Gestationsdiabetes

Zusammenfassung

  • Definition:Schwangerschaftsbedingt entstehende Glukosetoleranzstörung mit Diabetes mellitus als Folge.
  • Häufigkeit:Prävalenz ca. 5–13 %.
  • Symptome:Typische Symptome wie Polyurie und Polydipsie fehlen oftmals.
  • Befunde:In der Regel keine klinischen Befunde.
  • Diagnostik:Bei vorliegenden Risikofaktoren Screening bei Erstvorstellung in der Frühschwangerschaft durch Blutzuckermessung. Bei fehlenden Risikofaktoren Screening zwischen 24+0 und 27+6 SSW mittels Glukosebelastungstest.
  • Therapie:Lifestyle-Modifikationen (Ernährung, körperliche Aktivität, Vermeidung starker Gewichtszunahme) häufig ausreichend. Falls nicht ausreichend, medikamentöse Therapie (1. Wahl Insulin).

Allgemeine Informationen

Definition

Gestationsdiabetes mellitus (GDM)

  • Synonym: Schwangerschaftsdiabetes
  • Diabetes mellitus verursacht durch eine Glukosetoleranzstörung, die erstmals in der Schwangerschaft mit einem 75-g-oralen Glukosetoleranztest (oGTT) diagnostiziert wird.
    • Wenn auch nur einer der 3 folgenden Blutzuckerwerte im Plasma erreicht oder überschritten wird, wird die Diagnose GDM gestellt:
      • nüchtern: 92 mg/dl (5,1 mmol/l)
      • nach 1 Stunde: 180 mg/dl (10,0 mmol/l)
      • nach 2 Stunden: 153 mg/dl (8,5 mmol/l)
  • Glukosurie ist bei vielen Schwangeren nachzuweisen, erlaubt jedoch nicht die Diagnosestellung GDM.1

Manifester Diabetes in der Schwangerschaft

  • Definition des manifesten präexistenten Diabetes in der Schwangerschaft entspricht den Kriterien des 75-g-oGTT außerhalb einer Schwangerschaft.
    •  nüchtern: ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l)
      • Zweitmessung am folgenden Tag oder HbA1c als Bestätigung nötig
    • oder 2-Stunden-Wert ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) und/oder HbA1c > 6,5 %
  • Auftreten eines Typ-1- oder Typ-2-Diabetes erstmalig in Schwangerschaft ist selten. 
    • Etwa 2 % aller Fälle von Schwangerschaftsdiabetes liegt ein MODY (Maturity Onset Diabetes of the Young) Typ 2 zugrunde.2

Häufigkeit 

  • Prävalenz ca. 5–13 %
  • Große Neugeborene (> 4.000 g)
    • Diabetische Mütter gebären große Kinder in 15–45 % der Fälle.3
    • positive Korrelation zwischen Geburtsgewicht und Glukosespiegel
    • Bedeutsamer als Grad der Hyperglykämie scheinen jedoch mütterliches Gewicht und starke Gewichtszunahme in Schwangerschaft zu sein.4 

Ätiologie und Pathogenese

Hormonelle Veränderungen in der Schwangerschaft

  • Viele „Schwangerschaftshormone“ haben eine diabetogene Wirkung.
    • u. a. humanes Plazentalaktogen, Östrogen, Prolaktin und Kortison
  • Hormonelle Veränderungen bei Schwangeren führen zu höherer Glukosekonzentration, verminderter Glukosetoleranz, erhöhtem Plasmainsulin und Hypertrophie der Langerhans-Inseln.

