Verwirrtheit

Eine wichtige Information vorab!

Wenn Sie eine Person in einem plötzlich auftretenden Verwirrtheitszustand finden, wenden Sie sich bitte sofort an:

  • die Rettungsleitstelle
  • oder die Polizei.

Was ist Verwirrtheit?

Definition

Verwirrtheit kann einen Zustand bezeichnen, der durch eine beeinträchtigte Wahrnehmung und Orientierung hinsichtlich Zeit, Ort, Situation und Person gekennzeichnet ist. Sie ist meist Folge einer vorübergehenden oder dauerhaften Schädigung des Gehirns und muss, wenn sie plötzlich auftritt, unmittelbar ärztlich untersucht und behandelt werden, dies gilt insbesondere bei einem Delir (siehe Abschnitt Notfallmaßnahmen).

Symptome

  • Außerdem können folgende Symptome hinzukommen:
    • beeinträchtigtes Bewusstsein
    • Gedächtnisstörungen
    • psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen
    • Gereiztheit und Aggressivität
    • Angst
    • Depression 
    • Apathie
    • körperliche Unruhe und Aufgeregtheit
    • Ruhelosigkeit
    • Bestimmte Handlungen werden (teilweise zwanghaft) – ohne zu einem Ziel zu führen – wiederholt.
    • Betroffene Personen können (z.B. sexuell) enthemmt sein und Handlungen vornehmen, die gesunde Personen in der gleichen Situation nicht vornehmen würden.
  • Verwirrtheitszustände nehmen mit dem Alter zu. Zur Verwirrtheit kommt es häufig bei:
    • Erkrankungen des zentralen Nervensystem (z. B. Demenz)
    • Schädigungen des Gehirns (z.B. Unfälle, Durchblutungsstörungen, Sauerstoffmangel) 
    • älteren Menschen mit körperlichen Erkrankungen, die stationär in einem Krankenhaus aufgenommen werden müssen, auf Intensivstationen oder nach Operationen.
  • Jüngere ansonsten gesunde Personen können ebenfalls von einer Verwirrtheit betroffen sein, z. B. durch Drogen- oder Alkoholkonsum/-entzug.

Was können Ursachen und Auslöser sein?

Für die Entstehung eines Verwirrtheitszustandes kann es sehr viele verschiedene Ursachen oder Auslöser geben, z. B.:

Körperliche Erkrankungen

  • Infektionen
  • Verletzungen
  • Größere Operationen
  • Sauerstoffmangel (z. B. bei Herz- oder Lungenerkrankungen)
  • Schmerzen
  • Unterernährung
  • Schwere Vitaminmangelzustände (z. B. bei Alkoholkrankheit)
  • Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes)
  • Schlaganfall
  • Hirnblutungen
  • Nervenerkrankungen, die durch einen Abbau oder eine Schädigung von Nervenzellen insbesondere im Gehirn gekennzeichnet sind (z. B. Alzheimer-Demenz oder Parkinson-Erkrankung)

Bestimmte Medikamente und Substanzen

  • Kombinationen aus verschiedenen Medikamenten mit unterschiedlichen Wechselwirkungen
  • Antidepressiva und Medikamente zur Behandlung von psychotischen Störungen
  • Beruhigungsmittel und Schmerzmedikamente
  • Herzmedikamente
  • Medikamente zur Behandlung einer Epilepsie
  • Medikamente, die in der Chemotherapie eingesetzt werden.
  • Drogen und Alkohol können direkt bei Einnahme eine Verwirrtheit auslösen. Sind Menschen davon abhängig, kann ein Fehlen bzw. ein Entzug ebenfalls zu einer Verwirrtheit führen.

Psychiatrische Erkrankungen

Gifte

  • Pflanzenschutzmittel
  • Lösungsmittel 
  • Schwermetalle

Umgebungsfaktoren 

  • Monotone Umgebung, soziale Isolation
  • Beeinträchtigung von Seh- und Hörvermögen
  • Ungewohnte Umgebung
  • Stress
  • Schwierigkeiten, sich selbst fortzubewegen.

Wann sollten Sie ärztliche Hilfe suchen?

Eine Person mit akut entstandener Angst und Verwirrtheit benötigt eine sofortige medizinische Behandlung, meist im Krankenhaus.

Längerfristige Angst und Verwirrtheit bei einer älteren Person kann eher auf eine Altersdemenz hindeuten. Hier besteht in der Regel keine Eile für medizinische Hilfe.

Untersuchungen

Ausführliches Gespräch

Häufig sind erkrankte Personen selbst nicht in der Lage, Auskunft zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand zu geben. Daher ist die Befragung von Angehörigen oder betreuenden Personen sehr wichtig.

