Sinus-tarsi-Syndrom

Zusammenfassung

  • Definition:Schmerzsyndrom des lateralen Sprunggelenks mit subjektiver Instabilität verschiedener Ätiologie. Affektion der Strukturen im Sinus tarsi (Canalis tarsi), häufig nach vorangegangenem Trauma des Sprunggelenks (meist Inversionstrauma).
  • Häufigkeit:Keine verlässlichen Daten zur Häufigkeit aufgrund uneinheitlicher Definition des Krankheitsbildes.
  • Symptome:Schmerzen über dem lateralen Sprunggelenk mit z. T. begleitendem Gefühl der Gelenkinstabilität und Gangunsicherheit auf unebenen Flächen.
  • Befunde:Wegweisend ist ein auslösbarer Schmerz durch Palpation des Sinus tarsi am lateralen Fuß. Z. T. finden sich eine lokale Schwellung oder Zeichen einer Gelenkinstabilität.
  • Diagnostik:In der Regel klinische Diagnosestellung sowie Einsatz bildgebender Untersuchungen zum Nachweis objektivierbarer Ursachen.
  • Therapie:Die Behandlung erfolgt initial meist konservativ (z. B. Entlastung, Physiotherapie, Anpassung des Schuhwerks, lokale Infiltrationen). Bei Therapieversagen kommen operative Therapien zum Einsatz.

Allgemeine Informationen

Definition

Häufigkeit

  • Kaum Daten zur Häufigkeit verfügbar, auch aufgrund uneinheitlicher Definitionen
  • Betrifft bis zu 14 % aller Patient*innen mit chronischer Sprunggelenksinstabilität2

Ätiologie und Pathogenese

Klinische Anatomie

  • Sinus tarsi
    • anatomisch kanalförmige Struktur am Rückfuß
    • kranial durch Sulcus tali und kaudal durch Sulcus calcanei begrenzt
    • mündet in den trichterförmigen Tarsalkanal
    • knöcherne Begrenzungen relativ unregelmäßig (u. a. durch viele Foramina für Gefäße)
  • Inhalt des Sinus tarsi1
    • Ligamentum talocalcaneum interosseum (Hauptstruktur)
      • Umgeben von Fett, Blutgefäßen und Nerven.
    • Anteile des Retinaculum musculorum extensorum inferior
    • Anastomosen von mehreren Arterien des lateralen Fußes
      • ist verantwortlich für die Blutversorgung des Talus
    • neurohistologisch viele Nervenendigungen für nozizeptive und propriozeptive Wahrnehmung
      • anzunehmende Rolle in der zentralen Kontrolle der Stabilität in den Sprunggelenken

Ätiologie

  • Ätiologie und Pathophysiologie des Krankheitsbildes sind nicht abschließend geklärt und in der Literatur uneinheitlich.1
  • Die Instabilität im Subtalargelenk (Inversion und Eversion des Fußes) scheint eine zentrale Ursache der Entstehung zu sein.3-4
    • häufige Ursachen
      • Verlust von Stabilität durch neuromuskuläre oder propriozeptive Dysfunktion
      • Verlust von passiver Stabilität durch Schädigung des Bandapparates
      • rezidivierende Mikrotraumatisierung (z. B. Umknicken)
    • Das Lig. talocalcaneum interosseum ist wesentlich an der Gelenkfunktion beteiligt.
  • Auf Basis der Instabilität reduzierte Schutzmechanismen vor Verletzungen der Sprunggelenke (z. B. nach Inversionstraumata)
    • reduzierte passive Widerstandsfähigkeit (Bandapparat)
    • reduzierte aktive muskuläre Antwort (Feedback-Mechanismus)
  • Weitere Hypothesen zur Krankheitsentstehung im Sinus tarsi5
    • Narbenbildung und erhöhte Spannung nach Bänderverletzung
    • Einlagerungen von Hämosiderin nach Einblutung
    • pathologische vaskuläre Veränderungen
    • posttraumatische fibröse Umbauvorgänge mit erhöhtem venösem Abflusswiderstand

Prädisponierende Faktoren

ICD-10

  • M70 Krankheiten des Weichteilgewebes im Zusammenhang mit Beanspruchung, Überbeanspruchung und Druck
    • M70.8 Sonstige Krankheiten des Weichteilgewebes durch Beanspruchung, Überbeanspruchung und Druck

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnosestellung basiert in der Regel auf Anamnese und klinischem Untersuchungsbefund.
  • Bildgebende Untersuchungen dienen der Suche nach einer objektivierbaren Ursache.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

Beschwerden,

Ursachen

  • Vorangegangenes Trauma des Fußes
  • Sportliche und andere Aktivitäten mit Belastung des Fußes
  • Grunderkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis)

Klinische Untersuchung des Fußes

  • Inspektion
    • sichtbare Verletzungen, Rötung
    • Schwellung über dem Sinus tarsi möglich
  • Druckschmerz über dem lateralen Sinus tarsi,
  • Stabilität der Sprunggelenke
    • Instabilitäten des oberen oder unteren Sprunggelenks möglich, aber keine diagnostische Voraussetzung

