Zusammenfassung
- Definition:Als Spondyloarthritiden wird eine Gruppe von Krankheiten bezeichnet, die gekennzeichnet ist durch eine Entzündung des Achsenskelettes (Sakroiliitis, Spondylitis) und/oder eine Entzündung peripherer Gelenke (Arthritis) und Sehnenansätze (Enthesitis). Es besteht eine Assoziation mit HLA-B27.
- Häufigkeit:Die Prävalenz der Spondylarthropathien wird auf ca. 0,4–2 % geschätzt.
- Symptome:Bei axialer Spondyloarthritis typischerweise tiefsitzende Rückenschmerzen > 3 Monate bei Patient*innen < 45 Jahre, nächtliches Erwachen durch den Schmerz, Morgensteifigkeit, Besserung bei Bewegung. Bei peripherer Spondyloarthritis typischerweise asymmetrische Oligoarthritis, weitere charakteristische Veränderungen sind Enthesitis und Daktylitis.
- Befunde:Verminderte Wirbelsäulenbeweglichkeit, Entzündungszeichen/ Druckschmerzhaftigkeit im Bereich von Gelenken und/oder Enthesien.
- Diagnose:Neben Anamnese und Untersuchungsbefund beruht die Diagnose auf Labor (CRP/BSG, HLA-B27) und Bildgebung (konventionelles Röntgen, MRT, Ultraschall).
- Behandlung:Bewegungstherapie als wichtige nichtpharmakologische Maßnahme. Medikamentöse Behandlung je nach betroffenem Bereich mit NSAR, lokalen Kortikoidinjektionen, konventionellen Basistherapeutika oder Biologika (vor allem TNF-alpha-Blocker).
Allgemeine Informationen
Definition
- Als Spondyloarthritiden (SpA) wird eine Gruppe von rheumatischen Erkrankungen bezeichnt, die charakterisiert sind durch:
- Entzündung des Achsenskelettes (Sakroiliitis, Spondylitis)
- Entzündung der peripheren Gelenke (Arthritis) und Sehnenansätze (Enthesitis)
- Assoziation mit dem MHC-Klasse-I-Antigen HLA-B27
- Weitere Organe können beteiligt sein:
- Auge: anteriore Uveitis
- Haut: Psoriasis
- Darm: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
Einteilung der Spondyloarthritiden
- Die moderne Einteilung der Spondyloarthritiden (SpA) erfolgt nach dem Konzept der prädominanten Manifestation (axial oder peripher), im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung der Subgruppen aber weiter verwendet:
- axiale SpA (axSpA)
- röntgenologische axiale SpA (AS = ankylosierende Spondylitis – früher Morbus Bechterew)
- nicht-röntgenologische axiale SpA (nr-ax SpA)
- periphere SpA (pSpA)
- Psoriasisarthritis
- SpA bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- reaktive Arthritis (früher Reiter-Syndrom)
- undifferenzierte periphere Spondylarthritis
- axiale SpA (axSpA)
Häufigkeit
- Prävalenz
- Gesamtprävalenz der SpA ca. 0,4–2 %
- ankylosierende Spondylitis (früher M. Bechterew) 0,1–1,4 %
- sonstige und undifferenzierte SpA 0,2–0,5 %
- ca. 70 % axiale SpA mit/ohne periphere Beteiligung, ca. 30 % periphere SpA
- Gesamtprävalenz der SpA ca. 0,4–2 %
- Zusammenhang mit HLA-B27
- Prävalenz der SpA korreliert mit der Häufigkeit von HLA-B27.
- HLA-B27 häufiger bei der axialen (> 80 %) als bei der peripheren (30–50 %) SpA (Gesamtbevölkerung 6–9 %)
- Krankheitsbeginn
- meistens zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr
- Regionale Verteilung
- Nord-Süd-Gefälle mit höherer Prävalenz in Skandinavien; in Afrika und Südostasien kaum Krankheitsfälle
- Geschlechtsverteilung
- Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
- Krankheitsausprägung und -progression sind bei Männern stärker.
- Anteil an Patient*innen mit chronischem Rückenschmerz
- Ca. 5 % der Betroffenen mit chronischen Rückenschmerzen leiden an einer axialen SpA.
