Ulnare Kapselbandläsion

Zusammenfassung

  • Definition:Verletzung des lateralen Ligamentkomplexes am Ellenbogen.
  • Häufigkeit:Häufigste Begleitverletzung bei Ellenbogenluxationen. Gehäuft bei Wurfsportler*innen.
  • Symptome:Ulnarseitige Schmerzen am Ellenbogen bei Wurfbewegung.
  • Befunde:Druckschmerz über Bandverlauf und eventuell Schwellung. Vermehrte Aufklappbarkeit des Gelenks bei Valgusstress.
  • Diagnostik:Nachweis der Instabilität durch Untersuchung im Seitenvergleich. Darstellung des Ligamentkomplexes per MRT.
  • Therapie:Bei stabilem Gelenk konservative Therapie. Bei Instabilität operative Therapie mit anatomischer Rekonstruktion der Ligamente.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Verletzung des lateralen Ligamentkomplexes am Ellenbogen
    • Der Komplex besteht aus dem lateralen Kollateralband (LCL), lateralen ulnaren Kollateralband (LUCL) und Kapselgewebe.

Häufigkeit

  • Häufigste Begleitverletzung bei Ellenbogenluxationen
  • Zudem hohes Risiko für Läsion bei Wurfsportler*innen, z. B. Baseball-Pitcher

Klinische Anatomie

  • Kapselbandkomplex aus LCL, LUCL und Gelenkkapsel zur Stabilisierung des Ellenbogengelenks gegenüber Valgusstress
  • Anatomischer Verlauf
    • LCL: Entspringt am lateralen Epikondylus und strahlt in Lig. anulare radii ein.
    • LUCL: Entspringt am lateralen Epikondylus, verbindet sich mit Lig. anulare radii und setzt an Crista supinatoria der Ulna an.

Ätiologie und Pathogenese

  • Bei Hyperextension, Valgusstress und Supination im Ellenbogengelenk wird der ulnare Kapselbandkomplex maximal gedehnt und kann einreißen.
  • Beispielhafte Pathomechanismen
    • Handballtorhüter*in pariert harten Wurf mit extendiertem Arm.
    • repetitive Mikrotraumata bei Wurfsportarten wie Speerwerfen oder Baseball
  • Pathomechanismus für Ellenbogenluxation
    • Sturz auf leicht flektierten Arm, wobei gegenüber dem fixierten pronierten Unterarm Valgus- und Innenrotationskräfte auf den Humerus einwirken.

Prädisponierende Faktoren

  • Ellenbogenluxation
  • Wurfsportarten
  • Torhüter*innen (Parieren von harten Würfen oder Schüssen mit extendiertem Arm)
    • z. B. Handball oder Fußball

ICPC-2

  • L81 Verletzung muskuloskelettär NNB

ICD-10

  • S53.3 Traumatische Ruptur des Lig. collaterale ulnare
  • S53.42 Verstauchung und Zerrung des Lig. collaterale ulnare

Diagnostik

Differenzialdiagnosen

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Überprüfung der Stabilität des Ellenbogengelenks
    • pathologisch: vermehrte Aufklappbarkeit bei Valgusstress
  • Radiologische Bildgebung
    • Standarddiagnostik Röntgen
    • bei V. a. ulnare Kapselbandläsion ggf. MRT

Anamnese

  • Dominante Seite (Rechts-/Linkshänder*in)
  • Berufliche Tätigkeit
  • Sportliche Aktivitäten
    • Aus den drei o. g. Angaben ergibt sich in der Regel der funktionelle Anspruch an das Ellenbogengelenk.
  • Pathomechanismus
    • akutes Trauma 
    • repetitive Mikrotraumata
  • Vorherige Verletzungen oder Operationen der oberen Extremität
  • Bisher durchgeführte Diagnostik und Therapie
  • Typische Symptomatik
    • Schmerzen an der ulnaren Seite des Ellenbogens
    • Zunahme der Schmerzen bei bzw. nach Wurfbewegungen
    • ggf. Gefühl von Instabilität

