Spondyloarthritiden (SpA) bei Erwachsenen

Zusammenfassung

  • Definition:Als Spondyloarthritiden wird eine Gruppe von Krankheiten bezeichnet, die gekennzeichnet ist durch eine Entzündung des Achsenskelettes (Sakroiliitis, Spondylitis) und/oder eine Entzündung peripherer Gelenke (Arthritis) und Sehnenansätze (Enthesitis). Es besteht eine Assoziation mit HLA-B27.
  • Häufigkeit:Die Prävalenz der Spondylarthropathien wird auf ca. 0,4–2 % geschätzt.
  • Symptome:Bei axialer Spondyloarthritis typischerweise tiefsitzende Rückenschmerzen > 3 Monate bei Patient*innen < 45 Jahre, nächtliches Erwachen durch den Schmerz, Morgensteifigkeit, Besserung bei Bewegung. Bei peripherer Spondyloarthritis typischerweise asymmetrische Oligoarthritis, weitere charakteristische Veränderungen sind Enthesitis und Daktylitis.
  • Befunde:Verminderte Wirbelsäulenbeweglichkeit, Entzündungszeichen/ Druckschmerzhaftigkeit im Bereich von Gelenken und/oder Enthesien.
  • Diagnose:Neben Anamnese und Untersuchungsbefund beruht die Diagnose auf Labor (CRP/BSG, HLA-B27) und Bildgebung (konventionelles Röntgen, MRT, Ultraschall).
  • Behandlung:Bewegungstherapie als wichtige nichtpharmakologische Maßnahme. Medikamentöse Behandlung je nach betroffenem Bereich mit NSAR, lokalen Kortikoidinjektionen, konventionellen Basistherapeutika oder Biologika (vor allem TNF-alpha-Blocker).

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Spondyloarthritiden (SpA) wird eine Gruppe von rheumatischen Erkrankungen bezeichnt, die charakterisiert sind durch:
    • Entzündung des Achsenskelettes (Sakroiliitis, Spondylitis)
    • Entzündung der peripheren Gelenke (Arthritis) und Sehnenansätze (Enthesitis)
    • Assoziation mit dem MHC-Klasse-I-Antigen HLA-B27
  • Weitere Organe können beteiligt sein:

Einteilung der Spondyloarthritiden

  • Die moderne Einteilung der Spondyloarthritiden (SpA) erfolgt nach dem Konzept der prädominanten Manifestation (axial oder peripher), im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung der Subgruppen aber weiter verwendet:

Häufigkeit

  • Prävalenz
    • Gesamtprävalenz der SpA ca. 0,4–2 %
    • ca. 70 % axiale SpA mit/ohne periphere Beteiligung, ca. 30 % periphere SpA
  • Zusammenhang mit HLA-B27
    • Prävalenz der SpA korreliert mit der Häufigkeit von HLA-B27.
    • HLA-B27 häufiger bei der axialen (> 80 %) als bei der peripheren (30–50 %) SpA (Gesamtbevölkerung 6–9 %)
  • Krankheitsbeginn
    • meistens zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr
  • Regionale Verteilung
    • Nord-Süd-Gefälle mit höherer Prävalenz in Skandinavien; in Afrika und Südostasien kaum Krankheitsfälle
  • Geschlechtsverteilung
    • Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
    • Krankheitsausprägung und -progression sind bei Männern stärker.
  • Anteil an Patient*innen mit chronischem Rückenschmerz
    • Ca. 5 % der Betroffenen mit chronischen Rückenschmerzen leiden an einer axialen SpA.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ätiologie der SpA ist unbekannt.1
  • Auch die Pathogenese ist noch weitgehend ungeklärt.
  • Insgesamt sind Umweltfaktoren von untergeordneter Bedeutung, es besteht eine starke genetische Prädisposition.
  • Mit Abstand wichtigster genetischer Risikofaktor ist das Vorliegen des humanen Leukozyten Antigens (HLA) B27.2-3
    • Vermutlich beeinflussen weitere Gene der HLA-Region das Risiko für die Entwicklung einer SpA.4
  • Patient*innen mit axialer SpA sind ganz überwiegend HLA-B27 positiv.
    • Umgekehrt beträgt aber das Risiko bei der Gesamtheit der HLA-B27 positiven Personen, an einer axialen SpA zu erkranken, nur 1–5 %.
  • Zytokine spielen pathogenetisch eine wichtige Rolle, u. a. IL-17 und TNF-alpha.
  • Die Zytokinblockade ist dementsprechend auch Teil der medikamentösen Therapie einer SpA.