Ätiologie und Pathogenese
- Die Ätiologie der SpA ist unbekannt.1
- Auch die Pathogenese ist noch weitgehend ungeklärt.
- Insgesamt sind Umweltfaktoren von untergeordneter Bedeutung, es besteht eine starke genetische Prädisposition.
- Mit Abstand wichtigster genetischer Risikofaktor ist das Vorliegen des humanen Leukozyten Antigens (HLA) B27.2-3
- Vermutlich beeinflussen weitere Gene der HLA-Region das Risiko für die Entwicklung einer SpA.4
- Patient*innen mit axialer SpA sind ganz überwiegend HLA-B27 positiv.
- Umgekehrt beträgt aber das Risiko bei der Gesamtheit der HLA-B27 positiven Personen, an einer axialen SpA zu erkranken, nur 1–5 %.
- Zytokine spielen pathogenetisch eine wichtige Rolle, u. a. IL-17 und TNF-alpha.
- z. B. starke Expression von TNF-alpha in den Iliosakralgelenken bei ankylosierender Spondylitis
- Die Zytokinblockade ist dementsprechend auch Teil der medikamentösen Therapie einer SpA.
ICD-10
- M07 Arthritis psoriatica und Arthritiden bei gastrointestinalen Grundkrankheiten
- M13 Sonstige Arthritis
- M45 Spondylitis ankylosans
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Axiale SpA
- Diagnostischer Hinweis auf eine axiale SpA ist die Kombination aus:
- entzündlichem Rückenschmerz
- HLA-B27 – und/oder –
- Bildgebung von strukturellen/entzündlichen Veränderungen iliosakral
- Die ASAS-Klassifikationskriterien (ASAS = Assessment of Spondyloarthritis International Society) dienen primär nicht der Diagnose, können aber zur Bestätigung der Diagnose herangezogen werden.
- Das Vorliegen von Variablen der Klassifikationskriterien sind somit hilfreich, die letztliche Diagnosestellung erfordert aber eine klinische Bewertung.
ASAS-Klassifikationskriterien5
- Eingangskriterien
- chronischer Rückenschmerz ≥ 3 Monate
- Beginn < 45 Jahre
- Die weitere Klassifikation erfolgt entweder über einen bildgebenden oder einen klinischen Arm.
- bildgebender Arm (Röntgen/MRT): Sakroiliitis plus ≥ 1 zusätzliches SpA-Zeichen – Sakroiliitis in der Bildgebung:
- aktive Entzündung in der MRT, gut vereinbar mit Sakroiliitis – oder –
- definitive röntgenologische Strukturveränderungen
- klinischer Arm: HLA-B27 plus ≥ 2 zusätzliche SpA-Zeichen
- Zusätzliche SpA-Zeichen
Periphere SpA
- Arthritiden und Enthesitiden sind dominierend, es sind eher die unteren Extremitäten betroffen.
ASAS-Diagnosekriterien5
- Eingangskriterien sind Zeichen eines prädominant peripheren Befalls
- Arthritis – und/oder –
- Enthesitis (Entzündung im Bereich von Sehnenansätzen wie z. B. Achillessehne oder Plantarfaszie) – und/oder –
- Daktylitis (strahlförmiger Befall eines Fingers oder einer Zehe)
- Zusätzlich mindestens eines der Zeichen in Gruppe A oder mindestens zwei der Zeichen in Gruppe B
- Gruppe A
- Uveitis
- Psoriasis
- Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
- vorausgegangene Infektion
- HLA-B27
- Sakroiliitis in der bildgebenden Untersuchung
- Gruppe B
- Arthritis
- Enthesitis
- Daktylitis
- frühere entzündliche Rückenschmerzen
- positive Familienanamnese für SpA
- Gruppe A
Differenzialdiagnosen
Anamnese und klinische Untersuchung
Skelettale Manifestationen
- Entzündliche Rückenschmerzen
- Typisch sind tiefsitzende Kreuzschmerzen bei jüngeren Erwachsenen.
