelt. Das Kind scheint zu ersticken. Manche Kinder zeigen dabei Krämpfe.
  • Stoffwechselkrankheiten, Vergiftungen:
    • Ein zu hoher oder zu niedriger Blutzuckerspiegel bei Diabetes mellitus kann zu Krämpfen führen. Das Gleiche gilt z.B. bei zu niedrigem Kalziumspiegel m Blut. 
    • Eine Überdosis/Vergiftung mit manchen Medikamenten kann Krämpfe zur Folge haben.
  • Hyperventilationsanfälle:
    • Manche Kinder neigen dazu, bei Stress/Aufregung sehr schnell und flach zu atmen. Da dadurch zu wenig Kohlenmonoxid ausgeatmet wird, verändern sich bestimmte Ionen im Blut, was zu Störungen an der Signalübertragung an den Muskelzellen und damit zu Krämpfen führt.
    • Typisch sind neben der sehr schnellen Atmung krampfartig gespitzte Lippen und verkrampfte Hände.
    • Als Helfer sollte man die Betroffenen beruhigen und falls nötig, in eine vor Mund und Nase geschlossene Platiktüte ein paar Atemzüge machen lassen: Dadurch atmet der Betroffene wieder mehr Kohlendioxid ein, was der Störung entgegenwirkt. 

Seltene Ursachen

  • Migräne
    • Die Erkrankung führt selten zu Krampfanfällen.
    • Es gibt jedoch auch Formen von Migräne, die Krampfanfälle auslösen können.
  • Hirnhautentzündung
    • Es handelt sich um eine verhältnismäßig seltene Erkrankung.
    • Sie ist durch hohes Fieber, Nacken- und Rückensteifigkeit und einen geschwächten Allgemeinzustand gekennzeichnet.
    • Es kann zu Krampfanfällen kommen.
    • Da die Krankheit schnell lebensgefährlich werden kann, ist bei Verdacht sofort ein Notarzt zu rufen. 
  • Hirntumor
    • Die Erkrankung führt selten zu Krampfanfällen.
    • Hirntumoren bei Kindern wachsen oft langsam.
    • Die Symptome können sich langsam entwickeln und sehr unterschiedlich ausfallen, aber Krampfanfälle können ein frühes Anzeichen sein.
  • (Angeborene) Hirnschädigung
    • Nach einer Hirnschädigung, z.B. Sauerstoffmangel unter der Geburt, eine angeborene Hirnerkrankung oder ein Unfall/Verletzung des Gehirns in der Kindheit, können wiederkehrende Krampfanfälle die Folge sein.
  • Nachtangst (Pavor nocturnus)
    • Nachtangst, Nachtschreck
    • Tritt am häufigsten bei Kindern (jüngere Jungen) auf.
    • Im Schlaf kommt es zu einem Angstanfall, und das Kind wacht auf und schreit.
    • Symptome sind Angst, Schwitzen, schneller Puls und einige Minuten lang Verwirrung; das Kind schläft anschließend meist wieder ein und kann sich danach an nichts erinnern.
  • Krampfanfälle und psychische Krankheiten:
    • Manche psychische Krankheiten können sich darin äußern, dass die Kinder wie Krämpfe wirkende schnelle, ruckartige Bewegungen machen (z.B. Autismus)
    • Bei anderen psychischen Krankheiten können ebenfalls Krämpfe auftreten

Was können Sie selbst tun?

  • Bei Verdacht auf einen Fieberkrampf sollte man das Kind vorsichtig halten, damit es sich nicht verletzt. Um das Fieber zu senken, sollte man das Kind nicht so warm zudecken und fiebersenkende Medikamente verabreichen.
  • Affektkrämpfe sind ungefährlich und müssen nicht behandelt werden. Treten sie häufig auf, ist eine weitere Abklärung beim Arzt zu empfehlen.
  • Bei einem epileptischen oder anderen generalisierten Krampf sollten Sie darauf achten, dass das Kind sich nicht selbst verletzt. Versuchen Sie nicht, dem Kind etwas in den Mund zu stecken.
  • Nach einem Krampfanfall ist das Kind meist erschöpft; lassen Sie es sicherheitshalber in dieser Ruhephase nicht alleine, um einen erneuten Krampf nicht zu spät zu bemerken.
  • Zeigt ein Kind erstmals einen Krampfanfall, ist es immer ratsam, das Kind ärztlich untersuchen zu lassen, damit die Ursache des Anfalls geklärt werden kann.