ICD-10

  • M07 Arthritis psoriatica und Arthritiden bei gastrointestinalen Grundkrankheiten
  • M13 Sonstige Arthritis
  • M45 Spondylitis ankylosans

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

Axiale SpA

  • Diagnostischer Hinweis auf eine axiale SpA ist die Kombination aus:
    • entzündlichem Rückenschmerz
    • HLA-B27 – und/oder –
    • Bildgebung von strukturellen/entzündlichen Veränderungen iliosakral
  • Die ASAS-Klassifikationskriterien (ASAS = Assessment of Spondyloarthritis International Society) dienen primär nicht der Diagnose, können aber zur Bestätigung der Diagnose herangezogen werden.
    • Das Vorliegen von Variablen der Klassifikationskriterien sind somit hilfreich, die letztliche Diagnosestellung erfordert aber eine klinische Bewertung.
ASAS-Klassifikationskriterien5
  • Eingangskriterien
  • Die weitere Klassifikation erfolgt entweder über einen bildgebenden oder einen klinischen Arm.
    • bildgebender Arm (Röntgen/MRT): Sakroiliitis plus ≥ 1 zusätzliches SpA-Zeichen – Sakroiliitis in der Bildgebung:
      • aktive Entzündung in der MRT, gut vereinbar mit Sakroiliitis – oder –
      • definitive röntgenologische Strukturveränderungen
    • klinischer Arm: HLA-B27 plus ≥ 2 zusätzliche SpA-Zeichen
  • Zusätzliche SpA-Zeichen
    • entzündlicher Rückenschmerz
    • Arthritis
    • Enthesitis (Ferse)
    • anteriore Uveitis
    • Daktylitis
    • Psoriasis
    • Kolitis bei chronisch-entzündliche Darmerkrankung
    • gutes Ansprechen auf NSAR
    • Familiengeschichte für SpA
    • HLA-B27
    • erhöhtes CRP

Periphere SpA

  • Arthritiden und Enthesitiden sind dominierend, es sind eher die unteren Extremitäten betroffen.
ASAS-Diagnosekriterien5
  • Eingangskriterien sind Zeichen eines prädominant peripheren Befalls
    • Arthritis – und/oder –
    • Enthesitis (Entzündung im Bereich von Sehnenansätzen wie z. B. Achillessehne oder Plantarfaszie) – und/oder –
    • Daktylitis (strahlförmiger Befall eines Fingers oder einer Zehe)
  • Zusätzlich mindestens eines der Zeichen in Gruppe A oder mindestens zwei der Zeichen in Gruppe B
    • Gruppe A
    • Gruppe B
      • Arthritis
      • Enthesitis
      • Daktylitis
      • frühere entzündliche Rückenschmerzen
      • positive Familienanamnese für SpA

