Schwellungen am Hals bei Kindern

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Schwellung am Hals kann bei Kindern viele verschiedene Ursachen haben.1
  • Meist kommt es im Rahmen von Infekten zu Lymphknotenschwellungen, die nach einer Weile von selbst wieder abklingen.
  • Eine Schwellung am Hals kann aber auch zu einer lebensbedrohlichen Komplikation werden oder Ausdruck einer ernsthaften Erkrankung sein.

Häufigkeit

Diagnostische Überlegungen

  • Derartige Schwellungen lassen sich unterteilen in:
    • angeborenen Veränderungen
    • Infektionskrankheiten
    • maligne Erkrankungen1
  • Diagnostische Hinweise geben Begleitsymptome wie z. B. Schmerz, Fieber, Gewichtsverlust, Heiserkeit, Atembeschwerden oder Schluckbeschwerden.

ICD-10

  • R22 Lokalisierte Schwellung, Raumforderung und Knoten der Haut und der Unterhaut
    • R22.1 Lokalisierte Schwellung, Raumforderung und Knoten der Haut und der Unterhaut am Hals

Differenzialdiagnosen

Angeborene Ursachen

Lymphadenopathie

  • Siehe Artikel Lymphadenopathie bei Kindern.
  • Schwellungen am Hals sind am häufigsten durch geschwollene Lymphknoten verursacht.
  • Bei etwa 90 % der Kinder zwischen 4 und 8 Jahren sind Halslymphknoten palpabel.5
  • Kennzeichen für alterstypische Lymphknoten beim Kleinkind und im frühen Schulkindalter
    • Größe: < 1 cm (Kieferwinkel < 1,5–2 cm, gelegentlich auch darüber)
    • meist weiche elastische, verschiebliche Lymphknoten
    • meist keine Schmerzen
    • keine Entzündungsreaktion
    • typische Lokalisationen (zervikal und/oder inguinal)
  • Hinweise auf infektiöse Ursachen einer Lymphknotenschwellung
    • lokale Eintrittspforten (Zahnstatus, Tonsillen, Kratzspuren bei allergischem Exanthem, andere offene Hautstellen)
    • Hinweise auf eine Kinderkrankheit (z. B. Röteln)
    • Schmerzen
    • lokales Erythem
  • Meist sind dies schmerzhaft vergrößerte Lymphknoten als Reaktion auf eine Infektion oder Entzündung.
    • Die entzündliche Lymphadenopathie ist selbstlimitierend und geht normalerweise innerhalb weniger Wochen von allein zurück.
    • Sowohl eine bakterielle Tonsillitis als auch eine virale Infektion (z. B. EBV-Infektion) können zu Schwellungen in der Halsregion führen.
      • Führendes Symptom können Halsschmerzen sein.
      • Eine akute Tonsillitis führt fast immer zu zervikalen, schmerzhaften Lymphknotenschwellungen.
    • Odontogene Infektionen mit Ausbreitungstendenz können zu einer Schwellung am Hals und zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.
    • Weitere mögliche Infektionserkrankungen siehe Artikel Lymphadenopathie bei Erwachsenen.
  • Beim Kawasaki-Syndrom sind geschwollene Lymphknoten am Hals ein Leitsymptom, dazu kommen hohes Fieber über 5 Tage, Konjunktivitis, Stomatitis, Palmar- und Plantarerythem oder ein polymorphes Exanthem.
  • Auch eine HIV–InfektionSarkoidose, Tuberkulose oder Toxoplasmose sollten differentialdiagnostisch bedacht werden.
  • Ebenso können maligne Prozesse zu einer Lymphadenopathie führen

Sialadenitis

  • Eine Entzündung der Speicheldrüsen, im Kindesalter meist akut durch bakterielle oder virale Infektionen, kann zu einer Schwellung im betroffenen Areal führen.
  • Virale Erreger können das Epstein-Barr-Virus, das Herpes-Virus B6 oder das Mumps-Virus sein.
  • Gerade bei Kindern sollte eine obstruktive Sialadenitis als Differenzialdiagnose beim Verdacht auf eine juvenile Sialadenitis ausgeschlossen werden, hier kann eine Sialendoskopie hilfreich sein.

