Allgemeine Informationen
Definition
- Einteilung in
- frühe Blutungen: vaginale Blutungen im 1. Trimenon
- Blutung in der Spätschwangerschaft: Blutungen im 2. und 3. Trimenon
Häufigkeit
- Bei ungefähr 25 % aller schwangeren Frauen treten in den ersten Wochen der Schwangerschaft Blutungen auf.1
- Zum Zeitpunkt der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutterwand treten häufig Blutungen ohne pathologischen Wert auf.
- Blutungen im 2. und 3. Trimenon treten bei ca. 6 % der Schwangerschaften auf.2
Diagnostische Überlegungen
- In jedem Abschnitt der Schwangerschaft deuten hämodynamische Instabilität und Peritonismus auf schwere Komplikationen hin, die eine sofortige Krankenhauseinweisung erfordern.1,3
Während des 1. Trimenons
- Blutungen in der Frühschwangerschaft erfordern eine sofortige Abklärung.1
- Mögliche Ursachen früher Blutungen1
- schwangerschaftsassoziiert
- Blutung bei intakter Schwangerschaft
- Fehlgeburt oder drohende Fehlgeburt
- ektope Schwangerschaft
- nicht schwangerschaftsassoziiert
- blutende Zervixpolypen
- Zervizitis
- vaginale Infektionen
- Zervixkarzinom
- schwangerschaftsassoziiert
- Starke Blutungen und Blutungen zusammen mit Schmerzen deuten auf eine Fehlgeburt hin.1
- Blutungen während des 1. Trimenons scheinen auch auf einen leichten Anstieg des Risikos einer Frühgeburt und Plazentaablösung im weiteren Schwangerschaftsverlauf hinzudeuten.4
Auftreten im 2. und 3. Trimenon
- Während des 2. und 3. Trimenons können Placenta praevia, Plazentalösung oder Schmierblutungen im Sinne einer Zeichnungsblutung bei Geburtsbeginn die Ursache sein.
- Die Anamnese, körperliche Untersuchung, Ultraschalluntersuchung und eine kurze Beobachtung sind in der Regel ausreichend, um zwischen weniger schweren und schweren Fällen von vaginalen Blutungen in der Spätschwangerschaft zu unterscheiden.3
- Eine digitale vaginale Untersuchung sollte nicht durchgeführt werden, bevor durch Ultraschall eine Placenta praevia ausgeschlossen werden konnte.3
Gründe für den Arztbesuch
- In den meisten Fällen befürchtet die Patientin eine Fehlgeburt oder dass mit dem Ungeborenen etwas nicht in Ordnung ist.
- Manchmal ist sich die Patientin ihrer Schwangerschaft nicht bewusst und sucht Hilfe wegen unregelmäßiger Menstruation.
Differenzialdiagnosen
- Drohender Abort oder Abort
- Extrauterine Schwangerschaft
- Zervixkarzinom
- Placenta praevia
- Abruptio placentae
- Blutende Vasa praevia
ICD-10
- O20 Blutung in der Frühschwangerschaft
- O20.0 Drohender Abort
- O20.8 Sonstige Blutung in der Frühschwangerschaft
- O20.9Blutung in der Frühschwangerschaft, nicht näher bezeichnet
- O44 Placenta praevia
- O44.10 Tiefer Sitz der Plazenta mit aktueller Blutung
- O44.11 Placenta praevia mit aktueller Blutung
- O45 Vorzeitige Plazentalösung [Abruptio placentae]
- O45.8 Sonstige vorzeitige Plazentalösung
- O45.9 Vorzeitige Plazentalösung, nicht näher bezeichnet
- O46 Präpartale Blutung, anderenorts nicht klassifiziert
- O46.8 Sonstige präpartale Blutung
- O46.9 Präpartale Blutung, nicht näher bezeichnet
Differenzialdiagnosen
Implantationsblutung
- Die Implantation (Einnistung) der Blastozyste im Endometrium kann zu schwachen Blutungen führen, die etwa zur Zeit der erwarteten Menstruationsblutung auftreten.
Abort (Fehlgeburt)
- Siehe Artikel Spontanabort.