Differenzialdiagnosen

Anamnese und klinische Untersuchung

Skelettale Manifestationen

  • Entzündliche Rückenschmerzen
    • Typisch sind tiefsitzende Kreuzschmerzen bei jüngeren Erwachsenen.
      • Alle Wirbelsäulenabschnitte können betroffen sein, in absteigender Häufigkeit sakroiliakal > lumbal > tief thorakal > zervikal > hoch thorakal
      • WWW-Anamnese bei jüngeren Patient*innen
        • Wie lange? (> 3 Monate?), danach:
        • Wann? (in der 2. Nachthälfte?)
        • Wo? (unterer Rücken?)
    • Charakteristika der entzündlichen Rückenschmerzen sind:
      • Beginn < 45. Lebensjahr (häufig zwischen 20. und 30. LJ)
      • Dauer > 3 Monate
      • langsame Entwicklung 
      • nächtliches Erwachen (vor allem 2. Nachthälfte)
      • frühmorgendlicher Schmerz
      • Morgensteifigkeit > 30 min
      • Besserung durch Bewegung/keine Besserung durch Ruhe
      • alternierender Gesäßschmerz
    • Untersuchung der Wirbelsäulenbeweglichkeit (Prüfung von Ante-, Lateral-, Retroflexion und Rotation)
      • Ante- und Retroflexion mit Untersuchung nach Schober: Markierung Dornfortsatz S1 und 10 cm kranial davon
        • bei maximaler Anteflexion normalerweise Verlängerung des markierten Bereichs > 5 cm
        • bei Retroflexion normalerweise Verkürzung um 1–2 cm
      • Lateralflexion: Bewegung des Mittelfingers entlang des lateralen Oberschenkels normalerweise > 10 cm
        • Lateralflexion häufig bereits frühzeitig reduziert
      • Beurteilung der Kyphosierung: Messung des Hinterhaupt-Wand-Abstands (normalerweise < 3 cm)
        • Bei fortgeschrittener axSpA kommt es zur Hyperkyphosierung der BWS und Aufhebung der Lendenlordose.
    • Untersuchung der Thoraxbeweglichkeit
      • Atembreite: Differenz des Brustumfangs in Höhe des 4. ICR in Inspiration/Exspiration (normalerweise > 5 cm)
    • Mennel-Test
      • Überstreckung des Beins in Bauchlage bei gleichzeitiger Fixierung des Beckens
      • Bei ipsilateralen Schmerzen sakroiliakal ist das Mennel-Zeichen positiv (wenig sensitiver Test).
  • Periphere Arthritis
    • häufig betroffene Gelenkbereiche
      • Hüft-, Knie-, Schultergelenk
      • Hand- und Sprunggelenke
      • Finger und Zehen
        • Daktylitis: Befall eines Fingers oder einer Zehe im Strahl mit diffuser Schwellung (vor allem bei Psoriasisarthritis)
        • Daktylitis ist typisch für SpA, aber nicht spezifisch, kann auch bei anderen Erkrankungen auftreten (z. B. Sarkoidose).6 
    • Grundsätzlich können alle Gelenke betroffen sein.
    • häufig Oligoarthritis mit asymmetrischem Befall 
  • Enthesitis
    • Entzündung von Sehnenansätzen mit Schmerzen und Druckempfindlichkeit
      • oberflächlich gelegene Enthesitiden oft mit Weichteilschwellung, bei tiefer gelegenen Strukturen nur Palpationsschmerz bei der klinischen Untersuchung
    • Tritt bei bis zu 40 % der Patient*innen mit SpA auf.
    • Sehnenansätze der unteren Extremität sind häufiger betroffen, Auftreten am häufigsten im Bereich von Achillessehnenansatz oder Plantarfaszie.
    • zahlreiche weitere mögliche Lokalisationen
      • Knie (Patellarsehne)
      • Trochanter major et minor
      • Tuberositas ossis pubis
      • Crista iliaca, Spina iliaca
      • Epicondylus humeri medialis und lateralis
      • Schulter (Ligamentum supraspinatum)
      • Rippenansätze
      • Processi spinosi
    • Die Enthesitis ist bei der SpA ein relativ spezifisches Merkmal.7

Extraskelettale Manifestationen

  • Augen
    • Uveitis anterior (Iritis/Iridozyklitis)8
    • am häufigsten bei Patient*innen mit axialer SpA (ca. 20–40 %)
    • akut auftretende Symptome: rotes Auge, Augenschmerzen, Visusminderung
    • Meist einseitig, kann zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Sehvermögens führen (sofortiger Therapiebeginn notwendig).
  • Entzündliche Darmerkrankung
    • klinische Symptome bei ca. 6 % der Patient*innen mit axSpA
    • histolologische entzündliche Läsionen bei bis zu 2/3 der Patient*innen 9
  • Hauterkrankung
    • Patient*innen mit SpA nicht selten mit psoriasiformen Hautläsionen
    • Ca. 20–30 % der Psoriasispatient*innen erkranken an einer Psoriasisarthritis.
  • Weitere mögliche Organmanifestationen
    • Herz
      • Reizleitungsstörungen, Aortitis, Aortenklappeninsuffizienz
    • Lunge
      • restriktive Ventilationsstörung bei fortgeschrittener AS als Folge verminderter Thoraxbeweglichkeit, evtl. auch parenchymatöse Veränderungen
    • Knochen
      • gehäuft Osteoporose/Osteopenie bei Patient*innen mit AS

