Handschmerzen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Schmerzen der Hand können akut, subakut und chronisch auftreten und diverse Ursachen haben.

Häufigkeit

  • Handbeschwerden kommen sehr häufig vor.
  • Nahezu 25 % aller Verletzungen im Sport betreffen Hand oder Handgelenk, wenn man Schürfwunden mitrechnet.1
  • Zudem treten aufgrund manueller Arbeit auch häufig Überlastungserscheinungen auf.

Klinische Anatomie

  • Die Hand kann in die Bereiche Handgelenk, Handwurzel (Karpus) und Finger eingeteilt werden.
  • Handgelenk
    • Verbindung zwischen Radius, Ulna und Karpalknochen inklusive triangulärem fibrokartilaginären Komplex (TFCC)
  • Handwurzel (Karpus)
    • 2 Reihen von Handwurzelknochen
      • proximal: Os scaphoideum, Os lunatum, Os triquetrum, Os pisiforme
      • distal: Os trapezium, Os trapezoideum, Os capitatum, Os hamatum mit Hamulus ossis hamati
  • Finger
    • jeweils aus 3 Phalangen bestehend, Ausnahme Daumen mit 2 Phalangen

ICPC-2

  • L11 Handgelenksymptomatik
  • L12 Hand-/Fingersymptomatik/-beschwerden

ICD-10

  • M79.64 Schmerzen in den Extremitäten: Hand

Diagnostik

Diagnostische Überlegungen

  • Anhand der Anamnese und einer klinischen Untersuchung kann in der Regel eine Verdachtsdiagnose gestellt werden, die ggf. durch weiterführende bildgebende oder laborchemische Diagnostik gesichert werden kann.
  • Für Alltag, Beruf und sportliche sowie musikalische Aktivitäten stellt die Hand ein enorm wichtiges Instrument dar.
    • Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung von Handschmerzen sind essenziell für gutes funktionelles Ergebnis.
    • im Zweifel frühzeitige Überweisung an Spezialist*innen für Handverletzungen (Handchirurg*innen)

Differenzialdiagnosen

  • Eine Einteilung der Schmerzursachen ist in 6 Kategorien möglich:
    1. traumatisch (akuter Schmerzbeginn)
    2. degenerativ/Überlastung (subakut bis chronisch)
    3. infektiös (akut bis subakut)
    4. Nervenkompression (meist subakut)
    5. Symptom einer Grunderkrankung (subakut bis chronisch)
    6. sonstige.
  • Bei Handschmerzen folgende Faktoren erfragen, um den Funktionsanspruch an die Hand zu ermitteln:2
    • Händigkeit (Rechts- oder Linkshänder*in)
    • berufliche Tätigkeit
    • chronische Handgelenk belastende Tätigkeiten
    • sportliche Belastungen
    • musikalische Aktivitäten
    • Gehbehinderung (Benutzung einer Gehhilfe)
    • vorbestehende Berentung.

Traumatisch

  • Genaues Abfragen des Unfallmechanismus
    • Zeitpunkt
    • einwirkende Kraft
    • Stellung der Hand beim Unfall
  • Arbeits- oder Wegeunfall
    • Überweisung an D-Ärzt*in
  • Klinische Untersuchung nach Davos-Methode („Da wo's wehtut“, Druckdolenz in der Regel am Punkt der verletzten knöchernen Struktur) und Dokumentation von pDMS
  • Bildgebende Diagnostik zur Diagnosesicherung und Ausschluss abwendbar gefährlicher Verläufe (Luxationen, Frakturen)
  • Mögliche Differenzialdiagnosen

Degenerativ/Überlastung

  • Oft repetitive Mikrotraumata oder hohe berufliche bzw. alltägliche Belastung der Hand, z. B. Handwerker*innen, Leistungssportler*innen mit Schlägern (u. a. Tennis) oder auch Büroarbeiter*innen (Maus, Tastatur)
    • Daher insbesondere bei V. a. Überlastungsreaktion die manuellen Tätigkeiten in Beruf und Freizeit abfragen.
  • Eine Diagnose ist meist allein durch die typische Anamnese und den klinischen Befund möglich.
  • Mögliche Differenzialdiagnosen
    • Tendopathie des Handgelenks
      • bei ausgeprägter Tendovaginitis Krepitation der Sehnenscheiden palpabel
    • Rhizarthrose
      • Grind-Test: axialer Druck auf Daumen mit Rotationsbewegungen
    • Arthrose des Handgelenks
    • Fingerpolyarthrose
      • vor allem DIP-Gelenke betroffen
    • Ganglion
      • Zyste im Bereich einer Gelenkkapsel oder Sehnenscheide
    • schnellender Finger
      • Durch (rezidivierende) Tendovaginitis der Beugesehnen und konsekutiver Verdickung bleibt der Finger in Beugestellung hängen.
    • Tendovaginitis stenosans de Quervain
      • Tendovaginitis des 1. Strecksehnenfachs (Daumenbereich)