- Der folgende Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
- Einteilung in frühe Fehlgeburt (vor Ende der 12. SSW) und späte (nach der 12. SSW). Die frühen treten am häufigsten auf.
- Drohende Fehlgeburt (Abortus imminens)
- vaginale Blutungen, eher schwach, manchmal von mäßigen Schmerzen im Unterbauch begleitet
- Der Gebärmutterhals (Zervix) ist geschlossen.
- Uterus entsprechend der Dauer der Schwangerschaft vergrößert.
- Ultraschalluntersuchung: intrauterine Schwangerschaft mit lebendem Feten
- Unvollständiger Abort
- reichliche Blutungen mit hellroter Färbung, zunehmende Schmerzen
- offene Zervix und Schwangerschaftsprodukte in der Vagina oder im Zervikalkanal
- Vollständiger Abort (Abortus completus)
- Fetus und Plazenta sind bereits ausgestoßen.
- Fehlende Anzeichen einer intakten Schwangerschaft im Ultraschall
- Zeichen hämodynamischer Instabilität (Hypotonie, Tachykardie) und/oder Peritonismus: sofortige Einweisung, Volumentherapie und ggf. chirurgische Intervention notwendig
Extrauterine Schwangerschaft, ektopische Schwangerschaft
- Siehe Artikel Extrauteringravidität.
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5
- Definition
- Extrauterine Schwangerschaften sind Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutterhöhle (Zervix oder intramuraler Abschnitt des Eileiters, in der Tube, den Ovarien, der Bauchhöhle oder in der Mesosalpinx).
- Es kommt zu einer Symptomtriade mit Schmerzen, ausgebliebener Menstruation und leichter Vaginalblutung in der 6.–8. SSW.
- Asymptomatische Verläufe sind möglich.
- klinische Zeichen einer Schwangerschaft ohne Nachweis einer Fruchthöhle im Ultraschall
- Schwere Verläufe, z. B. bei Tubenruptur mit hämodynamischer Instabilität oder Peritonismus, erfordern eine sofortige Einweisung.
- Asymptomatische Verläufe sind möglich.
- Prädisponierende Faktoren
- ektopische Gravidität in der Anamnese
- vorausgegangene Eileiteroperation (z. B. Sterilisation)
- Schwangerschaften, die bei liegendem Intrauterinpessar auftreten, sind zu 50 % Extrauteringraviditäten.
- Z. n. Entzündungen im Bereich des kleinen Beckens (Pelvic Inflammatory Disease, PID)
- sämtliche Verfahren der assistierten Reproduktion bei unerfülltem Kinderwunsch
- Alter > 40 Jahre
Trophoblasterkrankungen
- Siehe Artikel Trophoblastererkrankungen.
- Blasenmole
- gutartige Erkrankung durch Fehldifferenzierung von Zellen in der frühen Schwangerschaft
- Schnelleres Wachstum des Uterus als erwartet, Hyperemesis, traubenförmige Blasen im Uterus, Blutungen aus der Zervix, Hypertonie und Proteinurie vor der 20. Schwangerschaftswoche kommen häufig vor.
- Unterscheidung zw. Partialmole (enthält embryonales Gewebe) und Blasenmole (kein embryonales Gewebe).
- Bösartige Trophoblasterkrankung (meist invasive Mole oder Chorionkarzinom)
- invasiver Wuchs im Myometrium mit evtl. vaskulärer und hämatogener Fernmetastasierung
- persistierende oder rezidivierende Vaginalblutungen nach Schwangerschaft, weiterhin hoher Beta-hCG-Wert, und Symptome von Metastasen
- Die Frühsymptome können durch Metastasen in z. B. Lunge und Gehirn entstehen.
Andere Ursachen früher Blutungen
- Erkrankungen, die nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängen, sind:
- Zervixpolypen, Zervixkarzinom, Zervizitis, vaginale Infektionen
- Diagnostik bzw. Ausschluss durch gynäkologische Untersuchung und Ultraschall
Placenta praevia
- Siehe Artikel Placenta praevia.
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.6
- Eine Plazenta, die den inneren Muttermund vollständig oder teilweise bedeckt.
- Eine Placenta praevia liegt in etwa 0,3–0,5 % der Schwangerschaften vor.