Fatigue

  • Müdigkeit wird von Patient*innen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen als dritthäufigstes Symptom nach Schmerzen und Steifigkeit genannt.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Labor

  • Keine spezifischen Laborparameter für SpA
  • Zur Erfassung und Überprüfung der Krankheitsaktivität bei Patient*innen mit axialer SpA sollten BSG und CRP bestimmt werden.
    • Können erhöht sein, Sensitivität und Spezifizität sind jedoch relativ gering.
      • Erhöhung bei 20–50 % der Patient*innen mit axSpA
      • Erhöhung bei 50–65 % mit pSpA
  • HLA-B27
    • positiv bei 60–70 % der Patient*innen mit axSpa und 80–90 % der Patient*innen mit ankylosierender Spondylitis
    • bei nicht eindeutiger Bildgebung beste Zusatzinformation durch HLA-B27-Nachweis in der Diagnostik einer axSpA
    • Der Test ist allein aber nicht diagnostisch, auch ca. 8 % der Normalbevölkerung sind HLA-B27-positiv.
  • RF, ACPA (= Anti-CCP) und ANA sind üblicherweise normal.

Röntgen

  • Weiterhin Goldstandard für die Beurteilung von Strukturveränderungen bei axSpA
    • Typische Befunde in den Sakroiliakalgelenken: Sklerose, Erosionen, Pseudodilatation, appositionelles Knochenwachstum partiell mit Brückenbildung (Ankylose)
    • Der Nachweis einer Sakroiliitis gilt als beweisend.
    • Röntgenologische strukturelle Veränderungen treten allerdings häufig erst nach 2–10 Jahren auf.
    • Konventionelles Röntgen ermöglicht bei der axialen SpA die Unterscheidung zwischen Erkrankung mit (r-axSpA) oder ohne (nr-axSpA) röntgenologische Veränderungen.
  • Die Röntgenaufnahmen peripherer Gelenke sind zunächst meist unauffällig.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bei Patient*innen mit Verdacht auf axiale Spondyloarthritis sollte eine Bildgebung der Sakroiliakalgelenke erfolgen.
  • Abhängig von der Symptomdauer und unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht kann eine konventionelle Röntgenuntersuchung (Beckenübersicht) oder eine MRT-Untersuchung der Sakroiliakalgelenke mit Entzündungssequenz erfolgen.
  • Insbesondere bei jüngeren Erwachsenen mit kurzer Symptomdauer sollte die MRT bevorzugt werden.

MRT

  • Detaillierte Erfassung entzündlicher Veränderungen von Sakroiliakalgelenken und Wirbelsäule10-11
  • Sensitivste Methode zur Erfassung bereits früher Veränderungen
  • Bei bestehender Sakroiliitis zeigt die MRT entzündliche Aktivität in allen Stadien, unabhängig von Krankheitsdauer und bereits bestehenden strukturellen Veränderungen.

CT

  • Vor allem Alternative zum MRT, wenn dieses nicht durchgeführt werden kann.
  • Ist in der Darstellung kleinerer struktureller Läsionen dem konventionellen Röntgen überlegen.

Szintigrafie

  • Spielt heutzutage keine wesentliche Rolle mehr.

Ultraschall

  • Ultraschall und Power-Doppler-Ultraschall (PDUS) sind vor allem bei pSpA zur Erfassung von Enthesitiden und Arthritiden (Synovitis, Erguss) wichtig.