Wann sollten Sie einen Arzt konsultieren?

  • Affektkrämpfe
    • Wurde bereits eine sichere Diagnose gestellt, müssen Sie bei weiteren ähnlichen Krämpfen keinen Arzt hinzuziehen.
  • Fieberkrämpfe
    • Fieberanfälle sollten in der akuten Phase von einem Arzt untersucht werden, der Sie zum Umgang mit eventuellen zukünftigen Anfällen beraten wird.
  • Unerklärliche Krampfanfälle bei Kindern
    • Unerklärliche Anfälle sollten von einem Arzt untersucht werden.
    • Bei Krampfanfällen, die länger als fünf Minuten dauern oder wiederkehren, müssen Sie sofort einen Arzt aufsuchen, damit das Kind krampflösende Medikamente erhält.

Wie geht der Arzt vor?

Krankengeschichte (Anamnese)

Der Arzt wird Ihnen eventuell folgende Fragen stellen:

  • Wie begann der Krampfanfall?
  • Hat/hatte das Kind Fieber?
  • Hat das Kind Schmerzen (z. B. Kopfschmerzen)?
  • Ist das Kind ernsthaft geschwächt?
  • Hat das Kind einen steifen Nacken?
  • Hat das Kind einen Hautausschlag?
  • Hatte das Kind bereits ähnliche Anfälle?

Ärztliche Untersuchung

  • Bewusstseinsgrad
  • Allgemeinzustand
  • Der Arzt kontrolliert Anzeichen von Hautblutungen (können Hinweis auf eine Hirnhautentzündung sein).
  • Er kontrolliert, ob eine Nackensteife vorliegt.
  • Es wird eine allgemeine körperliche und neurologische Untersuchung durchgeführt.

Weitere Untersuchungen

  • Eventuell Blutuntersuchung
  • Eventuell EEG (Messung der Hirnströme)
  • Eventuell CT, MRT des Gehirns und/oder Untersuchung des Hirnwassers (Liquor)

Überweisung an einen Spezialisten oder ein Krankenhaus

  • Affektkrämpfe
    • Wiederholte Anfälle können auf Epilepsie hindeuten, und das Kind sollte bei Unsicherheit bezüglich der Diagnose an einen Spezialisten überwiesen werden.
  • Fieberkrämpfe
    • Kinder unter einem Jahr werden in der Regel sofort in ein Krankenhaus aufgenommen, um die Beschwerden zu lindern.
    • Bei älteren Kindern ist in der Regel kein Krankenhausaufenthalt notwendig, soweit das Kind innerhalb von 10–15 Minuten aufwacht oder geweckt werden kann. Auch wenn ein Krankenhausaufenthalt nicht unbedingt notwendig ist, kann dies bei Unsicherheit jedoch beruhigend sein.
  • Bei Verdacht auf Hirnhautentzündung oder andere lebensbedrohliche Erkrankungen muss das Kind sofort in ein Krankenhaus eingewiesen werden.
  • Fokale oder generalisierte Anfälle
    • Die Ursache muss schnellstmöglich durch einen Spezialisten oder im Krankenhaus ermittelt werden.

Autoren

  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen

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References

Based on professional document Anfälle, nichtepileptische und epileptische bei Kindern. References are shown below.

  1. Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e. V. Zerebrale Anfälle beim Neugeborenen. AWMF-Leitlinie Nr. 024-011. S2k, Stand 2012 (abgelaufen). www.awmf.org
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