- Alle Wirbelsäulenabschnitte können betroffen sein, in absteigender Häufigkeit sakroiliakal > lumbal > tief thorakal > zervikal > hoch thorakal
- WWW-Anamnese bei jüngeren Patient*innen
- Wie lange? (> 3 Monate?), danach:
- Wann? (in der 2. Nachthälfte?)
- Wo? (unterer Rücken?)
- Charakteristika der entzündlichen Rückenschmerzen sind:
- Beginn < 45. Lebensjahr (häufig zwischen 20. und 30. LJ)
- Dauer > 3 Monate
- langsame Entwicklung
- nächtliches Erwachen (vor allem 2. Nachthälfte)
- frühmorgendlicher Schmerz
- Morgensteifigkeit > 30 min
- Besserung durch Bewegung/keine Besserung durch Ruhe
- alternierender Gesäßschmerz
- Untersuchung der Wirbelsäulenbeweglichkeit (Prüfung von Ante-, Lateral-, Retroflexion und Rotation)
- Ante- und Retroflexion mit Untersuchung nach Schober: Markierung Dornfortsatz S1 und 10 cm kranial davon
- bei maximaler Anteflexion normalerweise Verlängerung des markierten Bereichs > 5 cm
- bei Retroflexion normalerweise Verkürzung um 1–2 cm
- Lateralflexion: Bewegung des Mittelfingers entlang des lateralen Oberschenkels normalerweise > 10 cm
- Lateralflexion häufig bereits frühzeitig reduziert
- Beurteilung der Kyphosierung: Messung des Hinterhaupt-Wand-Abstands (normalerweise < 3 cm)
- Bei fortgeschrittener axSpA kommt es zur Hyperkyphosierung der BWS und Aufhebung der Lendenlordose.
- Ante- und Retroflexion mit Untersuchung nach Schober: Markierung Dornfortsatz S1 und 10 cm kranial davon
- Untersuchung der Thoraxbeweglichkeit
- Atembreite: Differenz des Brustumfangs in Höhe des 4. ICR in Inspiration/Exspiration (normalerweise > 5 cm)
- Mennel-Test
- Überstreckung des Beins in Bauchlage bei gleichzeitiger Fixierung des Beckens
- Bei ipsilateralen Schmerzen sakroiliakal ist das Mennel-Zeichen positiv (wenig sensitiver Test).
- Typisch sind tiefsitzende Kreuzschmerzen bei jüngeren Erwachsenen.
- Periphere Arthritis
- häufig betroffene Gelenkbereiche
- Hüft-, Knie-, Schultergelenk
- Hand- und Sprunggelenke
- Finger und Zehen
- Daktylitis: Befall eines Fingers oder einer Zehe im Strahl mit diffuser Schwellung (vor allem bei Psoriasisarthritis)
- Daktylitis ist typisch für SpA, aber nicht spezifisch, kann auch bei anderen Erkrankungen auftreten (z. B. Sarkoidose).6
- Grundsätzlich können alle Gelenke betroffen sein.
- häufig Oligoarthritis mit asymmetrischem Befall
- häufig betroffene Gelenkbereiche
- Enthesitis
- Entzündung von Sehnenansätzen mit Schmerzen und Druckempfindlichkeit
- oberflächlich gelegene Enthesitiden oft mit Weichteilschwellung, bei tiefer gelegenen Strukturen nur Palpationsschmerz bei der klinischen Untersuchung
- Tritt bei bis zu 40 % der Patient*innen mit SpA auf.
- Sehnenansätze der unteren Extremität sind häufiger betroffen, Auftreten am häufigsten im Bereich von Achillessehnenansatz oder Plantarfaszie.
- zahlreiche weitere mögliche Lokalisationen
- Knie (Patellarsehne)
- Trochanter major et minor
- Tuberositas ossis pubis
- Crista iliaca, Spina iliaca
- Epicondylus humeri medialis und lateralis
- Schulter (Ligamentum supraspinatum)
- Rippenansätze
- Processi spinosi
- Die Enthesitis ist bei der SpA ein relativ spezifisches Merkmal.7
- Entzündung von Sehnenansätzen mit Schmerzen und Druckempfindlichkeit
Extraskelettale Manifestationen
- Augen
- Uveitis anterior (Iritis/Iridozyklitis)8
- am häufigsten bei Patient*innen mit axialer SpA (ca. 20–40 %)
- akut auftretende Symptome: rotes Auge, Augenschmerzen, Visusminderung
- Meist einseitig, kann zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Sehvermögens führen (sofortiger Therapiebeginn notwendig).