Indikationen zur Überweisung

  • Bei unklarer Diagnose zur weiteren Abklärung
  • Zur Therapieeinleitung- und steuerung insbesondere bei Behandlung mit Biologika

Checkliste zur Überweisung

Spondylarthropathien bei Erwachsenen

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Therapieeinleitung?
  • Anamnese
    • Rückenschmerzen? Seit wann?
    • Morgensteifigkeit?
    • Gelenkschmerzen/-schwellungen?
    • Funktionelle Einschränkung?
    • Bisherige Medikation?
  • Klinische Untersuchung
    • Wirbelsäulenbeweglichkeit?
    • Betroffene Gelenke?
    • Druckschmerzhafte Sehnenansätze?
    • Daktylitis?
  • Ergänzende Untersuchungen

Therapie

Therapieziele

  • Wichtige Ziele für Patient*innen mit SpA sind:
    • Schmerzreduktion
    • Erhalt der körperlichen Funktionsfähigkeit
    • Reduktion der Steifigkeit
    • Verhinderung struktureller Läsionen
    • Erhalt der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
  • Die Behandlung sollte fortwährend an ein festgelegtes Therapieziel angepasst werden.
  • Dieses wird zwischen Ärzt*in und Patient*in festgelegt und kann im Krankheitsverlauf adaptiert werden.
  • Dabei liegt für das Erreichen einer Remission/niedrigen Krankheitsaktivität die größte Evidenz vor.

Allgemeines zur Therapie

  • Die Behandlung der axSpA besteht aus einer Kombination von nichtpharmakologischen und pharmakologischen Maßnahmen:
    • Schulung
    • Bewegungsübungen/Physiotherapie
    • Medikation
      • nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
      • konventionelle DMARD (Disease Modyfying Antirheumatic Drugs)
      • Biologika (TNF-alpha-Hemmer, IL-17-Antagonisten)
    • operative Therapie
  • Bei pSpA existiert im Gegensatz zu axSpA kein definierter Therapiealgorithmus.
    • im Akutstadium physikalische Maßnahmen wie Kühlung und Ruhigstellung
    • medikamentöse Behandlung mit NSAR, lokalen Kortikosteroiden, DMARD (v. a. Sulfasalazin)
  • Weitere Informationen zur Behandlung finden Sie in den Artikeln Spondylitis ankylosans, reaktive Arthritis und Psoriasisarthritis.

Schulung

  • Patienti*nnen mit axSpA sollten an einem strukturierten Schulungsprogramm teilnehmen.
  • Systematische Schulungen
    • verbessern das Krankheitswissen
    • verändern in günstiger Weise die Einstellung zur Krankheit
    • wirken sich positiv auf das Krankheitsverhalten aus
  • Durch Schulungen sollen Patient*innen in die Lage versetzt werden, ihre Krankheit möglichst selbständig und eigenverantwortlich zu bewältigen („Empowerment“).
  • Empowerment ist die Basis für partizipative Entscheidungsfindung und Selbstmanagement.

Physiotherapie/Bewegungsübungen

  • Physiotherapie und Bewegungstherapie sind wesentliche Säulen der Behandlung einer axSpA.
    • Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit
    • Schmerzabnahme
  • Die körperliche Aktivität sollte folgende Bereiche umfassen:
    • kardiorespiratorisches Training
    • Widerstandsübungen
    • Dehnungen
    • Stabilisationsübungen
  • Eine Cochrane-Analyse ergab:12
    • Individuelle Übungen zu Hause oder Übungen unter Anleitung sind besser als keine Maßnahmen.
    • Eine angeleitete Physiotherapie in der Gruppe ist besser als Übungen zu Hause.
    • Die Kombination eines spezifischen Übungsprogramms im Krankenhaus mit anschließenden Übungen in der Gruppe ist besser als nur Übungen in der Gruppe.