Pathophysiologie

  • In normal verlaufenden Schwangerschaften muss sich die Insulinproduktion erhöhen, da in der 2. Schwangerschaftshälfte physiologischerweise Insulinresistenz einsetzt.
    • Geschieht bei einigen Schwangere nicht in ausreichendem Maße (relativer Insulinsekretionsdefekt), was zu eingeschränkter Blutzuckerregulation führt.
  • Die Pathophysiologie des Gestationsdiabetes entspricht zu einem großen Teil der des Typ-2- Diabetes, auch Risikofaktoren entsprechen zumeist denen des Typ-2-Diabetes.
    • Auf Basis einer genetischen Prädisposition sind insbesondere Übergewicht und Lebensstil (hochkalorische Ernährung und Bewegungsmangel) relevant.

Prädisponierende Faktoren für Gestationsdiabetes

  • Früherer Schwangerschaftsdiabetes (Rezidivrisiko 20–84 %)
  • Erbliche Disposition: Typ-1- oder Typ-2-Diabetes bei Verwandten 1. Grades
  • Herkunft aus indischem Subkontinent, arabischen Ländern oder Nordafrika5
  • Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom6
    • Auch nach Bereinigung des Confounders ist Übergewicht ein fast doppelt so hohes Risiko für GDM.
  • Medikamentöse Ovulationsinduktion
  • Alter > 35 Jahre
  • Übergewicht (BMI > 27 kg/m2)
  • Exzessive Gewichtszunahme in der Schwangerschaft
  • Gestörte Glukosetoleranz vor der Schwangerschaft
  • Bereits geborenes Kind mit Geburtsgewicht > 4.500 g

ICD-10

  • O24.4 Diabetes mellitus, während der Schwangerschaft auftretend

Diagnostik

  • Jeder Schwangeren, die nicht bereits einen manifesten Diabetes hat, soll ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes angeboten werden.
  • Betreuung schwangerer Frauen erfolgt in der Regel bei Gynäkolog*in oder diabetologisch qualifizierter Ärzt*in.
  • Parallel suchen viele Frauen jedoch auch ihre Hausarztpraxis für eine Beratung auf.
  • Ein generelles Screening wird ab 24. SSW empfohlen, in Ausnahmefällen vorher.

Screening

Screening in Frühschwangerschaft

  • Bei Erstvorstellung im ersten Trimenon sollen Risikofaktoren für Diabetes abgeklärt werden.
  • Bei Vorliegen von Risikofaktoren soll primär eine Nüchternblutglukosebestimmung durchgeführt werden.
    • Bei einem durch Zweitmessung am folgenden Tag betätigten Nüchternglukosewert > 92 < 126 mg/dl (5,1–7,0 mmol/m) soll die Diagnose GDM in der Frühschwangerschaft gestellt werden und eine Ernährungsberatung und Blutzuckerselbstkontrolle stattfinden.

Screening zwischen 24+0 und 27+6 SSW

  • Zweizeitiges Screening
    • Bestimmung der Plasmaglukosekonzentration 1 Stunde nach oraler Gabe von 50 g Glukoselösung (unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Mahlzeit, nicht nüchtern)
    • Schwangere mit Blutzuckerwerten ≥ 7,5 mmol/l (≥ 135 mg/dl) und ≤ 11,1 mmol/l (≤ 200 mg/dl) erhalten zeitnah einen 75-g-oralen-Glukosetoleranztest.
  • Alternativ kann bei Schwangeren ein 75-g-oGTT zwischen 24+0 SSW und 27+6 SSW durchgeführt werden.

Auswertung 75-g-oGTT

  • Blutzucker-Grenzwerte im venösen Plasma
    • nüchtern: ≥ 92 mg/d (≥ 5,1 mmol/l)
    • nach 1 h: ≥ 180 mg/dl (≥ 10,0 mmol/l)
    • nach 2 h: ≥ 153 mg/d (≥ 8,5 mmol/l)
  • Diagnosestellung Gestationsdiabetes
    • Erreichen bzw. Überschreiten von 1 pathologischen Wert ausreichend
  • Diagnosestellung präexistenter manifester Diabetes
    • nüchtern ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l)
      • Zweitmessung am folgenden Tag oder HbA1c als Bestätigung nötig
    • oder 2-Stunden-Wert ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) und/oder HbA1c > 6,5 %

