Zusammenfassung
- Definition:Bakteriurie (≥ 105 Bakterien/ml) bei Schwangeren ohne klinische Symptome eines Harnwegsinfekts.
- Häufigkeit:Kommt bei 4–7 % der Schwangeren vor.
- Symptome:Asymptomatisch.
- Befunde:Keine klinischen Befunde.
- Diagnostik:Urinuntersuchung mit Kultur. Kein Screening empfohlen bei Niedrigrisikoschwangerschaften.
- Therapie:Keine. Antibiotische Behandlung nicht routinemäßig empfohlen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Bei der asymptomatischen Bakteriurie (ABU) handelt es sich um einen mikrobiologischen Befund ohne klinische Symptomatik.
- Urinkultur mit > 105 Bakterien/ml Urin desselben Keims in 2 aufeinanderfolgenden Proben
- Es handelt sich somit um eine Keimbesiedlung; beim Auftreten von Beschwerden (z. B. Dysurie) handelt es sich um eine Infektion.
- Siehe hierzu Harnwegsinfektion in der Schwangerschaft.
- Eine antibiotische Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie wird nicht generell empfohlen.
Häufigkeit
- Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie
- 5–6 % bei sexuell aktiven Frauen zwischen 20–40 Jahren
- Häufigkeit von asymptomatischer Bakteriurie bei Schwangeren
- Häufigkeit korreliert mit der Schwangerschaftsdauer.
- Neubesiedlung zwischen der 9. und 17. Schwangerschaftswoche am häufigsten
- Prävalenz von 4–7 %
Ätiologie und Pathogenese
- Uropathogene Bakterien der Darmflora der Patientin gelangen aszendierend in die Blase oder in das Nierenbecken.
- Erregerspektrum im hausärztlichen Versorgungsbereich für ambulant erworbene, unkomplizierte Harnwegsinfektionen:
- Escherichia coli (mit Abstand am häufigsten), gefolgt von
- Enterokokken
- Proteus spp.
- Staphylokokken
- Klebsiella pneumoniae
Prädisponierende Faktoren
- Häufigkeit abhängig von:1-2
- Alter
- Geschlecht
- sexueller Aktivität
- anatomischen Besonderheiten
- Vorerkrankungen (z. B. Diabetes)
- Harnwegsinfektionen in der Vorgeschichte
- Tendenz zu Keimaszension und Urostase in der Schwangerschaft
- verminderter Muskeltonus der Harnröhre (Urethra)3
- Uterus drückt den Ureter gegen die hintere Bauchwand.
- hierdurch ein häufigeres Auftreten von Pyelonephritiden bei Schwangeren3
ICD-10
- R82.7 Abnorme Befunde bei der mikrobiologischen Urinuntersuchung (inkl. positive Kulturen)
- O23 Infektionen des Urogenitaltraktes in der Schwangerschaft
- O23.0 Infektionen der Niere in der Schwangerschaft
- O23.1 Infektionen der Harnblase in der Schwangerschaft
- O23.2 Infektionen der Harnröhre in der Schwangerschaft
- O23.3 Infektionen von sonstigen Teilen der Harnwege in der Schwangerschaft
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Keine routinemäßige Urinkultur bei asymptomatischen Patientinnen mit oder ohne Dauerkatheter
- Urinkultur
- Nachweis von >105 Bakterien/ml in 2 konsekutiven Mittelstrahlurin-Kulturen bei einer asymptomatischen Schwangeren
- Eine einzelne Probe aus einem Mittelstrahlurin detektiert 80 % aller ABU, während die Zweiprobenmethode 95 % der ABU findet.
Anamnese
- Keine Beschwerden, die im Zusammenhang mit den Harnwegen stehen.
Klinische Untersuchung
- Unauffälliger klinischer Untersuchungsbefund
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
- Urinkultur
- Einzige zuverlässige Methode, um bei Schwangeren eine asymptomatische Bakteriurie nachzuweisen.4-5
- Urin-Teststreifen
- Alleiniger Einsatz wird nicht empfohlen, da die Sensitivität nicht ausreichend ist.
Screening
- Keine regelhafte Urinuntersuchung auf asymptomatische Bakteriurie bei allen Schwangeren
- Untersuchung des Mittelstrahlurins alle 4 Wochen auf Eiweiß und Zucker
- Bakteriologische Untersuchung nur bei besonderer Befundlage (z. B. bei auffälligen Symptomen, rezidivierenden Harnwegsinfektionen in der Anamnese, Z. n. Frühgeburt, erhöhtem Risiko für Infektionen der ableitenden Harnwege)
- Es gibt keine Hinweise auf eine Schädigung des Kindes durch eine asymptomatische Bakteriurie.