Medikamentöse Therapie

NSAR

  • Diese können zur Linderung der Symptome eingesetzt werden, sie wirken nicht krankheitsmodifizierend.
  • NSAR sind im frühen Stadium sowohl bei der axialen als auch bei der peripheren Spondylarthritis die 1. Wahl.
    • Die schmerzlindernde Wirkung von NSAR und COX-2-Hemmern für axSpA ist durch eine Crochane-Analyse gut dokumentiert.13
    • NNT (Number Needed to Treat) lediglich 2–3
  • Typischerweise erfolgt eine Symptomlinderung bereits innerhalb von 48 h.
  • Die Dosierung und Dauer der NSAR richten sich nach der Intensität der Beschwerden der Patient*innen.
  • Der Therapieerfolg eines NSAR kann erst nach ca. 1 Woche (max. 2 Wochen) unter Maximaldosis beurteilt werden.
  • Wenn ein NSAR nicht gewirkt hat, sollte ein zweites NSAR für weitere 2–4 Wochen versucht werden.
  • Keine Evidenz für die Überlegenheit eines bestimmten NSAR
  • Eine kontinuierliche Therapie mit NSAR ist indiziert, solange diese für eine gute Symptomkontrolle erforderlich ist.

Kortikoidinjektion 

  • Bei pSpA oder axSpA mit peripherer Arthritis können lokale Kortikoidinjektionen vorgenommen werden.
  • Für die systemische Gabe von Kortikoiden gibt es keine Evidenz.

Konventionelle DMARD (Disease Modifying Antirheumatic Drugs)

  • Konventionelle Basistherapeutika (DMARD) sind wirksam in der Therapie der peripheren Arthritis (pSpA oder axSpA mit peripherer Manifestation).,
  • Die Wirksamkeit vor allem für Sulfasalazin ist belegt, andere DMARD wie Methotrexat können alternativ eingesetzt werden.
  • Für das Achsenskelett konnte keine Wirkung der konventionellen DMARD nachgewiesen werden.
  • Bei Patient*innen mit AS sollte keine Behandlung der Wirbelsäulensymptomatik mit Methotrexat erfolgen.
  • Zeigen konventionelle Basistherapeutika keine ausreichende Wirkung, sind Biologika die nächste Wahl.

Biologika

 

  • Eine Therapie mit Biologika soll bei persistierend hoher entzündlicher Krankheitsaktivität und unzureichendem Ansprechen auf eine NSAR-Therapie oder Unverträglichkeit von NSAR begonnen werden. Dabei sind Unterschiede in der Zulassung für TNF- und IL-17-Inhibitoren zu beachten.
  • Eine Empfehlung, ob mit einem TNF-Inhibitor oder mit einem IL-17-Inhibitor begonnen werden soll, kann aufgrund der Studiendaten nicht gegeben werden. Für TNF-Inhibitoren bestehen längere Erfahrungen in der klinischen Anwendung.
  • Bei axSpA und symptomatischer peripherer Arthritis sollte eine TNF-Blocker-Therapie versucht werden, wenn die Patient*innen auf mindestens eine lokale Steroidinjektion ungenügend angesprochen haben, und ein angemessener Versuch mit einem Basistherapeutikum, bevorzugt Sulfasalazin, keine Wirkung gezeigt hat.
  • Bei extraskelettalen Manifestationen, insbesondere Uveitis, chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder Psoriasis sollte die unterschiedliche Effektivität verschiedener Biologika auf diese Manifestationen beachtet werden.
  • Die Wirksamkeit einer Biologika-Therapie soll nach 12 Wochen überprüft werden.
  • Bei anhaltender Remission (mind. für 6 Monate) unter einer Biologikagabe kann eine Dosisreduktion bzw. eine Intervallverlängerung und später evtl. auch das Absetzen des Biologikums erwogen werden.

 

TNF-Alpha-Blocker
  • Für die folgenden TNF-alpha-Blocker ist eine gute Wirksamkeit bei axSpA/AS (und Psoriasisarthritis) nachgewiesen: Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab.
  • Erzielte Verbesserungen in Zulassungsstudien
    • Reduktion von Wirbelsäulenschmerzen und Morgensteifigkeit
    • Verbesserung der Funktionsfähigkeit
    • Reduktion der Müdigkeit
  • Die Ansprechraten bei axSpA liegen z. T. bei über 80 %.
  • Wirksamkeit in der Regel innerhalb von Tagen bis einigen Wochen
    • bei den meisten Patient*innen Wirkungseintritt innerhalb der ersten 2 Monate
  • Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis erfolgt keine Kombination von TNF-Blockern mit konventionellen DMARD
IL-17-Inhibitor
  • Neben den TNF-alpha-Blockern ist der IL17-Inhibitor Secukinumab für die Behandlung der axSpA und der Psoriasisarthritis zugelassen. 

