Trichotillomanie (Haareausreißen)

Trichotillomanie ist eine Störung der Impulskontrolle, bei der sich Betroffene immer wieder ihre Haare ausreißen. Dabei kann es zu einem beträchtlichen Haarverlust kommen.

Was ist Trichotillomanie?

Trichotillomanie
Trichotillomanie

Definition

Bei Trichotillomanie reißen sich Betroffene ihre Haare aus, meistens Kopfhaare. Die Erkrankung wird zu den Impulskontroll- bzw. Zwangsspektrumstörungen gezählt. Dabei kann es zu einem beträchtlichen Haarverlust kommen.

Symptome

Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch den Drang, sich selbst Haare auszureißen. In den meisten Fällen wird das Haar von der Oberseite des Kopfes ausgerissen. Manche Personen reißen sich Wimpern aus, bei anderen sind es die Schamhaare. Dabei werden so häufig oder so viele Haare ausgerissen, dass lichte Stellen erkennbar werden.

Das Ausreißen der Haare ist häufig mit dem Gefühl wachsender Spannung verbunden und einem anschließenden Gefühl von Erleichterung und Befriedigung. Die Handlungen können periodisch oder dauerhaft auftreten; auch die Intensität der Handlung kann variieren. Zwischen den „aktiven Perioden‟ können Monate vergehen.

Einige Betroffene reißen auch anderen Personen oder Haustieren Haare aus. Nicht selten werden die ausgerissenen Haare gegessen bzw. heruntergeschluckt. Dies kann zu Haarknäulen im Verdauungstrakt führen und Bauchschmerzen, Blutarmut (Anämie), Verstopfung und andere Erkrankungen des Verdauungssystems verursachen.

In Verbindung mit Trichotillomanie treten auch bestimmte psychische Erkrankungen wie etwa Angststörungen oder Depressionen gehäuft auf.

Bei betroffenen Personen überwiegt häufig ein Gefühl der Scham für das Verhalten, das deshalb oft verleugnet wird.

Ursachen

Die genauen Ursachen sind nicht bekannt. Es werden sowohl Umweltfaktoren als auch genetische Ursachen diskutiert.

Häufigkeit

  • Das Auftreten wird aufgrund der Verschleierung der Erkrankung durch Patient*innen und eine Unterdiagnostizierung durch das ärztliche Personal wahrscheinlich unterschätzt.
  • Schätzungsweise 0,6–4 % aller Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Trichotillomanie, vor allem im Alter zwischen 4 und 17.
  • Das Durchschnittsalter zu Beginn beträgt in der Regel 8–12 Jahre, die Erkrankung kann jedoch in jedem Alter auftreten.
  • Frauen sind bis zu 9-mal häufiger betroffen.

Untersuchungen

Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt. Betroffene trauen sich aus Scham oftmals nicht, vom Haareausreißen zu berichten.

In der körperlichen Untersuchung folgt die Verteilung des Haarausfalls keinem Muster und hat unregelmäßige Kanten und Verläufe. Die Bereiche, aus denen die Haare ausgerissen werden, sind fast nie völlig haarlos, es gibt jedoch Anzeichen für kurze und abgebrochene Haarsträhnen unterschiedlicher Länge.

Für die Diagnosestellung müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die ebenfalls zu Haarverlust führen können:

Bei nicht eindeutigen Befunden kann eine Biopsie zum Ausschluss eines autoimmun bedingten Haarausfalls durchgeführt werden.

Behandlung

Die Behandlung besteht vor allem aus der Teilnahme an einer Verhaltenstherapie und kann durch Medikamente (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) ergänzt werden. Eine Verbesserung des Umgangs mit Stress sowie Entspannungsmethoden können wirksam sein, um das Ausreißen von Haaren zu vermeiden.

Bestehen weitere psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depression werden diese auch behandelt.

Prognose

Trichotillomanie, die in der frühen Kindheit auftritt, ist häufig von kurzer Dauer und endet von selbst. Wenn die Trichotillomanie länger als 6 Monate anhält, ist die Erkrankung jedoch schwerer zu therapieren.

Weitere Informationen

Autorin

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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References

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