Trauma

  • Bei Halsschwellungen nach einem Trauma liegen oftmals eine typische Anamnese und eindeutige klinische Befunde vor.
  • Hämatom
    • Selbst wenn neugebildete oder organisierte Hämatome sich normalerweise zurückbilden, kann aufgrund einer Fibrose ein fester Knoten zurückbleiben.

Schilddrüsenerkrankungen

  • Auch Schilddrüsenerkrankungen können zu einer Schwellung am vorderen Hals führen.
  • Bei einer Struma kommt es zu einer Größenvermehrung der Schilddrüse, manchmal kommen Schluckbeschwerden dazu.

Hauttumoren

  • Bei 1–2 % aller bei Säuglingen und Kindern exzidierten Hauttumoren handelt es sich um maligne Tumoren. Hierzu gehören u. a.:
  • Als gutartige Tumoren können z. B. Lipome, Fibrome oder Neurofibrome vorkommen.
  • Der häufigste gutartige Tumor ist das infantile Hämangiom, das sich in der Regel postnatal in den ersten Lebenswochen bildet und häufig an Kopf oder Hals vorkommt.

Maligne Tumoren

  • Maligne Tumoren im Bereich des Halses sind auch bei Kindern nicht ungewöhnlich.6
  • Dabei kann es sich sowohl um einen Primärtumor als auch um Metastasen eines in den oberen Atemwegen, dem Verdauungstrakt oder weiter entfernten Regionen befindlichen Tumors handeln.

Primärtumoren

  • Schilddrüsenkarzinome, Speicheldrüsenkarzinome, Lymphome (Non-HodgkinHodgkin) und Sarkome sind Beispiele für Primärtumoren.1
    • V. a. Rhabdomyosarkome finden sich vorwiegend im Kopf-, Hals- und Urogenital-Bereich.
    • Nasopharyngeale Karzinome sind bei Kindern eher seltener.7

Anamnese

  • Alter der Patient*innen
  • Größe und Dauer der Schwellung
  • Frühere Erkrankungen
  • Vorausgegangene Expositionen
    • Tiere
    • Zeckenstich
    • Kontakt mit kranken Kindern
    • Kontakt mit Personen, die an Tuberkulose leiden.
    • Reisen ins Ausland
    • Medikamente
  • Begleitsymptome wie Hautveränderungen, Fieber, Schluckbeschwerden, Gewichtsabnahme oder Schmerzen
  • Durch Anschwellen der Atemwege ist Atemnot möglich.

Klinische Untersuchung

  • Inspektion
    • Die Lokalisation der Schwellung weist häufig auf die Ursache hin.
    • Die Mundschleimhäute, der Rachen und die Ohren sollten mituntersucht werden.
  • Palpation
    • Geschwollene Lymph­knoten sind bei einer akuten Infektion meist frei beweglich, weniger fest und häufig schmerzhaft.
    • Als Warnzeichen bei Hauttumoren gelten rasches Wachstum, Ulzeration, Fixierung oder tiefe Lokalisation auf der Faszie, derbe Konsistenz, Größe über 3 cm und Manifestation im Neugeborenenalter.3
  • Funktionseinschränkungen
    • Mundöffnungseinschränkung
    • Hörverlust
    • Sprechstörungen
    • Schluckstörungen
  • Zur Untersuchung gehört eine  gründliche körperliche Untersuchung, insbesondere aller Lymphknotenstationen, Haut (z. B. Café-au-lait-Flecken), Nasen-Rachen-Raum, Leber und Milz, neurologischer Status mit Hirnnerven, Pubertätsstadien nach Tanner und Erfassung der Hodengröße.