Operative Verfahren

  • Bei einer schweren Kyphose sollte die Möglichkeit einer Aufrichtungs-OP in einem erfahrenen Zentrum angeboten werden.
  • Bei begleitender, symptomatischer Destruktion der Hüftgelenke sollte unabhängig vom Lebensalter die Indikation zur Totalendoprothese gestellt werden

Rehabilitation

  • Medizinische Rehabilitation wirkt sich positiv aus (Schmerzen, Beweglichkeit, Funktion), wird allerdings nur von einem Teil der Patient*innen in Anspruch genommen.
  • Hausärzt*innen können Rehasport verordnen.

Impfungen

  • Unter immunsuppressiver Therapie soll gemäß den allgemeinen Empfehlungen geimpft werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Extraskelettale Manifestation wie z. B. akute anteriore Uveitis mit Visusminderung
  • Infektionen im Rahmen einer immunsuppressiven Therapie
  • Osteoporose mit erhöhtem Frakturrisiko
  • Kardiovaskuläre Komplikationen (die kardiovaskuläre Mortalität ist bei ankylosierender Spondylitis um 20–40 % erhöht)

Verlauf und Prognose

  • Erste Symptome einer SpA durchschnittlich im 2. und 3. Lebensjahrzehnt
  • Bei axSpA tritt häufig eine Lücke von mehreren Jahren zwischen Symptombeginn und Diagnose auf.
  • Der Verlauf der Erkrankung ist sehr variabel.
  • Bei Patient*innen mit undifferenzierter SpA wird im Verlauf häufig noch eine spezifische Diagnose wie ankylosierende Spondylitis gestellt.14-15
  • Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf eine TNF-Therapie sind:
    • junges Alter
    • kurze Krankheitsdauer
    • hohe Krankheitsaktivität
    • HLA-B27 positiv
    • gute körperliche Funktionsfähigkeit
    • Vorhandensein einer peripheren Arthritis
    • männliches Geschlecht
  • Ca. 1/3 der Patient*innen mit ankylosierender Spondylitis weist einen schwerwiegenden Verlauf auf.
    • „Bambusstabwirbelsäule“ mit ausgeprägter Verknöcherung und weitgehender Unbeweglichkeit als Maximalvariante
  • Es gibt nur wenige Verlaufsdaten über die Gesamtgruppe der axialen SpA.
  • Zur pSpA gibt es bislang nur wenige publizierte Verlaufsdaten, bei einem Teil der Patient*innen geht die pSpA in eine axSpA über.
    • Der Nachweis von HLA-B27 bei Patient*innen mit pSpA ist prognostisch von Bedeutung (häufiger chronischen und schwerer Verlauf).

Verlaufskontrolle

  • Das Monitoring der Erkrankung sollte grundsätzlich basieren auf:
    • Anamnese (z. B. Fragebögen)
    • klinischen Parametern
    • Laboruntersuchungen
    • bildgebenden Verfahren
  • Die Krankheitsaktivität bei axSpA kann u. a. mit dem BASDAI-Fragebogen ermittelt werden (BASDAI = Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index).
    • Angaben der Patient*innen zu Müdigkeit/Erschöpfung, Schmerzen/Schwellungen, Druckempfindlichkeit, Morgensteifigkeit
    • Ein Wert ≥ 4 zeigt eine hohe Krankheitsaktivität an.
  • Die Häufigkeit der Kontrollen ist individuell unter Berücksichtigung der folgenden Faktoren:
    • Verlauf der klinischen Symptomatik
    • Schweregrad der Erkrankung
    • durchgeführte Behandlungen.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Brent L. Ankylosing Spondylitis and Undifferentiated Spondyloarthropathy. Medscape, updated Sep 03, 2019. Zugriff 07.08.2020. emedicine.medscape.com
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Autor*innen

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.

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