Klinische Untersuchung

  • Inspektion
    • oft unauffällig, ggf. Schwellung des Ellenbogens
  • Palpation
    • Druckschmerz ulnarseitig im Verlauf des Ligamentkomplexes
  • Funktionsprüfung1
    • Überprüfung der Valgusstabilität im Seitenvergleich
      • Überprüfung in voller Streckung sowie 30-Grad-Flexion
      • Schulter außenrotiert, Unterarm supiniert
      • Fixation des distalen Oberarms von lateral mit der einen Hand und Fixation des proximalen Unterarms von medial mit der anderen Hand
      • Ausübung von Valgusstress (Schub von lateral aufs Ellenbogengelenk)
      • positiv: vermehrte Aufklappbarkeit des Gelenks im Seitenvergleich
    • Pivot-Shift-Test
      • in der Regel nur unter Analgosedierung möglich
      • Kombinationsbewegung aus axialer Kompression, Supination, Valgusstress und Flexion 
      • Positiv: Bei etwa 40-Grad-Flexion (Sub-)Luxation des Ellenbogens, bei der (Sub-)Luxation des Radiusköpfchens getastet bzw. gesehen werden kann.

Diagnostik bei Spezialist*innen

Bildgebung1

  • Röntgen des Ellenbogens in 2 Ebenen
    • Standarddiagnostik zum Ausschluss knöcherner Begleitverletzungen
  • CT
    • bei intraartikulären knöchernen Begleitverletzungen (oft bei Luxation)
  • MRT
    • gute Darstellung von Bandverletzungen
    • zudem Erkennen von Begleitverletzungen wie freien Gelenkkörpern, Knorpelläsionen und Extensoren- oder Flexorenläsionen

Indikationen zur Überweisung

  • Bei V. a. ulnare Kapselbandläsion Überweisung an Unfallchirurg*in/Orthopäd*in
    • Frage nach Stabilität des Ellenbogengelenks und Indikation zur konservativen oder chirurgischen Therapie

Therapie

Therapieziele

  • Kurzfristig: Linderung der Schmerzen
  • Langfristig: ausreichende Stabilität des Gelenks zur Prävention von chronischen Beschwerden

Konservative Therapie

  • In der Akutphase Schmerzlinderung durch NSAR
    • z. B. Ibuprofen 600 mg 1–0–1
  • Bei lediglich Zerrung des Ligamentkomplexes und erhaltener Stabilität des Ellenbogengelenks
    • in der Akutphase evtl. Ruhigstellung in einer Schlinge für 3–4 Tage zur Schmerzlinderung
    • Anschließend frühfunktionelle Beübung, um Einsteifung zu verhindern.

Operative Therapie

  • Indiziert bei Rupturen des Ligamentkomplexes und unzureichender muskulärer Kompensation der Gelenkstabilität1
  • Vorgehen
    • anatomische Rekonstruktion der Ligamente, möglichst mit Augmentation der Naht (autologer Sehnengraft2 oder synthetisches Material3)

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Konservativ behandelte Zerrung
    • Heilt meist unter Schonung innerhalb von 1–2 Wochen aus.
  • Operativ versorgte Ruptur
    • postoperativ Ruhigstellungsschiene für max. 3 Tage zur Weichteilkonsolidierung3 
    • frühfunktionelle Beübung mit uneingeschränktem Bewegungsumfang bereits am 1. postoperativen Tag3
    • Rückkehr zu sportlicher Aktivität abhängig von Sportart und verwendeter OP-Technik, Dauer meist mehrere Wochen bis Monate

Komplikationen

  • Chronische Instabilität 
    • Schmerzen
    • sekundäre Cubitalarathrose

Prognose

  • Bei einer Zerrung bleiben in der Regel keine Einschränkungen zurück.
  • Bei operativ versorgter Ruptur ist ggf. Rückkehr zu ursprünglicher Sportart nicht zu empfehlen, um Rerupturen und chronische Instabilität zu verhindern.
    • Vorrang bei der Behandlung hat die alltägliche Belastungsfähigkeit.

Illustrationen

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Belastung des lateralen ulnaren Ligamentkomplexes am Ellbogen durch Wurfsportarten (Quelle: Wikipedia)

Quellen

Literatur

  1. Burkhart KJ, Hollinger B, Wegmann K, et al. Luxationen und Bandverletzungen am Ellenbogen und Unterarm. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2012; 7(6): 435-62. www.thieme-connect.com
  2. Lorenz J. Ulnares Ellenbogen-Kollateralband: Neue OP-Technik verbessert Stabilität. Sportverletz Sportschaden 2019; 33(2): 66. www.thieme-connect.com
  3. Bhide PP, Greiner S. „Ligament bracing“ am Ellenbogen. Obere Extremität 2018; 13: 218-20. link.springer.com

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.

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