- Blutungen im 2. und 3. Trimenon sollten immer auf eine Placenta praevia untersucht werden.
- i. d. R. schmerzlose Blutungen, an Intensität Richtung Geburtstermin zunehmend
- Geht nicht immer mit Blutungen einher.
- meist Diagnose im Ultraschall um die 20. SSW, ohne Symptomatik
- Durch das Uteruswachstum zieht sich die Plazenta häufig im Lauf der Schwangerschaft vom Muttermund zurück, sodass die Placenta praevia zum Geburtszeitpunkt viel seltener ist.
- Bei fortbestehender Placenta praevia senkt sich der vorangehende Teil des Fetus vor der Geburt häufig nicht in den Beckeneingang.
Abruptio placentae
- Siehe Artikel Abruptio placentae.
- Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
- Ablösung der Plazenta, geht mit Blutung zwischen Plazenta und Gebärmutterwand einher.
- Häufigster Grund für schwere Blutungen in der Spätschwangerschaft
- Tritt bei ca. 1 % der Schwangerschaften auf.
- Plötzliche Blutungen gegen Ende der Schwangerschaft
- Häufig mit Schmerzen verbunden, auch Rückenschmerzen
- Druckschmerzhafter und harter Uterus
- Nicht immer besteht eine vaginale Blutung.
- Entwicklung zum hämorrhagischen Schock möglich
- Das Ausmaß der Blutung lässt sich nicht anhand der vaginalen Blutung einschätzen.
Zeichnungsblutung
- Schmierblutungen im Sinne einer Zeichnungsblutung treten oftmals beim Einsetzen der Geburt aufgrund der Dilatation der Zervix auf.3
- In der Regel spärliche, dunkle Blutungen, können jedoch auch deutlich stärker ausfallen.
Andere Ursachen von Blutungen in der Spätschwangerschaft
- Schleimhautrisse der Vagina, Kontaktblutung bei Ektopie am Muttermund (nach Geschlechtsverkehr)
- Zervixpolypen und Zervixkarzinom sind seltene Ursachen.
- Vulvavarizen
- Rupturen von fetalen Gefäßen in den Eihäuten (Vasa praevia) können beim Abgang des Fruchtwassers oder bei einer Amniotomie auftreten.3
- kann zu lebensbedrohlichen Blutungen führen
- häufig fetale Bradykardie als erstes Zeichen
Anamnese
Datum der letzten Menstruation
- Regelmäßige Menstruation? Datum des ersten Tages der letzten Periode
- Entsprachen die Blutungen einer normalen Menstruationsblutung?
Beschreibung der Blutungen
- Menge und Dauer
- Koagel und Reste von Membranen?
Andere Symptome
- Schmerzen, Peritonismus
- Wehen
- Beeinträchtigter Allgemeinzustand
- Hypertonie, Proteinurie (Präeklampsie)
- Bauchtrauma in der Anamnese?
Klinische Untersuchung
In der Hausarztpraxis
- Blutdruck und Puls, vorsichtige Palpation des Bauches
- Alarmsymptome
Bei Spezialist*innen
Gynäkologische Untersuchung
- Inspektion des Muttermundes und bimanuelle Palpation ohne vorangehende Sonografie nur während des 1. Trimenons
- Uterus vergrößert?
- Muttermund geöffnet oder geschlossen?
- ggf. sichtbare Rückstände einer Fehlgeburt
- Anzeichen für nicht schwangerschaftsassoziierte Blutungen
- Zervizitis, Vaginitis, Zystitis, Trauma, Zervixkarzinom oder Polypen
- Ektopische Gravidität?
- lokalisierter Schmerz jenseits des Uterus und möglicherweise tastbare Resistenz
- Der Verdacht erhärtet sich bei Anzeichen einer hämodynamischen Instabilität.
- Während des 2. und 3. Trimesters ist die Regel, eine vaginale Exploration nur sehr restriktiv auszuführen.
- vaginale Untersuchungen möglichst im Krankenhaus nach sonografischem Ausschluss einer Placenta praevia in Sectio-Bereitschaft3
Ergänzende Untersuchungen
- Beta-hCG im Urin
- Wird bei frühen Blutungen vorgenommen, wenn die Schwangerschaft nicht bereits sicher nachgewiesen wurde.