Ergänzende Untersuchungen

Labor

  • HbBSGCRPLeukozyten, evtl. FT4 und TSH
  • Ggf. serologische Tests bei V. a. auf eine zugrunde liegende Infektion (HIV, Bartonellen, Toxoplasmen, Mykobakterien)
  • Ggf. mikrobiologische Kultur des Sputums und/oder des Magensaftes
  • Ggf. Antibiogramm
  • Ggf. immunologische Untersuchungen (Immunglobuline, ANA, ANCA, ACE [Sarkoidose])

Sonografie

  • Bei einer unklaren Schwellung ist die Sonografie gut geeignet, um Zysten von festem Gewebe zu unterscheiden.8
  • Ultraschalluntersuchung des Lymphknotens möglichst mit Dopplersonografie für die Abgrenzung benigner von malignen Lymphknoten

Röntgen-Thorax

  • Bei V. a. intrathorakale oder pulmonale Erkrankung Röntgenuntersuchung des Thorax (in zwei Ebenen)

CT

  • Kann zum Staging, bei V. a. Tumoren oder bei Traumen indiziert sein.

MRT

  • Je nach Lokalisation und Fragestellung, besonders bei V. a. Malignom ist die MRT-Methode der Wahl.

Angiografie

  • Eine Angiografie kann bei Gefäßpathologien indiziert sein.

Szintigrafie

Feinnadelzytologie/-biopsie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.9
  • Zur histologischen Absicherung, z. B. bei Schilddrüsenknoten oder Hauttumoren unklarer Dignität

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Sofortige Überweisung bei Verdacht auf eine maligne Erkrankung
  • Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
  • Bei odontogenen Infektionen mit Ausbreitungstendenz soll umgehend eine chirurgische Therapie eingeleitet werden.

Mediane und laterale Halszyste

Lymphadenopathie

  • Siehe Artikel Lymphadenopathie bei Kindern.
  • Lymphknotenschwellungen, die nicht durch banale, meist virale Infektionen oder für das Kindesalter typische Infektionskrankheiten erklärt werden können oder sich nicht innerhalb 4–6 Wochen (Größennormalisierung binnen 8–12 Wochen) zurückbilden, sollten abgeklärt werden.
  • Vergrößerte Lymphknoten nach einer Infektion sind ungefährlich und bilden sich spontan zurück, dabei können kleine Knötchen bestehen bleiben.
  • Im Zweifelsfall ist eine probatorische Antibiotikatherapie bei V. a. Lymphadenitis colli für 7 bis max. 14 Tage indiziert, sollte jedoch bei ungenügender Wirkung vorher beendet werden.
    • Die Therapie sollte möglichst nach Antibiogramm erfolgen.
    • Für die empirischen Antibiotikatherapie sollte das effektivste und verträglichste Antibiotikum angewendet werden, wie z. B. Penicillin oder Amoxicillin.

Quellen

Literatur

  1. Meier JD, Grimmer JF. Evaluation and management of neck masses in children. Am Fam Physician. 2014 Mar 1;89(5):353-358. PubMed
  2. Leung AK, Robson WL. Childhood cervical lymphadenopathy. J Pediatr Health Care. 2004;18(1):3-7. PubMed
  3. Hamm H, Höger PH. Skin tumors in childhood. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(20): 347–53. www.aerzteblatt.de
  4. Damaskos C, Garmpis N, Manousi M, et al. Cystic hygroma of the neck: single center experience and literature review. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2017 Nov;21(21):4918-4923. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Rajasekaran K, Krakovitz P (2013). Enlarged neck lymph nodes in children. Pediatr Clin North Am 60(4): 923-936 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Dickson PV, Davidoff AM. Malignant neoplasms of the head and neck. Semin Pediatr Surg. 2006;15(2):92-98 PubMed
  7. Marcus KJ , Tishler RB. Head and neck carcinomas across the age spectrum: epidemiology, therapy, and late effects. Semin Radiat Oncol. 2010 Jan;20(1):52-7. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Brown RE, Harave S. Diagnostic imaging of benign and malignant neck masses in children-a pictorial review. Quant Imaging Med Surg. 2016 Oct;6(5):591-604 www.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Anne S, Teot LA, Mandell DL. Fine needle aspiration biopsy: role in diagnosis of pediatric head and neck masses. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2008;72(10):1547-1553. PubMed
  10. Acierno SP, Waldhausen JH. Congenital cervical cysts, sinuses and fistulae. Otolaryngol Clin North Am. 2007;40(1):161-176, vii-viii. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Bonnie Stahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge

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