Details zum oralen Glukosetoleranztest

  • Vorgesehenes Zeitfenster 24.–28. (24+0 bis 27+6) SSW
    • Der Test kann aber auch noch später durchgeführt werden.
  • Standardbedingungen
    • keine akute Erkrankung/Fieber/Hyperemesis/ärztlich verordnete Bettruhe
    • keine Einnahme oder parenterale Applikation kontrainsulinärer Medikation am Morgen vor dem Test (z. B. Kortisol, L-Thyroxin, Beta-Mimetika, Progesteron)
    • nach Induktion fetaler Lungenreife mit Glukokortikoiden
      • mindestens 5 Tage nach der letzten Injektion warten
    • keine Voroperation am oberen Magen-Darm-Trakt (z. B. bariatrische Chirurgie mit ablativ-malabsorptiven Verfahren)
    • keine außergewöhnliche körperliche Belastung
    • normale, individuelle Ess- und Trinkgewohnheiten mit der üblichen Menge an Kohlenhydraten in den letzten 3 Tagen vor dem Test
    • am Vorabend vor dem Test ab 22 Uhr Einhalten einer Nüchternperiode von mindesten 8 Stunden
    • Testbeginn am folgenden Morgen nicht vor 6 Uhr und nicht nach 9 Uhr (tageszeitliche Abhängigkeit der Glukosetoleranz)
    • während des Tests möglichst wenig bewegen
    • Rauchverbot vor und während des Tests
  • Testablauf
    • unmittelbar vor Testbeginn: Messung der Blutglukose
    • Trinken von 75 g wasserfreier Glukose gelöst in 300 ml Wasser oder ein vergleichbares Oligosaccharid-Gemisch schluckweise innerhalb von 3–5 min
      • langsam trinken, kein „Sturztrunk“
    • weitere Glukosemessungen nach Ende des Trinkens der Glukoselösung
      • nach 1 Stunde
      • nach 2 Stunden

 Differenzialdiagnosen

  • Glukosurie ohne Diabetes
  • Typ-1-Diabetes 
    • Nach Diagnosesicherung umgehend Insulintherapie einleiten.
  • Typ-2-Diabetes
  • Andere Diabetesformen, wie z. B. MODY-Diabetes
    • In ca. 2 % aller Fälle einer Glukosetoleranzstörung in der Schwangerschaft wird Glukokinase-Genmutation (MODY 2) demaskiert.
    • Sicherung der Verdachtsdiagnose MODY 2 durch Genanalyse (Aufklärung und schriftliches Einverständnis erforderlich)

Anamnese

  • Symptome: Polyurie und Polydipsie?
    • Typische Symptome des Diabetes mellitus fehlen beim GDM oftmals.
  • Risikofaktoren vorliegend?
  • Präexistenter Diabetes mellitus?
    • Veränderter Insulinbedarf im Laufe der Schwangerschaft zu erwarten.
    • Im ersten Trimenon kann der Insulinbedarf fallen.
    • Bei gleichzeitigem Schwangerschaftserbrechen ist eine Regulation besonders schwierig.
    • in der Regel im 2. Trimenon Insulinbedarf stabil oder leicht ansteigend, im 3. deutlich erhöht

Klinische Untersuchung

  • In der Regel keine auffälligen klinischen Befunde

Diagnostik bei Spezialist*innen

Sonografie

  • Zum Ausschluss schwerer kongenitaler Fehlbildungen empfiehlt die Leitlinie folgende sonografische Kontrollen:
  • Im 1. Trimenon bei Schwangeren mit früher durchgemachtem oder bereits diagnostiziertem GDM
    • Auf die Möglichkeit einer frühen detaillierten sonografischen Organdiagnostik und Echokardiografie im Zeitraum 11+0 bis 13+6 SSW hinweisen.
  • Im 2. Trimenon bei GDM mit Diagnose vor 24+0 SSW und mit zusätzlichen Risikofaktoren (erhöhte Blutglukose- und HbA1c-Werte, anamnestisch Herzfehlbildungen, Adipositas)
    • differenzierte weiterführende Organdiagnostik und Echokardiografie des Feten
  • Im 3. Trimenon Biometrie in 3-wöchigen Abständen
    • Abdomenumfang wichtiger Parameter zur Erfassung einer diabetogenen Makrosomie