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Keine erforderlich

Diagnostik bei Spezialist*innen

Bildgebende Diagnostik

  • Röntgen1
    • Übersichtsaufnahmen der Sprunggelenke
      • in der Regel ohne wegweisenden Befund
    • Stressaufnahmen können Instabilitäten im Sprunggelenksbereich nachweisen.
  • MRT1,7-8
    • Untersuchung auf ligamentäre Verletzung oder Veränderungen im kollateralen Bandapparates
    • Typisch ist der Nachweis entzündlich veränderten oder fibrosierten Gewebes im Sinus tarsi statt dem physiologischen Fettsignal
    • Kontrastmitteluntersuchung meist wenig zielführend
  • Arthrografie
    • Bildgebung des Gelenks nach intraartikulärer Injektion von Kontrastmittel
    • Mögliches Zeichen ist ein Verschwinden des normalen synovialen Microrecessus im posterioren Subtalargelenk.
    • In einer Studie über pathologische Arthrografiebefunde hatte die Mehrzahl der Patient*innen die klinische Diagnose eines Sulcus-tarsi-Syndroms.

Lokalanästhetika-Injektion

  • Unmittelbare Schmerzlinderung nach Lokalanästhetika-Injektion in den Sinus tarsi ist diagnostisch wegweisend.1

Arthroskopie

  • Nachweis pathologischer Veränderungen mit direkter Interventionsmöglichkeit7
  • Einsatz z. B. nach Versagen einer konservativen Therapie1

Indikationen zur Überweisung

Therapie

Therapieziel

  • Symptomlinderung

Allgemeines zur Therapie

  • Wesentliche Therapieoptionen:1
    • konservative Behandlung
    • operative Behandlung.

Konservative Therapie

  • Vorübergehende symptomatische Schmerztherapie und Kühlung
  • Entlastung1
    • ggf. Ruhigstellung mittels Schienen oder Castverband über 3-4 Wochen
  • Physikalische Therapie
    • z. B. funktionell stabilisierende Fußgymnastik
  • Anpassung des Schuhwerks oder Einlagenversorgung1
    • häufig mit medialer Stützung zur Korrektur einer Überpronation
  • Elektrotherapeutische Maßnahmen
  • Ultraschalltherapie
  • Lokale Infiltration
    • Injektionen von Lokalanästhetika und Steroiden in den Sinus tarsi1
    • in der Regel bis zu 3-malige Wiederholung
    • wirksam in der Symptomlinderung, z. T. auch Heilung

Operative Therapie

  • Indikation bei Versagen einer konservativen Therapie
  • Bisherige Operationsverfahren sind nur in retrospektiven Studien untersucht.1
  • Verschiedene operative Therapien sind beschrieben:1,3,7,9
    • Sinus-Tarsektomie
      • z. T. mit Revision des unteren Sprunggelenks und lateralen Bandapparates des Rückfußes
    • laterale Exzision des Sinus tarsi
    • gezielte periphere Denervierung des Sinus tarsi (N. peroneus profundus)
    • Arthroskopie des Subtalargelenkes
    • plastische Rekonstruktion des Lig. talocalcaneum interosseum.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Prognose

  • In der Regel gute Prognose
  • Erfolgreiche konservative Therapie in 2/3 der Fälle
  • Erfolgsraten operativer Therapien in Einzelstudien bei bis zu 90 %1

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Arshad Z, Bhatia M. Current concepts in sinus tarsi syndrome: A scoping review. Foot Ankle Surg. 2021;27(6):615-621. doi:10.1016/j.fas.2020.08.013 doi.org
  2. Fallat L, Grimm DJ, Saracco JA. Sprained ankle syndrome: prevalence and analysis of 639 acute injuries. J Foot Ankle Surg 1998; 37:280. PubMed
  3. Oloff LM, Schulhofer SD, Bocko AP. Subtalar joint arthroscopy for sinus tarsi syndrome: a review of 29 cases. J Foot Ankle Surg 2001; 40:152. PubMed
  4. Dozier TJ, Figueroa RT, Kalmar J. Sinus tarsi syndrome. J La State Med Soc 2001; 153:458. PubMed
  5. Hertel J. Functional instability following lateral ankle sprain. Sports Med 2000; 29: 361-71. PubMed
  6. Pisani G, Pisani PC, Parino E. Sinus tarsi syndrome and subtalar joint instability. Clin Podiatr Med Surg North Am 2005; 22: 63-77. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Lee KB, Bai LB, Song EK, et al. Subtalar arthroscopy for sinus Tarsi syndrome: arthroscopic findings and clinical outcomes of 33 consecutive cases. Arthroscopy 2008; 24:1130. PubMed
  8. Lee KB, Bai LB, Park JG, et al. Efficacy of MRI versus arthroscopy for evaluation of sinus tarsi syndrome. Foot Ankle Int 2008; 29:1111. PubMed
  9. Kuwada GT. Long-term retrospective analysis of the treatment of sinus tarsi syndrome. J Foot Ankle Surg 1994; 33:28. PubMed

Autor*innen

  • Jonas Klaus, Arzt in Weiterbildung, Neurologie, Hamburg

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