- Entzündliche Darmerkrankung
- klinische Symptome bei ca. 6 % der Patient*innen mit axSpA
- histolologische entzündliche Läsionen bei bis zu 2/3 der Patient*innen 9
- Hauterkrankung
- Patient*innen mit SpA nicht selten mit psoriasiformen Hautläsionen
- Ca. 20–30 % der Psoriasispatient*innen erkranken an einer Psoriasisarthritis.
- Weitere mögliche Organmanifestationen
- Herz
- Reizleitungsstörungen, Aortitis, Aortenklappeninsuffizienz
- Lunge
- restriktive Ventilationsstörung bei fortgeschrittener AS als Folge verminderter Thoraxbeweglichkeit, evtl. auch parenchymatöse Veränderungen
- Knochen
- gehäuft Osteoporose/Osteopenie bei Patient*innen mit AS
- Herz
Fatigue
- Müdigkeit wird von Patient*innen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen als dritthäufigstes Symptom nach Schmerzen und Steifigkeit genannt.
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Labor
- Keine spezifischen Laborparameter für SpA
- Zur Erfassung und Überprüfung der Krankheitsaktivität bei Patient*innen mit axialer SpA sollten BSG und CRP bestimmt werden.
- Können erhöht sein, Sensitivität und Spezifizität sind jedoch relativ gering.
- Erhöhung bei 20–50 % der Patient*innen mit axSpA
- Erhöhung bei 50–65 % mit pSpA
- Können erhöht sein, Sensitivität und Spezifizität sind jedoch relativ gering.
- HLA-B27
- positiv bei 60–70 % der Patient*innen mit axSpa und 80–90 % der Patient*innen mit ankylosierender Spondylitis
- bei nicht eindeutiger Bildgebung beste Zusatzinformation durch HLA-B27-Nachweis in der Diagnostik einer axSpA
- Der Test ist allein aber nicht diagnostisch, auch ca. 8 % der Normalbevölkerung sind HLA-B27-positiv.
- RF, ACPA (= Anti-CCP) und ANA sind üblicherweise normal.
Röntgen
- Weiterhin Goldstandard für die Beurteilung von Strukturveränderungen bei axSpA
- Typische Befunde in den Sakroiliakalgelenken: Sklerose, Erosionen, Pseudodilatation, appositionelles Knochenwachstum partiell mit Brückenbildung (Ankylose)
- Der Nachweis einer Sakroiliitis gilt als beweisend.
- Röntgenologische strukturelle Veränderungen treten allerdings häufig erst nach 2–10 Jahren auf.
- Konventionelles Röntgen ermöglicht bei der axialen SpA die Unterscheidung zwischen Erkrankung mit (r-axSpA) oder ohne (nr-axSpA) röntgenologische Veränderungen.
- Die Röntgenaufnahmen peripherer Gelenke sind zunächst meist unauffällig.
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bei Patient*innen mit Verdacht auf axiale Spondyloarthritis sollte eine Bildgebung der Sakroiliakalgelenke erfolgen.
- Abhängig von der Symptomdauer und unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht kann eine konventionelle Röntgenuntersuchung (Beckenübersicht) oder eine MRT-Untersuchung der Sakroiliakalgelenke mit Entzündungssequenz erfolgen.
- Insbesondere bei jüngeren Erwachsenen mit kurzer Symptomdauer sollte die MRT bevorzugt werden.
MRT
- Detaillierte Erfassung entzündlicher Veränderungen von Sakroiliakalgelenken und Wirbelsäule10-11
- Sensitivste Methode zur Erfassung bereits früher Veränderungen
- Bei bestehender Sakroiliitis zeigt die MRT entzündliche Aktivität in allen Stadien, unabhängig von Krankheitsdauer und bereits bestehenden strukturellen Veränderungen.
CT
- Vor allem Alternative zum MRT, wenn dieses nicht durchgeführt werden kann.