Kardiotokografie (CTG)

  • Bei diätetisch eingestellten Schwangeren mit GDM
    • wöchentliche CTG-Kontrolle ab 36+0 SSW mit auf die individuelle Situation angepasster Frequenz erwägen
  • Bei Insulintherapie des GDM und bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes
    • ab 32+0 SSW mit auf die individuelle Situation angepasster Frequenz

Indikationen zur Überweisung

  • Schwangerschaftsdiabetes wird normalerweise von den Gynäkolog*innen im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge diagnostiziert. Diese entscheiden dann, ob eine Überweisung zur Diabetologie notwendig ist.

Therapie

Therapieziele

  • Komplikationen für Schwangere und Kind verhindern
  • Blutglukose-Einstellungsziele
    • nüchtern, präprandial: 65–95 mg/dl bzw. 3,6–5,3 mmol/l
    • 1 h postprandial: ≤ 140 mg/dl bzw. ≤ 7,8 mmol/l
    • 2 h postprandial: ≤ 120 mg/dl bzw. ≤ 6,7 mmol/l

Allgemeines zur Therapie 

  • Im ärztlichen Erstgespräch soll die Schwangere unmittelbar nach der Diagnose in angstabbauender Atmosphäre mit der Problematik und den geplanten therapeutischen Schritten vertraut gemacht werden.
  • Durch Lifestyle-Modifikationen kann eine medikamentöse Therapie oft umgangen werden.
  • Falls eine medikamentöse Therapie nötig ist, ist Insulin das Medikament der Wahl.

Lifestyle-Modifikationen

Körperliche Aktivität

  • Sofern keine Kontraindikationen bestehen, sollen sich alle Schwangeren regelmäßig körperlich bewegen. Je nach Präferenzen der Schwangeren:
    • aerobes Ausdauertraining leichter bis mittlerer Intensität
    • Training mit elastischem Band
    • oder andere Varianten von Krafttraining
  • Einfachste Art der körperlichen Bewegung ohne Hilfsmittel ist zügiges Spazierengehen von mindestens 30 min Dauer mindestens 3 x wöchentlich.

Ernährung

  • Empfohlene Nährstoffverteilung
    • Kohlenhydrate: 40–50 %
    • Protein: 20 %
    • Fett: 30–35 %
  • Bei der Auswahl kohlenhydrathaltiger Lebensmittel Bevorzugung solcher mit hohem Ballaststoffanteil und niedrigem glykämischem Index
  • Aufteilung der Nahrungsaufnahme auf 5–6 Mahlzeiten pro Tag einschließlich einer Spätmahlzeit
    • Eine Spätmahlzeit verhindert eine nächtliche überschießende Ketonkörperbildung.
  • Moderate Kalorienrestriktion kann bei übergewichtigen Schwangeren sinnvoll sein, Hungerketose soll jedoch vermieden werden.

Gewichtszunahme

  • Schwangere mit GDM sollen auf die negativen Auswirkungen einer übermäßigen Gewichtszunahme hingewiesen werden.
  • Eine Gewichtszunahme innerhalb der IOM-Grenzen soll angestrebt werden.
    • präkonzeptioneller BMI, Gewichtszunahme/Woche 2. und 3. Trimenon und Gewichtszunahme gesamt in der Schwangerschaft
      • BMI < 18,5 sollte 0,5–0,6 kg/Woche und 12,5–18 kg/gesamt zunehmen.
      • BMI 18,5–24,9 sollte 0,4–0,5 kg/Woche und 11,5–16 kg/gesamt zunehmen.
      • BMI 25–29,9 sollte 0,2–0,3 kg/Woche und 7–11,5 kg/gesamt zunehmen.
      • BMI ≥ 30 sollte 0,2–0,3 kg/Woche und 5–9 kg/gesamt zunehmen.
  • Bei Adipositas kann die Gewichtszunahme auch darunterliegen.

