Allgemeine Informationen
Definition
- Heterogene, oft unspezifische Symptome, die auf Erstmanifestation einer malignen Erkrankung hinweisen.
- Große Variationsbreite in Abhängigkeit von Art, Lokalisation und Stadium der Erkrankung sowie Alter der Patient*innen
- Anamnese, klinische Untersuchung, Symptomverlauf und -konstellation sind in Zusammenschau oft hinweisend auf ein Malignom.
- Bei Verdacht auf maligne Erkrankung sofortige Kontaktaufnahme mit pädiatrischen Onkolog*innen und Überweisung zur weiteren Diagnostik
Häufigkeiten maligner Erkrankungen im Kindesalter
- Häufigkeiten für Kinder < 15 Jahre im Zeitraum 2009–2018 in Deutschland1
- Inzidenz 170 pro 1 Mio. Kinder
- Jungen sind im Verhältnis 1,3:1 häufiger betroffen als Mädchen.
- Altersabhängige Inzidenzraten verschiedener Malignome (Angabe pro 1 Mio.)1
- ALL: häufig in allen Altersgruppen mit 80,2 für 1–4 Jahre, 35,8 für 5–9 Jahre und 21,4 für 10–14 Jahre
- AML: 18,2 für < 1 Jahr, 10,0 für 1–4 Jahre
- Lymphome: 26,8 für 10–14 Jahre, 16,6 für 5–9 Jahre
- ZNS-Tumoren: überwiegend < 4 Jahre
- Neuroblastom: 82,4 für < 1 Jahr, 19,3 für 1–4 Jahre
- Wilms-Tumor: überwiegend < 4 Jahre
- Retinoblastom, Hepatoblastom, Weichteilsarkome, Keimzelltumoren: überwiegend < 1 Jahr
- maligne Knochentumoren: überwiegend > 10 Jahre
- Prognose
- Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5, 10 und 15 Jahren liegt bei je 85, 83 und 82 %.
- 6,6 % der Patient*innen erkranken innerhalb 30 Jahren nach Erstdiagnose an einem Zweitmalignom.
Malignomtypen1
- Leukämien (30,4 % aller kindlichen Malignome)
- lymphatische Leukämien (25,8 %): häufigste Einzeldiagnose; bei den unter 5-Jährigen mehr als doppelt so häufig wie in anderen Altersgruppen
- akute myeloische Leukämien (4,3 % aller kindlichen Malignome): Am häufigsten bei den unter 2-Jährigen, Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich geringer als für LL, machen 11,2 % aller Zweitneoplasien aus.
- ZNS-Tumoren (23,6 %)
- häufigste Subtypen: Astrozytome (11,5 %), intrakranielle und intraspinale embryonale Tumoren (4,4 %), Medulloblastome (3,0 %), Ependymome (1,9 %)
- 22,9 % aller Zweitneoplasien sind ZNS-Tumoren.
- Lymphome (14,3 %)
- Hodgkin-Lymphome (4,5 %), sehr gute Prognose mit 15-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 97 %, in 9,5 % der Fälle treten jedoch Zweitmalignome auf.
- Periphere Nervenzelltumoren (5,7 %)
- Nierentumoren (4,7 %)
- Knochentumoren (5,2 %)
- Weichteilsarkome (5,9 %)
- Keimzelltumoren (4,2 %)
- Sonstige Diagnosen (6,1 %)
- Sehr seltene Diagnosen (1 Fall pro 250.000 Jugendlichen > 15 Jahre), häufigster Einzeltumor dieser Gruppe ist das Lungenblastom.
Diagnostische Überlegungen
- Häufig erfolgt die Manifestation mit unspezifischen Erstsymptomen, die in der Praxis zahlreich vorkommen und in den meisten Fällen andere, benigne Ursachen haben.
- Differenzialdiagnostisch ist dann auch an ein Malignom zu denken.
- Hinweisgebend können anhaltende Symptome, untypische Symptomkonstellationen und -verläufe und das „Bauchgefühl“ der Eltern sein.
Anamnese
Eigenanamnese
- Frühere maligne Erkrankung?
- Frühere Radio-/Chemotherapie?
- Bekanntes Tumorprädispositionssyndrom, bekannte genetische Erkrankung oder bekannter Immundefekt mit erhöhter Inzidenz maligner Erkrankungen? z. B.:
- Trisomie 21
- Beckwith-Wiedemann-Syndrom
- Dyskeratosis congenita
- multiple endokrine Neoplasien Typ 1, 2A und 2B
- Li-Fraumeni-Syndrom
- familiäre Polyposis coli
- Peutz-Jeghers-Syndrom
- Noonan-Syndrom
- Fanconi-Anämie
- Ataxia teleangiectatica
- Edwards-Syndrom (Trisomie 18)
- Neurofibromatose Typ 1 und 2
- tuberöse Sklerose
- Morbus Hippel-Lindau, Gorlin-Syndrom.
Familienanamnese
- Positive Familienanamnese für maligne Erkrankungen?
- Bekannte hereditäre Tumorerkrankungen (hereditäres Retinoblastom)?
Allgemeinsymptome
- Fieber
- Abgeschlagenheit
- Gewichtsverlust
- Appetitmangel
Klinische Untersuchung
Lymphknoten
- Malignomverdächtig, wenn
- indolent, verbacken, derb, untypisch lokalisiert, generalisiert sowie nach anamnestischem und klinischem Ausschluss anderer häufiger Ursachen.
- Näheres zur Differenzialdiagnostik siehe Artikel Lymphadenopathie bei Kindern.