- Eine Urinuntersuchung (v. a. Urinkultur) kann bei Risikopatientinnen sinnvoll sein.
- z. B. bei Z. n. Frühgeburt oder später Fehlgeburt, Z. n. Pyelonephritis
- Kontrolle der Urinkultur bei > 105 Bakterien/ml Urin
- Diagnose bei Wachstum der gleichen Bakterien in zwei aufeinanderfolgenden Proben
- Urinstreifentests haben in der Praxis nur eine geringe Sensitivität (14–50 %) für eine asymptomatische Bakteriurie.
- Einsatz in dieser Niedrigprävalenzpopulation nicht empfohlen
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bei asymptomatischer Bakteriurie in der Regel nicht erforderlich
Indikationen zur Überweisung
- Bei symptomatischen Patientinnen, insbesondere mit Anzeichen für eine Pyelonephritis
- Fieber, Flankenschmerz und reduzierter Allgemeinzustand
- Siehe Artikel Harnwegsinfektion in der Schwangerschaft.
Therapie
Allgemeines zur Therapie
- Keine antibiotische Behandlung bei Niedrigrisikoschwangerschaften empfohlen
- Studien zeigten keine Vorteile einer antibiotischen Behandlung. Diese reduzierten zwar das Risiko für eine Pyelonephritis, führten aber nicht zu einer verminderten Frühgeburtsrate.
- In Einzelfällen (z. B. Z. n. Frühgeburt) kann eine Behandlung jedoch sinnvoll sein.
- Ist eine Therapie erforderlich, so gelten die Empfehlungen zur Therapie der Harnwegsinfektion in der Schwangerschaft.6
- Unberührt hiervon sind Empfehlungen zur Behandlung einer Besiedlung mit Gruppe-B-Streptokokken.
- Da diese eine Neugeborenensepsis verursachen können, wird unverändert eine prophylaktische antibiotische Behandlung (i. d. R. mit Penicillin G) empfohlen.
- Siehe Artikel B-Streptokokken in der Schwangerschaft.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
- Eine asymptomatische Bakteriurie bei Schwangeren erhöht das Risiko für eine Harnwegsinfektion (Zystitis, Pyelonephritis).
- Erregerspektrum und Resistenzraten ähneln denen von nicht schwangeren Frauen in der Prämenopause.
- Möglicherweise Assoziation von Harnwegsinfektionen mit vermehrtem Auftreten von:
- Präeklampsie
- Frühgeburtlichkeit
- reduziertem Geburtsgewicht
- erhöhter neonataler Mortalität.
- Es gibt keine Hinweise für eine Schädigung des Kindes durch eine asymptomatische Bakteriurie oder für Vorteile einer prophylaktischen antibiotischen Behandlung.
- Diese Empfehlungen sind nicht unumstritten – in den Leitlinien der European Association of Urology (EAU) von 2017 werden Screening und Therapie unverändert empfohlen.6
Verlaufskontrolle
- Kontrolle des Therapieerfolgs mittels Urinkultur nach einer antibiotischen Behandlung bei einer schwangeren Frau
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- European Association of Urology (EAU): EAU Guidelines on Urological Infections. Update 03/2017. www.uroweb.org
Literatur
- Nicolle LE. Asymptomatic bacteriuria: when to screen and when to treat. Infect Dis Clin North Am 2003; 17: 367-94. PubMed
- Smaill FM, Vazquez JC. Antibiotics for asymptomatic bacteriuria in pregnancy. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 8. Art. No.: CD000490. DOI: 10.1002/14651858.CD000490.pub3 DOI
- MacLean AB. Urinary tract infection in pregnancy. Int J Antimicrob Agents 2001; 17: 273-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- McNair RD, MacDonald SR, Dooley SL, Peterson LR. Evaluation of the centrifuged and Gram-stained smear, urinalysis, and reagent strip testing to detect asymptomatic bacteriuria in obstetric patients. Am J Obstet Gynecol 2000; 182: 1076 - 9. PubMed
- Bachman JW, Heise RH, Naessens JM, Timmerman MG. A study of various tests to detect asymptomatic urinary tract infections in an obstetric population. JAMA 1993; 270: 1971-4. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- European Association of Urology (EAU): EAU Guidelines on Urological Infections. Update 03/2017. www.uroweb.org uroweb.org
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
- Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
- Klaus Gebhardt, Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)