Folgende Fragen können von den Ärzt*innen gestellt werden:

  • Seit wann besteht der Zustand?
  • Hat sich der Zustand schleichend oder abrupt entwickelt?
  • Gibt es körperliche Erkrankungen (Infekte, Vorerkrankungen, Diabetes)?
  • Werden bestimmte Substanzen eingenommen oder ist die betroffene Person gerade im Entzug von diesen (Alkohol, Nikotin, Psychopharmaka)?
  • Werden regelmäßig Medikamente eingenommen, wurde an der Einnahme etwas verändert?
  • Gibt es bereits Hinweise auf eine Demenz?
  • Wie gut findet sich die betroffene Person allgemein im Alltag zurecht?
  • Gibt es Schwierigkeiten mit dem Sehen oder Hören?
  • Hatte die betroffene Person kürzlich einen Sturz oder eine Operation?
  • Gibt es psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen bei der betroffenen Person oder in der Familie?
  • Ist die betroffene Person kurz vor der Verwirrung extremen psychischen oder körperlichen Belastungen ausgesetzt gewesen?
  • Leidet die betroffene Person an Epilepsie oder wurde vorausgehend ein Krampfanfall beobachtet?

Körperliche Untersuchung

Zur Erkennung eines akut lebensbedrohlichen Zustandes und körperlicher Ursachen der Verwirrtheit muss sofort eine gründliche körperlich-neurologische Untersuchung durchgeführt werden, bei der auch Temperatur, Blutdruck und Puls gemessen werden. Ergänzend werden meist eine Blutanalyse und ein EKG angefertigt.

Untersuchungen bei Spezialist*innen

In bestimmten Fällen kann darüber hinaus eine Ableitung der Hirnströme, eine Untersuchung von Hirn- und Nervenwasser sowie die Anfertigung eines CT oder eines Röntgenbildes sinnvoll sein.

Einweisung in ein Krankenhaus

Akute Angst und Verwirrtheit erfordern in den meisten Fällen eine Abklärung in einem Krankenhaus, um herauszufinden, ob sich hinter den Symptomen eine gefährliche Krankheit verbirgt.

Falls die Erkrankung so stark ausgeprägt ist, dass erkrankte Personen sich oder ihre Mitmenschen akut in Gefahr bringen (z. B. bei einer akuten Psychose mit Stimmenhören, die entsprechende Handlungen befehlen) kann, wenn nötig, eine unfreiwillige Einweisung in ein Krankenhaus zur weiteren Abklärung und Behandlung erfolgen.

Behandlung

Die Behandlung eines Verwirrtheitszustandes richtet sich nach der zugrunde liegenden Krankheitsursache. Unten genannte allgemeine Maßnahmen können sollten jedoch unabhängig von der Krankheitsursache beachtet und durchgeführt werden. 

Allgemeine Maßnahmen

Betroffene Personen sollten nicht allein gelassen und in einen Raum mit ruhiger Atmosphäre gebracht werden. Sie sollten v. a. in Hinblick auf ihre Körperfunktionen sowie Eigen- und Fremdgefährdung ständig überwacht werden. Orientierung und Sicherheit können außerdem geben:

  • die regelmäßige Anwesenheit vertrauter Bezugspersonen
  • insgesamt möglichst wenige an der Behandlung beteiligte Personen
  • zeitliche und räumliche Orientierungshilfen (z. B. gut sichtbare Uhren)
  • eine Umgebung, in der sich möglichst wenige und nur die aktuell notwendigen Dinge befinden.
  • ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus
  • in der (Mutter-)Sprache der betroffenen Person zu sprechen.
  • der Gebrauch von Seh- und Hörhilfen
  • Gespräche über das aktuelle Geschehen oder wo sich die Person gerade befindet.
  • Hindernisse und „Stolperfallen“ zu entfernen.

Notfallmaßnahmen

Ist die zugrunde liegende Ursache als lebensbedrohlicher Notfall einzustufen, muss grundsätzlich eine Überwachung und Behandlung auf einer Intensiv- oder Wachstation eines Krankenhauses sichergestellt sein.

Die häufigste Ursache für solch einen Notfall stellen Delir und Alkoholdelir als Folge einer akuten Schädigung eines bereits vorgeschädigten Gehirns dar, sie sind meist gekennzeichnet durch:

  • plötzliche Veränderung geistiger Fähigkeiten
  • Vorhandensein einer körperlichen Erkrankung
  • Das Sehen von Dingen und/ oder Personen die tatsächlich nicht vorhanden sind.
  • schwankenden Bewusstseinszustand
  • plötzlich auftretende psychische Symptome bei Personen ohne vorherige psychische Erkrankung
  • akutes Einsetzen neuer oder anderer psychiatrischer Symptome bei Personen mit bekannter psychischer Erkrankung

Behandlung der zugrunde liegenden Ursache

Der Behandlung der zugrunde liegenden Ursache im Krankenhaus kommt eine große Bedeutung zu. Falls beispielsweise Medikamente eingenommen werden, die einen Verwirrtheitszustand auslösen können, ist die Absetzung oder Verringerung der Dosis durch Ärzt*innen zu erwägen. Bei akutem Sauerstoffmangel kann dieser durch Sauerstoffgabe, ggf. auch durch entsprechende künstliche Beatmung ausgeglichen werden.

Was können Sie als angehörige Person tun?

In einer Situation mit Angst und Verwirrtheit sind betroffene Personen nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen.

Daher sind Sie als angehörige Person besonders gefordert, für die betroffene Person ärztliche Hilfe zu holen und sie im weiteren Verlauf der Behandlung als vertraute Bezugsperson zu begleiten.

Weitere Informationen

Autorin

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. M.

 

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References

Based on professional document Verwirrtheit, akute. References are shown below.

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