- Ist in der Darstellung kleinerer struktureller Läsionen dem konventionellen Röntgen überlegen.
Szintigrafie
- Spielt heutzutage keine wesentliche Rolle mehr.
Ultraschall
- Ultraschall und Power-Doppler-Ultraschall (PDUS) sind vor allem bei pSpA zur Erfassung von Enthesitiden und Arthritiden (Synovitis, Erguss) wichtig.
Indikationen zur Überweisung
- Bei unklarer Diagnose zur weiteren Abklärung
- Zur Therapieeinleitung- und steuerung insbesondere bei Behandlung mit Biologika
Checkliste zur Überweisung
Spondylarthropathien bei Erwachsenen
- Zweck der Überweisung
- Bestätigende Diagnostik? Therapieeinleitung?
- Anamnese
- Rückenschmerzen? Seit wann?
- Morgensteifigkeit?
- Gelenkschmerzen/-schwellungen?
- Funktionelle Einschränkung?
- Bisherige Medikation?
- Klinische Untersuchung
- Wirbelsäulenbeweglichkeit?
- Betroffene Gelenke?
- Druckschmerzhafte Sehnenansätze?
- Daktylitis?
- Ergänzende Untersuchungen
Therapie
Therapieziele
- Wichtige Ziele für Patient*innen mit SpA sind:
- Schmerzreduktion
- Erhalt der körperlichen Funktionsfähigkeit
- Reduktion der Steifigkeit
- Verhinderung struktureller Läsionen
- Erhalt der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
- Die Behandlung sollte fortwährend an ein festgelegtes Therapieziel angepasst werden.
- Dieses wird zwischen Ärzt*in und Patient*in festgelegt und kann im Krankheitsverlauf adaptiert werden.
- Dabei liegt für das Erreichen einer Remission/niedrigen Krankheitsaktivität die größte Evidenz vor.
Allgemeines zur Therapie
- Die Behandlung der axSpA besteht aus einer Kombination von nichtpharmakologischen und pharmakologischen Maßnahmen:
- Schulung
- Bewegungsübungen/Physiotherapie
- Medikation
- nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
- konventionelle DMARD (Disease Modyfying Antirheumatic Drugs)
- Biologika (TNF-alpha-Hemmer, IL-17-Antagonisten)
- operative Therapie
- Bei pSpA existiert im Gegensatz zu axSpA kein definierter Therapiealgorithmus.
- im Akutstadium physikalische Maßnahmen wie Kühlung und Ruhigstellung
- medikamentöse Behandlung mit NSAR, lokalen Kortikosteroiden, DMARD (v. a. Sulfasalazin)
- Biologika spielen vor allem bei der Behandlung der Psoriasisarthritis eine Rolle.
- Weitere Informationen zur Behandlung finden Sie in den Artikeln Spondylitis ankylosans, reaktive Arthritis und Psoriasisarthritis.
Schulung
- Patienti*nnen mit axSpA sollten an einem strukturierten Schulungsprogramm teilnehmen.
- Systematische Schulungen
- verbessern das Krankheitswissen
- verändern in günstiger Weise die Einstellung zur Krankheit
- wirken sich positiv auf das Krankheitsverhalten aus
- Durch Schulungen sollen Patient*innen in die Lage versetzt werden, ihre Krankheit möglichst selbständig und eigenverantwortlich zu bewältigen („Empowerment“).
- Empowerment ist die Basis für partizipative Entscheidungsfindung und Selbstmanagement.
Physiotherapie/Bewegungsübungen
- Physiotherapie und Bewegungstherapie sind wesentliche Säulen der Behandlung einer axSpA.
- Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit
- Schmerzabnahme
- Die körperliche Aktivität sollte folgende Bereiche umfassen:
- kardiorespiratorisches Training
- Widerstandsübungen
- Dehnungen
- Stabilisationsübungen
- Eine Cochrane-Analyse ergab:12
- Individuelle Übungen zu Hause oder Übungen unter Anleitung sind besser als keine Maßnahmen.
- Eine angeleitete Physiotherapie in der Gruppe ist besser als Übungen zu Hause.
- Die Kombination eines spezifischen Übungsprogramms im Krankenhaus mit anschließenden Übungen in der Gruppe ist besser als nur Übungen in der Gruppe.