Medikamentöse Therapie

Insulintherapie

  • Medikament der Wahl bei Gestationsdiabetes7
  • Indikationen
    • Siehe auch Abschnitt Nutzen der Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes.
    • nach Ausschöpfen der Basismaßnahmen und fehlendem Erreichen der Blutglukose-Zielwerte innerhalb von 2 Wochen
    • innerhalb 1 Woche > 50 % der Messwerte oberhalb des Zielbereiches
    • bei wiederholten Nüchternglukosewerten > 110 mg/dl (> 6,1 mmol/l)
  • Insulineinstellung
    • Humaninsulin Mittel der Wahl
    • in der Regel ambulanter Beginn
    • Einstellung durch in der Betreuung von diabetischen Schwangeren erfahrene Diabetolog*innen und Perinatalmediziner*innen mit entsprechenden Schwerpunkten
    • Die Modifikation der Blutglukose-Zielwerte in Abhängigkeit vom Wachstumsmuster des Feten soll sowohl Über- als auch Untertherapie der Schwangeren vermeiden.
  • Empfohlenes Prinzip intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT)

Metformin

  • Bei Schwangeren mit GDM und Verdacht auf ausgeprägte Insulinresistenz mit sehr hohem Insulinbedarf sowie nach individueller Indikationsstellung kann die Gabe von Metformin nach therapeutischer Aufklärung über den Off-Label-Use erwogen werden.
    • Kurzfristige Komplikationen für Mutter oder Kind wurden bisher nicht gefunden.8-11
    • Evtl. Langzeitwirkungen nach Exposition in utero nicht bekannt, weitere Studien sind erforderlich, bevor Metformin in Routine empfohlen werden kann.10
    • Metformin mit Insulin in Bezug auf glykämische Kontrolle vergleichbar8,11
  • Behandlung mit Metformin (Off-Lable-Use) während der Schwangerschaft ist mit der Patientin zu besprechen.
    • Dabei ist sie zu informieren, dass Langzeitwirkungen von Metformin auf den Fetus nur in geringem Umfang dokumentiert sind.

Sonstige orale Antidiabetika

  • Von Sulfonylharnstoffen ist abzuraten.12
  • Ebenfalls keine Anwendung von Alpha-Glukosidasehemmer, Glitazone, Glinide, DPP-4-Hemmer, SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Analoga

Folsäure-Prophylaxe

  • Wichtig bei präexistentem Diabetes und möglicherweise auch bei vorangegangenem Schwangerschaftsdiabetes, weil bei erhöhten Blutzuckerwerten ein erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte besteht.
  • Frauen mit Diabetes mellitus sollen bereits in der Phase des Kinderwunsches und in der Frühschwangerschaft eine Folsäuresupplementierung (mindestens 0,4 mg/d) erhalten.
    • bei erhöhtem anamnestischem Risiko (Geburt eines Kindes mit Neuralrohrdefekt): Erhöhung der Dosis auf 4 mg Folsäure/d

Weitere Therapien

  • Frühzeitige Entbindung nur angezeigt bei instabilem oder schlecht eingestelltem Diabetes sowie bei Wachstumsretardierung des Fetus
  • Tokolyse, wenn erforderlich
    • vorzugsweise mit Oxytocin- oder Kalziumantagonisten
    • nicht mit Betamimetikum
      • Grund: hierunter Anstieg der mütterlichen Blutglukose