Haut
- Blässe
- Blutungszeichen, Haut- und Schleimhautblutungen
- Infiltrationen, subkutane Knötchen (Leukämie, Neuroblastom, Histiozytose)
- Juckreiz (selten bei Hodgkin-Lymphom)
- Schuppiger, seborrhoischer, ekzematöser Ausschlag auf der Kopfhaut, in den Gehörgängen, auf dem Abdomen oder in intertriginösen Bereichen von Hals und Gesicht, der nicht auf Kortikosteroide anspricht (V. a. Histiozytose).
- Selten Ikterus (z. B. Lebertumor, Metastasen)
ZNS
- Unspezifische Präsentation bei Kindern < 2 Jahre in Form von Reizbarkeit, Abgeschlagenheit, Verhaltensauffälligkeiten, Schlagen an den Kopf als Zeichen von Kopfschmerzen, verzögerter oder umgekehrter Entwicklung, Kopfumfangszunahme
- Hirndruckzeichen
- Gangstörungen, Lähmungen, Querschnittssymptomatik, fokalneurologische Ausfälle, Hirnnervenausfälle, Krampfanfälle, Ataxie, Stauungspapille, vestibuläre Symptome (Drehschwindel, Nystagmus), Meningismus, Verhaltensauffälligkeiten, Lernstörungen (ZNS-Tumoren, Langerhanszell-Histiozytose)
- Kopfschmerzen
- bei Kindern häufig und dabei nur selten Symptom eines Hirntumors, jedoch bei etwa 90 % der Kinder mit einem ZNS-Tumor Kopfschmerzen zum Zeitpunkt der Diagnose
- Warnsignale im Kindes- und Jugendalter
- akute, erstmalig aufgetretene Kopfschmerzen
- rasch zunehmende Stärke und/oder Häufigkeit der Symptome
- Änderung des Schmerzcharakters
- morgendliche Kopfschmerzen mit Nüchternerbrechen
- nächtliches Erwachen wegen Kopfschmerzen
- fokal-neurologische Symptome
- Zeichen der Wesensveränderung
- Alter des Kindes < 3 Jahre
- Diabetes insipidus durch gestörte ADH-Ausschüttung
Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt
- Raumforderung des Abdomens (Nephroblastom, Neuroblastom, Lymphome, Sarkome, Lymphknoten)
- Zunahme des Bauchumfangs
- Hepato-/Splenomegalie
- Obstipation, Diarrhö, Erbrechen, Invagination, Harnverhalt, Blutungen
- Hämaturie (Nephroblastom, Weichteilsarkom)
- Einseitige Hodenschwellung (Keimzelltumor, Weichteilsarkom, Lymphom, Leukämie)
- Polyurie, Polydypsie (z. B. Kraniopharyngeom, Hypophysentumor)
Kardiopulmonales System
- Husten, Stridor
- Obere Einflussstauung
- Atemnot, Todesangst (mediastinale Tumoren)
- Hypertonus (Nierentumor)
Bewegungssystem
- Knochen- und Gelenkschmerzen, Gehverweigerung bei kleineren Kindern (Leukämie, Neuroblastom, Knochenmarkmetastasen)
- Zunehmende lokale Schmerzen mit Schwellung oder Deformität des Skeletts oder der Weichteile, Funktionseinschränkungen, pathologische Frakturen (Weichteiltumoren, Knochentumoren)
- Torticollis (ZNS-Tumoren)
HNO
- Gingivahyperplasie (AML-Subtypen, Histiozytose)
- Hör- oder Sehstörungen, Schwindel (ZNS-Tumoren)
- Sichtbarer Tumor im Nasenraum, Behinderung der Atmung (Lymphome, Sarkome)
Kiefer
- Zahnlockerungen
- Schwellungen
Augen
- Leukokorie (amaurotisches Katzenauge): Auf Fotos mit Blitzlicht oder bei der Augenspiegelung leuchtet die Pupille nicht rot, sondern weiß auf.
- Neu aufgetretener Strabismus (Retinoblastom)
- Protrusio bulbi oder Störungen der Okulomotorik (Weichteilsarkome, Lymphome, Neuroblastom)
- Brillenhämatom (Neuroblastom)
Endokrinologie
- Diabetes insipidus, Wachstumsstörungen, Wachstumsstillstand, vorzeitige Pubertät, verzögerte Pubertät (ZNS-Tumoren, Langerhanszell-Histiozytose)
Ergänzende Untersuchungen
In der Hausarztpraxis
- Blutbild mit Differenzialblutbild und Retikulozyten
- CRP, BSG, ggf. Schnelltests zum Infektionsausschluss, Blutkulturen vor Antibiotikagabe
- Elektrolyte (Na, K, Ca)
- LDH
- Ferritin
- Sonografie Abdomen, Mediastinum, Lymphknoten
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikationen zur Überweisung
- Besteht nach der Anamnese, der klinischen Untersuchung und etwaigen Zusatzuntersuchungen weiterhin der Verdacht auf eine maligne Erkrankung, sind Rücksprache mit der pädiatrischen Onkologie und eine umgehende stationäre Aufnahme zur weiteren Diagnostik indiziert.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Kaatsch P, Grabow D, Spix C. German Childhood Cancer Registry – Annual Report 2016 (1980-2015). Institute of Medical Biostatistics, Epidemiology and Informatics (IMBEI) at the University Medical Center of the Johannes Gutenberg University Mainz, 2016. www.kinderkrebsregister.de
Autor*innen
- Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
- Anne Strauß, Ärztin in Weiterbildung Pädiatrie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
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