Medikamentöse Therapie
NSAR
- Diese können zur Linderung der Symptome eingesetzt werden, sie wirken nicht krankheitsmodifizierend.
- NSAR sind im frühen Stadium sowohl bei der axialen als auch bei der peripheren Spondylarthritis die 1. Wahl.
- Die schmerzlindernde Wirkung von NSAR und COX-2-Hemmern für axSpA ist durch eine Crochane-Analyse gut dokumentiert.13
- NNT (Number Needed to Treat) lediglich 2–3
- Typischerweise erfolgt eine Symptomlinderung bereits innerhalb von 48 h.
- Die Dosierung und Dauer der NSAR richten sich nach der Intensität der Beschwerden der Patient*innen.
- Der Therapieerfolg eines NSAR kann erst nach ca. 1 Woche (max. 2 Wochen) unter Maximaldosis beurteilt werden.
- Wenn ein NSAR nicht gewirkt hat, sollte ein zweites NSAR für weitere 2–4 Wochen versucht werden.
- Keine Evidenz für die Überlegenheit eines bestimmten NSAR
- Eine kontinuierliche Therapie mit NSAR ist indiziert, solange diese für eine gute Symptomkontrolle erforderlich ist.
Kortikoidinjektion
- Bei pSpA oder axSpA mit peripherer Arthritis können lokale Kortikoidinjektionen vorgenommen werden.
- Für die systemische Gabe von Kortikoiden gibt es keine Evidenz.
Konventionelle DMARD (Disease Modifying Antirheumatic Drugs)
- Konventionelle Basistherapeutika (DMARD) sind wirksam in der Therapie der peripheren Arthritis (pSpA oder axSpA mit peripherer Manifestation).,
- Die Wirksamkeit vor allem für Sulfasalazin ist belegt, andere DMARD wie Methotrexat können alternativ eingesetzt werden.
- Für das Achsenskelett konnte keine Wirkung der konventionellen DMARD nachgewiesen werden.
- Bei Patient*innen mit AS sollte keine Behandlung der Wirbelsäulensymptomatik mit Methotrexat erfolgen.
- Zeigen konventionelle Basistherapeutika keine ausreichende Wirkung, sind Biologika die nächste Wahl.
Biologika
- Eine Therapie mit Biologika soll bei persistierend hoher entzündlicher Krankheitsaktivität und unzureichendem Ansprechen auf eine NSAR-Therapie oder Unverträglichkeit von NSAR begonnen werden. Dabei sind Unterschiede in der Zulassung für TNF- und IL-17-Inhibitoren zu beachten.
- Eine Empfehlung, ob mit einem TNF-Inhibitor oder mit einem IL-17-Inhibitor begonnen werden soll, kann aufgrund der Studiendaten nicht gegeben werden. Für TNF-Inhibitoren bestehen längere Erfahrungen in der klinischen Anwendung.
- Bei axSpA und symptomatischer peripherer Arthritis sollte eine TNF-Blocker-Therapie versucht werden, wenn die Patient*innen auf mindestens eine lokale Steroidinjektion ungenügend angesprochen haben, und ein angemessener Versuch mit einem Basistherapeutikum, bevorzugt Sulfasalazin, keine Wirkung gezeigt hat.
- Bei extraskelettalen Manifestationen, insbesondere Uveitis, chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder Psoriasis sollte die unterschiedliche Effektivität verschiedener Biologika auf diese Manifestationen beachtet werden.
- Die Wirksamkeit einer Biologika-Therapie soll nach 12 Wochen überprüft werden.
- Bei anhaltender Remission (mind. für 6 Monate) unter einer Biologikagabe kann eine Dosisreduktion bzw. eine Intervallverlängerung und später evtl. auch das Absetzen des Biologikums erwogen werden.
TNF-Alpha-Blocker
- Für die folgenden TNF-alpha-Blocker ist eine gute Wirksamkeit bei axSpA/AS (und Psoriasisarthritis) nachgewiesen: Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab.