- Wird von der Plazenta nach der Implantation der Blastozyste erzeugt. Die Produktion beginnt etwa 8 Tage (frühstens 7 Tage) nach der Konzeption.
- Beta-hCG im Blut1
- Möglichkeit der quantitativen Bestimmung
- z. B. bei Verdacht auf gestörte Frühgravidität
- V. a. Extrauteringravidität
- V. a. Trophoblasterkrankung
- Nicht adäquat ansteigende Werte weisen auf eine gestörte Schwangerschaft hin.
- Möglichkeit der quantitativen Bestimmung
- Chlamydien und Gonorrhö
- bei Verdacht auf eine zugrunde liegende Infektionskrankheit Untersuchung auf Chlamydien und Gonorrhö
- Hb, Hk, Thrombozyten
- bei stärkeren Blutungen Hb, Hk, Thrombozyten
- Ultraschalluntersuchung
- Fruchthöhle mit Nachweis von fetalen Strukturen
- Größe, Herzaktion, Lokalisierung, Besonderheiten?
- bei unsicheren oder pathologischen Befunden Verlaufskontrolle
- Mittel der Wahl zur Diagnose einer Placenta praevia3
Maßnahmen und Empfehlungen
Indikation zur Überweisung/Einweisung
- Während des 1. Trimesters
- bei vaginalen Blutungen insbesondere mit zunehmenden Schmerzen Überweisung an gynäkologische Praxis
- bei schweren Blutungen: sofortige Klinikeinweisung
- Bei Blutungen im 2. und 3. Trimenon sofortige Einweisung, ggf. ärztlich begleiteter Transport in die Klinik
- ggf. intravenöse Infusionstherapie während des Transports
- ggf. intravenöse Infusionstherapie während des Transports
Empfehlung
- Bei einer kurzen, leichten Blutung ohne andere Symptome und Befunde kann nach gynäkologischer Untersuchung ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt sein.
- Bei zunehmenden Symptomen kurzfristige Wiedervorstellung
- Bei Rhesus-negativen Patientinnen bei Blutung in der Schwangerschaft an die Anti-D-Prophylaxe denken, um einer Rhesus-Inkompatibilität vorzubeugen!
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patientinnen informieren?
- Bei Blutungen in der Schwangerschaft sollte sich die Patientin unverzüglich gynäkologisch vorstellen.
- Bei Blutungen während des 1. Trimesters ist die Prognose gut.
- Wenn die Ultraschalluntersuchung eine intakte intrauterine Schwangerschaft anzeigt, beträgt die Überlebenschance des Fetus 90 %.1
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen

Placenta praevia marginalis (vorgelagerte Plazenta): Die Plazenta reicht fast bis zum Rand des Gebärmuttermunds.

Placenta praevia totalis (vorgelagerter Mutterkuchen), die den gesamten Gebärmuttermund überdeckt.
Quellen
Literatur
- Hendriks E, MacNaughton H, MacKenzie MC. First Trimester Bleeding: Evaluation and Management.nAm Fam Physician. 2019 Feb 1;99(3):166-174. www.aafp.org
- Prabhu M, Eckert LO, Belfort M, Babarinsa I, Ananth CV, et al. Antenatal bleeding: Case definition and guidelines for data collection, analysis, and presentation of immunization safety data. Vaccine. 2017;35(48 Pt A):6529. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Sakornbut E, Leeman L, Fontaine P. Late pregnancy bleeding. Am Fam Physician 2007; 75: 1199-206. www.aafp.org
- Lykke JA, Dideriksen KL, Lidegaard O, Langhoff-Roos J. First-trimester vaginal bleeding and complications later in pregnancy. Obstet Gynecol 2010; 115: 935-44. PubMed
- Taran FA, Kagan KO, Hübner M, Hoopmann M, Wallwiener D, Brucker S. The diagnosis and treatment of ectopic pregnancy. Dtsch Arztebl Int 2015. www.aerzteblatt.de
- Albers JR, Miller TH. Placenta praevia. BMJ Best Practice, Last updated: 31 Jan 2023 (letzter Zugriff 11.07.23). bestpractice.bmj.com
Autor*innen
- Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Viszeralchirurgie, Kaufbeuren