Nutzen der Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes

  • Die Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes kann schwere perinatale Morbidität reduzieren und die Lebensqualität der Mutter nach der Geburt verbessern.13
  • Die Behandlung reduziert das Risiko für großen Fetus, Schulterdystokie und Hypertonie in der Schwangerschaft, ohne das Risiko eines zu kleinen Fetus zu steigern.14-15
  • Reduktion mütterlicher und kindlicher Risiken außer Makrosomie und Schwangerschaftshypertonie konnte durch Behandlung eines GDM bislang nicht bewiesen werden.4
    • dem gegenüber Risiko einer vermehrten Diabetesentwicklung im späteren Leben der Kinder durch mütterliche Hypoglykämie durch Diät und insbesondere Insulintherapie16
  • Die große Bedeutung des Gestationsdiabetes für die Gesundheit von Kind und Mutter wird zunehmend angezweifelt.4
    • Mit Grad der mütterlichen Hyperglykämie steigt zwar das Risiko für makrosome Kinder und Schwangerschaftshypertonie.
      • Das Risiko besteht jedoch stärker bei mütterlichem Übergewicht und deutlicher Gewichtszunahme in Schwangerschaft.
    • Diabetische Embryopathie tritt vor allem bei prägravidem Diabetes mellitus auf und nicht beim Gestationsdiabetes.
    • Gestationsdiabetes stellt wahrscheinlich eher Risikofaktor und weniger eigenständige Erkrankung dar.

Prävention

  • Bei Fällen mit erhöhtem Risiko (früherem Schwangerschaftsdiabetes bzw. BMI > 30 vor Schwangerschaft) reduziert eine einfache Intervention mit Ernährungs- und Bewegungsberatung die Häufigkeit von GDM von 21,6 % auf 13,9 %.17

Entbindung

  • Wahl der Entbindungsklinik
    • Schwangere mit diätetisch eingestelltem GDM: Entbindung in einer Klinik mit besonderer diabetologischer Erfahrung und angeschlossener Neonatalogie angeraten
    • Schwangere mit insulintherapiertem GDM: Entbindung in einem Perinatalzentrum
  • Sectio
    • Bei geschätztem Gewicht von 4.500 g sollte bei Schwangeren mit GDM eine Sectio empfohlen werden.

Postpartales Vorgehen

  • Insulintherapie bei GDM
    • kann in der Regel postpartal beendet werden
    • Kontrolle und Dokumentation durch postpartale Blutglukose-Tagesprofile
  • Stillen
    • bereits vor Entbindung Stillberatung mit Hinweis auf Vorteile des Stillens für Mutter und Kind
    • Empfehlung einer ausschließlichen Stillzeit von mindestens 4–6 Monaten
      • Auch nach Einführung von Beikost – frühestens mit Beginn des 5. Monats, spätestens mit Beginn des 7. Monats – sollten Säuglinge möglichst lange weiter gestillt werden.
    • Adipöse Schwangere sollen für das Stillen besonders motiviert und unterstützt werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Der Schwangerschaftsdiabetes normalisiert sich in der Regel nach der Geburt.
  • Etwa 20–30 % der Schwangeren mit GDM benötigen Insulin.

Komplikationen

Akute Komplikationen für die Mutter

  • Erhöhtes Risiko bei Schwangeren mit GDM für:

Langzeit-Komplikationen für die Mutter

  • Erhöhtes Risiko für:

Komplikationen für das Kind

  • Symptome der Makrosomie beruhen auf gesteigerter fetaler Insulinsekretion durch das erhöhte intrauterine Glukoseangebot.
Diabetische Embryopathie
  • Eine diabetische Stoffwechsellage während der Organogenese erhöht die Rate von Fehlbildungen (diabetische Embryopathie), das Fehlbildungsrisiko steigt linear mit dem Ausmaß perikonzeptioneller Hyperglykämien.
  • Fehlbildungsmuster der diabetischen Embryopathie unspezifisch (Neuralrohrdefekte, konotrunkale Herzfehler, Omphalozelen, Skelettanomalien, Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege), nur bei einigen sehr seltenen Fehlbildungen (kaudales Regressionssyndrom, Small-Left-Colon-Syndrom) kann Assoziation mit mütterlichem Diabetes als charakteristisch gelten.
  • Während bei prägravidem Diabetes mellitus deutlich erhöhte Fehlbildungsrate zu verzeichnen ist, ist sie bei Schwangeren mit Gestationsdiabetes allenfalls geringfügig erhöht.
Diabetische Fetopathie
  • Mütterliche Hyperglykämien in der 2. Schwangerschaftshälfte führen zu Symptomen einer diabetischen Fetopathie.
    • Dazu zählen nach der Geburt Atemstörungen, Hypoglykämie, Polyglobulie mit Erythroblastose, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und Hyperbilirubinämie.
  • Das Ausmaß der Symptome korreliert mit der mütterlichen Stoffwechsellage; selbst grenzwertig erhöhte Blutglukose-Konzentrationen in der Schwangerschaft können mit erhöhtem Risiko für Makrosomie, Hypoglykämie und
    Hyperbilirubinämie einhergehen.
  • Neugeborene von Diabetikerinnen, die einer Insulinbehandlung bedürfen, weisen höhere Raten postnataler Hypoglykämien auf als Neugeborene, deren Mütter nur diätetisch behandelt werden mussten.
  • In Abhängigkeit von Stoffwechseleinstellung steigen zudem Raten von Frühgeburt, intrauterinem Fruchttod, Makrosomie und daraus resultierenden Geburtskomplikationen (Asphyxie, Schulterdystokie, Plexusparesen, Knochenfrakturen).
  • Quantitativ bedeutsamste Komplikation nach diabetischer Stoffwechsellage in der Schwangerschaft stellen Hypoglykämien des Neugeborenen dar.
Blutglukose-Konzentrationen nach der Geburt
  • Infolge der abrupten Unterbrechung der Glukosezufuhr nach Durchtrennung der Nabelschnur bei fortgesetzt tiefer Insulinsekretionsschwelle kommt es in den ersten zwei Lebensstunden zu einem Abfall der Blutglukosekonzentration.
Folgen neonataler Hypoglykämien
  • Nach schweren symptomatischen neonatalen Hypoglykämien sind permanente Schäden im Marklager und der grauen Substanz des ZNS möglich.
  • Aus diesen Veränderungen können später zentrale Sehstörungen, Zerebralparesen, psychomotorische Entwicklungsdefizite und Epilepsien resultieren.
  • Es ist nicht klar, ob die erhöhten Raten von Übergewicht und Adipositas im späteren Leben der Kinder auf GDM oder auf das häufig vorliegende Übergewicht der Eltern mit dem damit verbundenen Lebensstil zurückzuführen sind.

Prognose

  • Bei Schwangerschaftsdiabetes endet die Schwangerschaft meistens normal mit spontaner Geburt, und die Blutzuckerwerte normalisieren sich postpartal.
  • Für Frauen europäischer Herkunft liegt das Rezidivrisiko für GDM in der 2. Schwangerschaft bei 40 %, bei Ethnizität mit hohem Diabetesrisiko (u. a. Asien) bei 50–84 %.

Verlaufskontrolle

  • 6–12 Wochen postpartal: 75-g-oGTT
    • zu diesem Zeitpunkt auch Screening auf depressive Verstimmung
  • Jährliche Diabetesdiagnostik, in der Regel mit Nüchternglukose und HbA1c
  • Bei Planung einer Schwangerschaft: Diabetesdiagnostik mindestens mit HbA1c und Nüchternglukose
  • Frühzeitige Hyperglykämie-Diagnostik bereits im 1. Trimenon in jeder weiteren Schwangerschaft

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

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Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt

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