- Erzielte Verbesserungen in Zulassungsstudien
- Reduktion von Wirbelsäulenschmerzen und Morgensteifigkeit
- Verbesserung der Funktionsfähigkeit
- Reduktion der Müdigkeit
- Die Ansprechraten bei axSpA liegen z. T. bei über 80 %.
- Wirksamkeit in der Regel innerhalb von Tagen bis einigen Wochen
- bei den meisten Patient*innen Wirkungseintritt innerhalb der ersten 2 Monate
- Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis erfolgt keine Kombination von TNF-Blockern mit konventionellen DMARD
IL-17-Inhibitor
- Neben den TNF-alpha-Blockern ist der IL17-Inhibitor Secukinumab für die Behandlung der axSpA und der Psoriasisarthritis zugelassen.
Operative Verfahren
- Bei einer schweren Kyphose sollte die Möglichkeit einer Aufrichtungs-OP in einem erfahrenen Zentrum angeboten werden.
- Bei begleitender, symptomatischer Destruktion der Hüftgelenke sollte unabhängig vom Lebensalter die Indikation zur Totalendoprothese gestellt werden
Rehabilitation
- Medizinische Rehabilitation wirkt sich positiv aus (Schmerzen, Beweglichkeit, Funktion), wird allerdings nur von einem Teil der Patient*innen in Anspruch genommen.
- Hausärzt*innen können Rehasport verordnen.
Impfungen
- Unter immunsuppressiver Therapie soll gemäß den allgemeinen Empfehlungen geimpft werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Extraskelettale Manifestation wie z. B. akute anteriore Uveitis mit Visusminderung
- Infektionen im Rahmen einer immunsuppressiven Therapie
- Osteoporose mit erhöhtem Frakturrisiko
- Kardiovaskuläre Komplikationen (die kardiovaskuläre Mortalität ist bei ankylosierender Spondylitis um 20–40 % erhöht)
Verlauf und Prognose
- Erste Symptome einer SpA durchschnittlich im 2. und 3. Lebensjahrzehnt
- Bei axSpA tritt häufig eine Lücke von mehreren Jahren zwischen Symptombeginn und Diagnose auf.
- Der Verlauf der Erkrankung ist sehr variabel.
- Bei Patient*innen mit undifferenzierter SpA wird im Verlauf häufig noch eine spezifische Diagnose wie ankylosierende Spondylitis gestellt.14-15
- Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf eine TNF-Therapie sind:
- junges Alter
- kurze Krankheitsdauer
- hohe Krankheitsaktivität
- HLA-B27 positiv
- gute körperliche Funktionsfähigkeit
- Vorhandensein einer peripheren Arthritis
- männliches Geschlecht
- Ca. 1/3 der Patient*innen mit ankylosierender Spondylitis weist einen schwerwiegenden Verlauf auf.
- „Bambusstabwirbelsäule“ mit ausgeprägter Verknöcherung und weitgehender Unbeweglichkeit als Maximalvariante
- Es gibt nur wenige Verlaufsdaten über die Gesamtgruppe der axialen SpA.
- Zur pSpA gibt es bislang nur wenige publizierte Verlaufsdaten, bei einem Teil der Patient*innen geht die pSpA in eine axSpA über.
- Der Nachweis von HLA-B27 bei Patient*innen mit pSpA ist prognostisch von Bedeutung (häufiger chronischen und schwerer Verlauf).
Verlaufskontrolle
- Das Monitoring der Erkrankung sollte grundsätzlich basieren auf:
- Anamnese (z. B. Fragebögen)
- klinischen Parametern
- Laboruntersuchungen
- bildgebenden Verfahren
- Die Krankheitsaktivität bei axSpA kann u. a. mit dem BASDAI-Fragebogen ermittelt werden (BASDAI = Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index).
- Angaben der Patient*innen zu Müdigkeit/Erschöpfung, Schmerzen/Schwellungen, Druckempfindlichkeit, Morgensteifigkeit
- Ein Wert ≥ 4 zeigt eine hohe Krankheitsaktivität an.
- Die Häufigkeit der Kontrollen ist individuell unter Berücksichtigung der folgenden Faktoren:
- Verlauf der klinischen Symptomatik
- Schweregrad der Erkrankung
- durchgeführte Behandlungen.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
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Autor*innen
- Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.