Infektiös

  • In der Regel Hautläsion als Eintrittspforte für Keime
  • Typische Entzündungszeichen: Rubor, Tumor, Calor, Dolor, Functio laesa
  • Behandlung durch antibiotische Therapie und/oder chirurgische Sanierung
  • Wichtige Maßnahme in der Hausarztpraxis: Entfernen von Ringen und Ketten an der betroffenen Hand, bevor eine zunehmende Schwellung das Abnehmen unmöglich macht.
  • Mögliche Differenzialdiagnosen

Nervenkompressionssyndrome

  • Leitsymptome sind Parästhesien oder Paresen.
  • Das betroffene Gebiet und abgeschwächte Muskeln geben Hinweise auf die Ursache.
    • Differenzierung zwischen radikulärer Symptomatik (von HWS ausgehend) und peripheren Nervenläsionen (Nn. ulnaris, radialis und medianus)
  • Mögliche Differenzialdiagnosen und betroffene sensible Versorgungsgebiete

Symptom einer Grunderkrankung

  • Die Erstmanifestation einer internistischen Grunderkrankung kann auch als Schmerz an der Hand auftreten. Beispiele:
    • Daktylitis, Tüpfelnägel und Ölflecken: Psoriasis
    • schmerzhafte Schwellung der Finger mit Tophus: Gicht
    • symmetrische Schwellung der Fingergrund- und -mittelgelenke (Fingerendgelenk in der Regel nicht betroffen): rheumatoide Arthritis
    • symmetrische Schmerzen der Fingergrundgelenke von Zeige- und Mittelfinger: Hämochromatose
  • Zudem existieren an der Hand diverse pathognomische Befunde für internistische Erkrankungen, die jedoch in der Regel nicht mit Schmerzen einhergehen. Beispiele:

Sonstige

  • Weitere mögliche Ursachen für Handschmerzen können sein:
    • M. Dupuytren
      • palmare Bindegewebswucherungen mit progredienter Einschränkung der Streckfähigkeit der Finger
    • Tumoren
      • Sarkome: sehr selten
    • Fibromyalgiesyndrom
      • diffuse Schmerzsymptomatik auch an der Hand möglich, u. a. mit Schwellungsgefühl, Brennen und Steifigkeit
    • CRPS 
      • Komplikation nach Trauma, wie z. B. distaler Radiusfraktur
      • Schmerzen oft in Kombination mit trophischen Störungen

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

Bei Spezialist*innen

  • Bildgebung
    • Röntgen bei Verdacht auf Fraktur oder rheumatoide Arthritis
    • CT bei komplexen oder V. a. okkulte Frakturen (siehe Skaphoidfraktur)
    • MRT bei V. a. Weichteilverletzungen (TFCC, Ligamente)
    • Sonografie: Darstellung von möglichem Gelenkerguss und Synovitis bei rheumatischen Erkrankungen

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei Handschmerzen, die die beruflichen oder alltäglichen Aktivitäten der Patient*innen signifikant einschränken, sollte eine frühzeitige Überweisung an Spezialist*innen erfolgen, um einen langfristigen Funktionsverlust der Hand zu vermeiden.
  • Bei komplexen Frakturen, Rupturen der Beugesehnen, ausgeprägten Phlegmonen oder sonstigen Erkrankungen, die eine operative Versorgung benötigen, Einweisung ins Krankenhaus.

Therapie

  • Die Therapie erfolgt abhängig von der Ursache der Handschmerzen, in den meisten Fällen ambulant in der Hausarztpraxis oder in Kooperation mit Spezialist*innen.
  • Bei therapierefraktären Beschwerden oder Zweifel an der Diagnose sollte aufgrund der hohen funktionellen Bedeutung der Hand eine frühzeitige Mitbehandlung durch Spezialist*innen erfolgen.
  • Vollständige Immobilisierung der Finger sollte wegen des hohen Risikos einer Versteifung vermieden werden.

Prävention

  • Bei Risikosportarten mit erhöhtem Sturzrisiko sollten Handgelenk-Protektoren zur Verringerung der Verletzungsgefahr getragen werden.3

Illustrationen

Normales Handskelett, Röntgen
Normales Handskelett, Röntgen: 1. Phalanx distalis (Fingerknochen Endglied). 2. Phalanx media (Fingerknochen Mittelglied). 3. Phalanx proximalis (Fingerknochen Grundglied). 4. Os metacarpale (Mittelhandknochen).

Quellen

Literatur

  1. Kling A, Kling M. Die klinische Diagnostik des Handgelenks. Sportphysio 2022; 10(2): 85-93. www.thieme-connect.com
  2. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU). Distale Radiusfraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 187-019, Stand 2021. www.awmf.org
  3. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU). Skaphoidfraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 012-016, Stand 2015. www.leitliniensekretariat.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.



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